Max B. Gerson war ein deutscher Mediziner, der seine schweren Migräneanfälle durch eine sehr kaliumreiche, natriumarme pflanzenbasierte Ernährung ausheilte und einen der ersten auf Ernährung basierenden Ansätze zur Krebstherapie entwickelte. Da Nervenzellen besonders sensibel auf Energiemangel und ein reduziertes Membranpotential (intrazellulärer Kaliummangel und erhöhtes Natrium und Calcium) reagieren, scheint der Ansatz, Migräne mit einer sehr kaliumreichen, natriumarmen Ernährung zu heilen, grundsätzlich sinnvoll.
Gersons Krebsdiät ist zwar in einigen Punkten zu Recht umstritten, besitzt aber einen inzwischen wissenschaftlich bestätigten Kern, durch den sich auch seine erstaunlichen Erfolge bei Krebspatienten erklären lassen (z. B.: Max Gerson (2010): Eine Krebstherapie – 50 Fälle). Gerson (1954) konnte mit seiner Therapie bei über 50 % der behandelten fortgeschrittenen Krebsfälle Erfolge verbuchen. Erst wenn die Funktion der Leber nicht mehr hergestellt werden konnte, bestand keine Aussicht mehr auf Erfolg (Gerson, 1978).
Max Gerson konnte durch seine „Migräne-Diät“ auch Hauttuberkulose heilen, was ihm die Aufmerksamkeit von Ferdinand Sauerbruch einbrachte, einem weltweit berühmten Thoraxchirurgen. Die Zusammenarbeit der beiden Mediziner ermöglichte es Gerson, in einer klinischen Studie an Patienten mit Hauttuberkulose 446 der 450 Patienten zu heilen und zusammen mit Sauerbruch zahlreiche Artikel zu veröffentlichen.
Auch Albert Schweitzer, Mediziner und Träger des Friedensnobelpreises, hielt große Stücke auf seinen lebenslangen Freund Max Gerson. Durch Anwendung der Gerson-Therapie konnte seine an Lungentuberkulose erkrankte Frau geheilt werden, und auch Schweitzer selbst heilte damit erfolgreich seine Diabeteserkrankung. Von Schweitzer stammt auch der Ausspruch: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“, was seine Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben widerspiegelt.
Albert Schweitzer war in Gabun als Missionsarzt tätig. Die in Afrika steigende Häufigkeit von Krebs- und Nierenerkrankungen führte er auf den gestiegenen Salz- und den reduzierten Kaliumverzehr zurück, da die Afrikaner immer mehr Brot sowie tierische und mit Salz konservierte Lebensmittel zu sich nehmen, statt sich wie ursprünglich von viel Getreide (Hirse, Mais, Reis), Gemüse und Obst zu ernähren.
Die Grundzüge der Gerson-Diät basieren auf Salzverzicht, einer reichlichen Aufnahme von frischem, biologisch angebautem Gemüse, Obst, Kräutern, Vollkorn, zusätzlicher Kalium-Supplementierung sowie auf einer strikten Reduktion von Fett und tierischem Protein durch eine fettarme, pflanzliche Ernährung. Der Großteil der Lebensmittel wird als Rohkost aufgenommen. Dabei werden bis zu 7 - 10 kg Gemüse und Früchte täglich verzehrt – hauptsächlich als Säfte, von denen stündlich eine Portion getrunken wird. Dazu gibt es drei gekochte, pflanzliche Hauptmahlzeiten. Gerson setzte auch Kaffeeeinläufe zur Leberentlastung, Leinöl (das einzige Öl, das er empfahl) und Lugol’sche Jodlösung ein. Auf diese Weise haben Patienten ca. 20 g Kalium und praktisch kein Natrium zu sich genommen. Es versteht sich von selbst, dass nicht jeder Krebspatient für eine solch intensive Ernährungsintervention geeignet ist und die Durchführung einer solchen Diät mit Blutanalysen der Natrium-, Chlorid-, und Kaliumwerte gut überwacht werden muss.
Die zur Gerson-Therapie gehörende Verabreichung von roher Kalbsleber führte dazu, dass Krebspatienten durch Infektionen zu Tode kamen. Zudem wurde der übermäßige und nicht sachgemäße Einsatz von Kaffeeeinläufen mit schwerwiegenden Erkrankungen, wie z. B. Colitis, Störungen des Elektrolyt-Haushalts und sogar mit dem Tod in Verbindung gebracht. Diese Fälle standen zwar nicht direkt mit Gerson in Verbindung, zeigen aber, dass die Gerson-Therapie nicht ungefährlich ist und umsichtig eingesetzt werden muss.
Der wesentliche Punkt der Gerson-Diät ist die Herstellung eines für den Körper optimalen Natrium-Kalium-Verhältnisses. Gerson zufolge bewirkt die Ausleitung von Natrium und Giftstoffen sowie die Auffüllung der intrazellulären Kaliumspeicher die „Zelldifferenzierung“ und Wiederherstellung von „Spannung“ und „Oxidation“ und damit den Gesundungsprozess. Somit konnte durch die Gerson-Therapie im Körper ein optimales Natrium-Kalium-Verhältnis erzeugt und die Aktivität der Natrium-Kalium-Pumpe normalisiert werden – doch davon wusste man zu jener Zeit wissenschaftlich noch nichts.
Ein großer Teil der Lebensmittel werden bei Gerson als Rohkost verzehrt. Dies hat den Vorteil, dass noch große Mengen Kalium enthalten sind. Gerson (1934) hat jedoch von einer dauerhaften ausschließlichen Rohkosternährung abgeraten, sie sollte nur zeitlich beschränkt als Heilkost aufgenommen werden.
Die Gerson-Diät enthält große Mengen Obst, die als Saft eingenommen werden. Dadurch kommt es zu einer schnellen Anflutung von Glukose und Fruktose im Blut. Auch besteht beim reichlichen Konsum von Fruchtsäften das Risiko einer erhöhten Fuselalkoholbildung und einer damit einhergehenden Belastung von Leber und Darm. Eine Umstellung zu einer Ernährung auf Basis von Gemüse, chlorophyllreichen Pflanzen, Gräsern und Kräutern und nur ausgewählten, besonders polyphenolreichen Früchten ist bei einer Krebserkrankung sinnvoller als der reichliche Verzehr von süßen Säften. Grundsätzlich ist es besser, Obst nicht überwiegend als Saft zu verzehren, weil in der ganzen Frucht die Ballaststoffe enthalten bleiben und die Anflutung des fruchteigenen Zuckers im Blut viel langsamer erfolgt.
Eine bestehende Insulinresistenz bei Übergewicht wird durch die Kur nach Gerson abgebaut und das Gewicht reduziert. Einem starken Gewichtsverlust sollte rechtzeitig durch kaloriendichtere pflanzliche Nahrungsmittel entgegengewirkt werden.
Im Rahmen einer Kachexie, bei Untergewicht und für Personen mit verminderter renaler Kalium-Ausscheidung oder anderen ausgeprägten Störungen des Kalium- und Natrium-Haushalts ist die Gerson-Therapie kontraindiziert. Die intensive Ernährungstherapie sollte nur unter erfahrener fachkundiger Anleitung und unter regelmäßiger Kontrolle der Serum-Elektrolyte durchgeführt werden.
Gersons Ansatz wird durch zahlreiche Studien untermauert, die zeigen, dass ein erhöhtes Natrium-Kalium-Verhältnis mit einer erhöhten Malignität von Krebszellen einhergeht und dass hohe intrazelluläre Kaliumwerte mit reduzierten Krebsraten und hohe intrazelluläre Natriumwerte mit erhöhten Krebsraten assoziiert sind.
Bemerkenswerterweise wird die Anzahl vorhandener Natrium-Kalium-Pumpen durch Training, Schilddrüsenhormone, Insulin, Glucocorticoide, Kaliumüberladung oder Polyphenole nach oben bzw. durch Inaktivität, Kaliummangel, Hypoxie, Herzversagen, Schilddrüsenunterfunktion, Hungern, Diabetes, Alkoholismus oder Muskeldystrophie nach unten reguliert. Gerson hat also empirisch durch den Einsatz von Jodlösung (zur Förderung der Bildung von Schilddrüsenhormonen) und natriumarmer, sehr kaliumreicher sowie polyphenolreicher Ernährung nicht nur den Ausgleich der Natrium-Kalium-Balance angestrebt, sondern auch die Natrium-Kalium-Pumpe aktiviert. (Wirkungsvoller als Jodlösung dürfte der direkte Einsatz von Thyroxin sein.)
Über Gerson sagte Albert Schweitzer wohl mit Recht: „Ich sehe in ihm eines der bedeutendsten Genies in der Geschichte der Medizin. Viele seiner grundlegenden Ideen wurden übernommen, ohne dass sein Name damit in Verbindung gebracht wurde.“
4. Ernährung bei Prostatakrebs
Zwar liegt einer Prostatakrebs-Erkrankung eine genetische Disposition zugrunde, doch können wir doch durch unsere Ernährung und Lebensweise die Ausprägung unserer Gene positiv oder auch negativ beeinflussen. Dies zeigen z. B. klinische Studien der Arbeitsgruppe um Prof. Dean Ornish. (Sein Ansatz in der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist wissenschaftlich so gut untermauert und wirkungsvoll, dass er von Medicare, der nicht gerade für Großzügigkeit bekannten öffentlichen US-Krankenversicherung, bezahlt wird.)
Dass die Ernährungsweise maßgeblich die Prostatakrebsmortalität beeinflusst, zeigt der Vergleich weltweiter Prostatakrebs-Sterberaten in Zusammenhang mit dem im jeweiligen Land über Jahrzehnte vorherrschenden Ernährungsmuster.
Weltweit korreliert das westliche Ernährungsmuster mit vielen Fleisch- und Milchprodukten sowie Zucker durchweg mit einer hohen Prostatakrebssterblichkeit, während das asiatische Ernährungsmuster auf Basis von Reis, Sojabohnen und Gemüse mit einer sehr niedrigen Mortalität einhergeht. Diese Überlebensvorteile der Asiaten verschwinden nach einer Migration in westliche Länder und der Übernahme eines westlichen Ernährungsmusters.