es politisch Japan zu.
Traditionelle Ernährung in China
Auch in China wurden traditionell wenig Fisch und Fleisch sowie praktisch keine Milchprodukte konsumiert. Der Verzehr von Fleisch ist jedoch in den letzten zwei Jahrzehnten drastisch um mehr als das 14-Fache angestiegen, beträgt aber immer noch nur etwa die Hälfte des westlichen Niveaus (Brown, 2009). Nach wie vor werden wenig Milchprodukte verzehrt, auch wenn der Trend neuerdings stark steigend ist. Der Fischkonsum hat sich seit den 1990er Jahren in etwa vervierfacht. Allem Anschein nach folgt China mit einigen Jahrzehnten Verzögerung dem Beispiel Japans, dessen Verwestlichung in den 1960er Jahren begann und dessen Prostatakrebsmortalität im Jahr 2008 altersstandardisiert um 150 % höher lag als in China, Vietnam oder Thailand (Ferlay et al., 2010). Allerdings erfolgt die Verwestlichung Chinas schneller und intensiver als in Japan, was sich bereits in rapide steigenden Zahlen für Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen äußert. Die altersstandardisierte Prostatakrebsmortalität ist in China seit 2000 bereits um 80 % gestiegen (Ferlay et al., 2000 und 2010).
Traditionelle Ernährung in Japan
The Cambridge World History of Food (2000) berichtet, dass Japan auf eine sehr alte Ernährungskultur ohne Fleisch- und Milchprodukte zurückblickt. Von 675 n. Chr. bis in das 15. Jahrhundert war das Essen von Säugetieren weitestgehend staatlich verboten – man nahm die Gewaltlosigkeit der buddhistischen Lehre ernst. Daher gab es auch keine Tierzucht. Milchprodukte konnten sich auch danach nie in Japan, China oder Korea etablieren, da die Laktoseintoleranz in diesen Ländern weit verbreitet ist. Die Betonung der japanischen Küche lag darauf, den natürlichen Geschmack der Lebensmittel zu bewahren. Frischkost galt als Devise, auch Fisch wurde häufig roh verzehrt. Insgesamt basierte die japanische Ernährung auf fettarmer, pflanzlicher Kost mit Fischbeigabe. Dies hat sich im Zuge der Verwestlichung Japans seit dem 2. Weltkrieg zunehmend verändert, auch wenn besonders die älteren Japaner noch an ihren alten Ernährungsmustern festhalten, viel Wert auf eine schlanke Linie legen und besonders lange leben.
In den 1990er Jahren unterschied sich die Inzidenz von Prostatakrebs in den USA von der in Japan noch um einen Faktor von 10: In den USA lag das Auftreten jährlich bei etwa 120 (Weiße) bzw. bei fast 200 (Schwarze) pro 100.000 Einwohnern, in Japan nur bei etwa 12 (z. B. Matsuda und Saika, 2007).
Seit langem bekannt ist das Phänomen der verwestlichten Japaner: Wenn Japaner nach Kalifornien ziehen und „amerikanisiert“ werden, steigt ihr Prostatakrebsrisiko deutlich und nähert sich dem US-amerikanischen Niveau an (Kalifornisches Krebsregister 2002; www.ccrcal.org). Inzwischen hat auch die Verwestlichung im Land die zu erwartenden Ergebnisse erzielt. Nicht nur die Inzidenz hat sich mittlerweile (2008) mit 23/100.000 fast verdoppelt und ist damit „nur noch“ 73 % niedriger als in den USA (84/100.000) (Ferlay et al., 2010), auch die Mortalität ist stark angestiegen. Was ist geschehen?
Grüntee, Soja und Natto (traditionelle japanische Speise aus mit Bacillus subtilis fermentierten Sojabohnen, sehr reich an Vitamin K2) sind fundamentale Bestandteile der japanischen Ernährung. Neben hochwertigem pflanzlichem Protein, Ballaststoffen und B-Vitaminen enthält Soja auch reichlich Soja-Isoflavone, insbesondere auch aus fermentiertem Soja (Miso), in dem die Soja-Isoflavone bereits in ihrer bioaktiven Form vorliegen. Japan fällt unter den asiatischen Ländern durch seinen seit jeher relativ hohen Fischkonsum auf (Willcox et al., 2007), der sich seit 1950 um das 2,5-Fache erhöht hat. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges konnte außerdem ein steigender Konsum an Milch (20-fach), Fleisch (9-fach) und Eiern (7-fach) verzeichnet werden (Ganmaa et al., 2003). Die Prostatakrebsmortalität stieg in diesem Zeitraum dramatisch an (s. Abb. 11; Suzuki, 2009).
Abb. 11: Prostatakrebsmortalität in Japan (Suzuki, 2009)
Dennoch ist die Prostatakrebsmortalität immer noch deutlich niedriger als in Europa, Südamerika und den USA. Die alten Generationen der Japaner haben sich viele Jahre traditionell ernährt und profitieren noch immer davon, weshalb die alten Japaner weltweit die zweithöchste Lebenserwartung erreichen (Willcox et al., 2012) und damit direkt hinter den vegetarisch lebenden Adventisten in den USA rangieren. Nach wie vor ist der Konsum von Milchprodukten und Fleisch im Vergleich zu anderen Industrienationen deutlich geringer.
Seit etwa 20 Jahren findet in Japan ein Umdenken statt. Der American Way of Life verliert an Popularität, eine gesunde Lebensweise rückt ins Zentrum. Schlank- und Gesundsein sind zentrale gesellschaftliche Werte, die auch einen hohen sozialen Druck ausüben. Ein wichtiges Element: Die verzehrten Portionen sind viel kleiner als in Europa und den USA. Dieser Bewusstseinswandel drückt sich auch in der weltweit höchsten Lebenserwartung (im Ländervergleich), den meisten gesunden Lebensjahren und einem Rückgang der Sterblichkeitsraten aufgrund diverser Krebsarten aus (Katanoda et al., 2013).
EPIC-Studie und Ernährung in Europa: reich an tierischem Protein und Fett
Die europäische EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition), eine multizentrische Studie in zehn europäischen Ländern mit über 500.000 Teilnehmern, die den Zusammenhang von Ernährung und Krebs untersucht, liefert auf den ersten Blick keine herausragenden Ergebnisse bezüglich der ernährungsbedingten Ursachen von Prostatakrebs. Eine genauere Analyse der Daten zeigt allerdings den möglichen Grund: Die Männer in Europa ernähren sich inzwischen alle relativ ähnlich ungesund. Obwohl der Konsum von Fisch, Fleisch und Milch jeweils stark variiert, kann man am Konsum tierischen Proteins erkennen, dass tierische Lebensmittel die Hauptproteinlieferanten waren: Im Schnitt kamen 32 % des Proteins aus Fleisch, 9 % aus Käse und 7 % aus Milch. Getreide lieferte 18 % der Proteinzufuhr. Selbst das niedrigste Quintil (das Fünftel der Bevölkerung, welches am wenigsten aufnimmt) liegt noch bei durchschnittlich 47 g tierischem Protein pro Tag. Das höchste Quintil hält sich bei 80 g pro Tag (Allen et al., 2008). Verglichen mit China essen die Europäer somit 4- bis 11-mal so viel tierisches Eiweiß in Form von Fleisch, Wurst, Käse, Milch, Eiern und Fisch. Und die europäischen Männer mit dem geringsten Verzehr an tierischem Eiweiß nehmen sogar immer noch mehr als 14-mal so viel davon zu sich als die Bewohner Okinawas. Interessant ist hierbei, dass die deutsche Ernährung im 18. Jahrhundert (Lemnitzer, 1977) in Bezug auf die Makronährstoffe noch der traditionellen Ernährung von Okinawa ähnelte.
Der EPIC-Studie zufolge steigert ein hoher Verzehr von Milchprotein das Prostatakrebsrisiko um 22 % (Allen et al., 2008). Ursachen hierfür sind u. a. erstens die damit verbundene hohe Aufnahme von Calcium, das laut World Cancer Research Fund und American Institute for Cancer Research (WCRF, 2007) „wahrscheinlich“ das Prostatakrebsrisiko erhöht, zweitens die in der Milch enthaltenen insulinähnlichen Wachstumsfaktoren wie IGF-1 und drittens die besondere Wirkung des Milchproteins, die IGF-1-Serumspiegel beim Menschen zusätzlich zu erhöhen (Norat et al., 2007; Miura et al., 2007; Parrella et al., 2013). Vor allem tierische Lebensmittel sind reich an Aminosäuren, die erhöhte IGF-1-Serumspiegel verursachen können (Allen et al., 2002; Clemmons et al., 1985). Eine Reduktion der Proteinaufnahme (Smith et al., 1995) und eine rein pflanzliche Ernährungsweise (Allen et al., 2000 und 2002) haben dagegen niedrigere IGF-1-Spiegel zur Folge. Die heutige Kuhmilch liefert aber auch beachtliche Mengen an Östrogenen und Progesteron, die in der Promotion von Prostatakrebs eine wichtige Rolle spielen (Ganmaa et al., 2002). Insbesondere die Kombination von Kohlenhydraten wie Zucker oder Weißmehl, die einen hohen glykämischen Index haben, mit tierischen Proteinträgern wie Milch oder Fleisch führen zu einer sehr hohen Insulinausschüttung (Bao et al., 2011). Gleichzeitig können die in tierischen Lebensmitteln enthaltenen gesättigten Fettsäuren eine Insulinresistenz fördern. Da die krebsfördernden Auswirkungen einer chronischen Hyperinsulinämie bekannt sind, dürfte vor allem die lebenslange Wirkung dieser Lebensmittel in Kombination mit Bewegungsmangel den Stoffwechsel und den Hormonhaushalt nachhaltig verändern und in der Synergie ein bisher kaum untersuchtes kanzerogenes Potential darstellen.
Auffallend ist in Europa der starke Anstieg des Fleischkonsums in den Mittelmeerländern,