ging es nun also mit »gemischter Mannschaft« durch den Strelasund südostwärts über die Hauptstationen Greifswalder Bodden, Peenestrom bei Wustrow, Achterwasser von Usedom bis schließlich in die Mündung der Penne bis zur Endstation Anklam. Jener Fluss, wo wir ja Wochen zuvor – damals noch mit Uwe – bei Demmin nach Norden in die Trebel abgebogen waren.
Besonders erwähnenswert auf diesem Abschnitt: Die Überfahrt über den riesigen Greifswalder Bodden. Bei hochsommerlichem Dunst und nahezu völliger Windstille fuhren wir, von der Rügenschen Seite aus kommend (Palmer Ort/Zudar), etwa eine Viertelstunde ohne Landsicht, ehe im Süden, zwischen Dänischer Wiek und Lubmin, etwa in Richtung des Dorfes Vierow/Gahlkow, in der Ferne Land auftauchte. Natürlich kann man so etwas im Paddelboot nur bei entsprechend ruhigem Wetter machen und bei normaler Sicht würde man das Land ja auch sehen. (Andernfalls hätten wir uns auf der Festlandseite von Stahlbrode aus, an der Insel Koos vorbei, in Richtung Lubmin an Usedom heranpirschen müssen.)
Anfangs im Peenestrom, später im Achterwasser von Usedom gab es noch ein paar Zeltprobleme unterschiedlichster Art. Zunächst hatten wir nach unserer »Hochseefahrt« noch einen nahezu idealen Zeltplatz unmittelbar am Strand des Greifswalder Boddens (Nähe Spandowerhagen). Dort erwartete uns ein majestätisch auf der Abbruchkante thronender Seeadler, der uns wohl erst als bedrohlich zur Kenntnis nahm und abflog, als wie uns im Boot aufrichteten, um an Land zu gehen.
Die absolute Einsamkeit, was Menschen betrifft, und das tete à tete mit dem Seeadler hatten wir dem dortigen Naturschutzgebiet zu verdanken. Was wir allerdings vorher nicht gewusst hatten, erst der Adler brachte uns auf die Idee. (Unliebsame Besucher hatten wir dadurch auch kaum zu befürchten.)
Dann aber wurde es am nächsten Tag im Peenestrom weniger angenehm und auch nicht ungefährlich. Denn nach langem, vergeblichem Suchen in total verschilften Ufern mussten wir irgendwo nördlich von Wustrow, weil es langsam dämmerte, notgedrungen mit einem winzigen, unverschilften Inselchen als Bleibe für die Nacht vorlieb nehmen. Auch diese »Handvoll« Erde, die da aus dem Wasser guckte, war jedoch so flach, dass wir, der schnell fahrenden und somit beängstigend große Wellen verursachenden Marineschiffe wegen, kaum ein Auge zubekamen. Hinzu kam, obwohl wir mückenmäßig einiges gewöhnt waren, aber einen solch massiven Angriff von ganzen Myriaden auf jedes Stück freie Haut, selbst durch die schnellstens angezogenen Trainingssachen hindurch, hatten wir noch nie erlebt. Und wenn nicht schon die Dämmerung hereingebrochen wäre, hätten wir garantiert vor den blutdürstigen Horden noch die Flucht ergriffen. Auch trug unsere Unkenntnis, in welchem Maße hier die Wasserstände schwanken könnten, dazu bei, dass wir den Morgen zur Weiterfahrt kaum erwarten konnten. Der nächste Tag sollte somit ein ganz ruhiger in der Nähe des Dorfes Ziemitz (Achterwasser/Usedom) werden. Dorflümmels, die wohl glaubten, bei dem dort in der Wildnis zeltenden Pärchens irgendwelche »spektakulären« Beobachtungen machen zu können, verhinderten das jedoch. Zudem hätte unsere primitive Zeltbeleuchtung, die nur aus brennenden Kerzen bestand, dabei fast das Zelt abgefackelt. Die neugierigen »Lümmels« waren zum Glück nur Halbstarke oder noch Kinder gewesen, welche sofort, als ich wutentbrannt aus dem Zelt stürzte, die Flucht ergriffen. Sonst hätte wohl alles auch anders ausgehen können. Der Brandfleck wurde am nächsten Morgen notdürftig geflickt und dann nichts wie weg von diesem ungastlichen Fleck.
Nun war klar, dass der nächste Platz wohl der diesjährig letzte sein würde. Und anstatt, wie zunächst geplant, dafür Lütow oder Görmitz, beides noch recht weitab der Ostsee, anzusteuern, wurden wir noch mal »ganz mutig«. Und so ging es direkt auf das kleine Halbinselchen bei Loddin, unmittelbar auf der Boddenseite hinter Koserow, Kölpinsee und Ückeritz zu. Und obwohl unser Platz gar nicht besonders gut versteckt lag, sogar mit einem »eigenen« kleinen Sandstrand aufwartete, der wohl auch manchen Spaziergänger (oder Schlimmeres) hätte anziehen können, ging alles gut und wir hatten noch ein paar abschließende Erholungstage an der »richtigen« Ostsee. Und mit der 60 Meter hohen Steilküste des Streckelberges dazu noch an einer der spektakulärsten Stellen der ganzen Insel. Eine Stelle, die mich bereits in jüngeren Jahren schon einmal so fasziniert hatte und an die ich Jahrzehnte später unversehens nochmals unter völlig anderen Umständen erinnert werden sollte. (Geschichte »Niagarafälle«) Und wenn wir nachmittags oder abends von der Ostsee zurückgewandert kamen, fanden wir am Zelt nicht nur alles unversehrt vor, sondern wir wurden auch durch keinen unerwünschten, eventuell sogar uniformierten Besuch beglückt.
Nach diesen geruhsamen letzten zwei, drei Tagen, ging’s dann noch mal quer über das Achterwasser in Richtung Peenemündung und noch ein paar Kilometer den Fluss »bergauf« bis Anklam, wo wir bereits in dunkler Nacht am dortigen Bahnhof die auch in diesem Jahr wieder ereignisreiche Tour beendeten.
Damit war das eigentliche Ziel, die völlige Durchquerung der DDR im Faltboot, im Prinzip »abgearbeitet« gewesen.
Doch hatte das vorausgehende Kartenstudium ja ergeben, dass es da noch eine andere Möglichkeit gäbe. Zwar wären mit den damaligen Möglichkeiten nicht die Boddengewässer erreichbar, doch bis in den Rostocker Hafen würde man, wenn alles gut ginge, auch kommen können? So die Idee!
***
Und so ging es im Folgejahr zum dritten Mal los. Diesmal wieder mit jenem Klaus, der schon die zweite Hälfte des ersten Jahres (Stichwort: Treffpunkt Genthin) unverwüstlich absolviert hatte und sich durch neue in Aussicht stehende Unwägbarkeiten wohl nicht abschrecken ließ.
Wie bereits kurz erwähnt, ging es auch wieder in Waren an der Müritz los. Diesmal jedoch durch die komplette »Herzkammer« des Wassersports, über Kölpin-, Fleesen-, Malchower- und Petersdorfer See bis zum Plauer See.
Auf dem Plauer See schafften wir sogar, was uns bisher erspart geblieben war:
Als wir, quasi als Einstand zur diesjährigen Tour, mal wieder segelten … kenterten wir! Hatten wir sogar unsere Supertour über die Boddengewässer vom Vorjahr erfolgreich ohne die Seitenschwerter des Bootes gemeistert, (Die hatten wir aus Platz- und Gewichtsgründen dieses Jahr gar nicht mitgenommen), so erschien uns das auf den »doch nur« Binnenseen erst recht nicht notwendig. Wo wir doch auf dem Saaler Bodden und im Strelasund regelrechten Sturm »ohne« bestanden hatten. Profis wissen, dass nicht die Stärke des Windes, sondern die Konstanz seiner Richtung das Wichtigste dabei ist. Und genau deshalb meist Binnenseen oft tückischer sind als offene See. Leider kenterten wir nach einer extrem starken Bö am Westufer nördlich von Plau, während unser Zelt (natürlich wieder »schwarz«) am Ostufer in der Nähe von Zislow stand, was alles nicht einfacher machte. Später dann, nachdem ein Motorboot unser umgekipptes Boot (zusammen mit uns im Wasser schwimmend) ein Stück geschleppt hatte, hingen hernach dafür neben den nassen Sachen auch Ausweis und Geldscheine auf der Leine. Und der Fotoapparat war natürlich im Eimer. Es wurde später der billigste, für uns gerade noch erschwingliche Ersatz (Pouva Start) gekauft, um wenigstens ein paar Bilder zur Dokumentation der Fahrt zu haben. (Natürlich nur schwarz/weiß und in „Papierkorbqualität“.
Auch diese Lektion des Kenterns hatte gesessen! Geldscheine mussten wir jedenfalls nicht wieder auf der Leine zum Trocknen aufhängen.
Der weitere Weg vom Nordwestufer des Plauer Sees mit Ziel Damerower See war wieder nur mit Fuhrwerk ein paar Kilometer (über das Dorf Karow) per Landstaße zu bewältigen.
Als Ausfluss dieses Sees fungiert hier die Mildenitz, ein ganz reizendes Paddelflüsschen durch zum Teil bezaubernde Landschaften. OK, einige Brocken mussten da auch bewältigt werden, wie die Umgehung eines kleinen Kraftwerkes (Zülow) und anderes. Aber sonst, für Genusspaddler empfehlenswert. (Für Neugierige als Stichpunkte: Goldberger-, Dobbertiner-, Sternberger See.)
Unmittelbar nach der Mündung der Mildenitz in die Warnow kommt mit dem so genannten Warnowdurchbruch ein richtiges Stückchen Wildwasser. Nicht direkt gefährlich, doch der vielen spitzen Steine und Felsbrocken wegen, aufpassen muss man schon.
Auch die Warnow ist – über die Städtchen Bützow (Schiefer Kirchturm) und Schwaan bis schließlich nach Rostock – ein recht angenehmer, unproblematischer Wanderfluss.
Da unsere Urlaubszeit zu Ende ging, wir aber noch ein paar Tage unmittelbar in Ostseenähe verbringen wollten, machten wir (doch wieder) …