der University of California in Los Angeles gezeigt, wie wirkungsvoll Ernährung und Bewegung für unsere Gesundheit sind. In einer Studie untersuchten sie Blutproben von acht Männern, die über mehrere Jahre hinweg eine fettarme Ernährung und regelmäßige Bewegung praktizierten, wie auch von übergewichtigen Männern, die dies nicht taten. Das Serum der Männer wurde einer standardisierten Zelllinie zugesetzt. Das Serum derjenigen Männer, die dem Ernährungs- und Bewegungsprogramm folgten, reduzierte das Wachstum der Krebszellen um 49 % im Vergleich zum Kontrollserum der übergewichtigen Männer. Der Grund für diese Effekte liegt zum Teil in den unterschiedlichen Testosteron-, Östrogen- und Insulinspiegeln der untersuchten Seren, aber auch andere, noch unbekannte Faktoren im Blut zeigten hier ihre Wirkung (Tymchuk et al., 2002).
Wie schnell diese Effekte eintreten, zeigt eine andere Studie der gleichen Forschungsgruppe: Das Serum von 13 übergewichtigen Männern zeigte bereits innerhalb von 11 Tagen nach Beginn einer fettarmen Ernährungsweise und einem Trainingsprogramm eine Krebshemmende Wirkung (Tymchuk et al., 2001). Durch das nach dieser Intervention entnommene Serum jedes Probanden wurde im Vergleich zum jeweiligen Serum vor der Intervention das Wachstum von Prostatakrebszellen in Kultur um durchschnittlich 30 % reduziert. Noch wirkungsvoller war das Serum der Männer, die diesem Programm länger folgten.
Eine andere Studie ergab (Liz et al., 2008), dass eine sehr fettarme, ballaststoffreiche Ernährung, die täglich mit 40 g Sojaprotein unterstützt wurde, nicht nur gut von den PCa-Patienten angenommen wurde, sondern auch zu einer Reduktion zirkulierender Hormone oder Wachstumsfaktoren wie IGF-1 führte, die das Prostatakrebswachstum stimulieren.
In einer Studie mit 47 Männern, die nach erfolgloser Primärtherapie ein PSA-Rezidiv hatten, wurde die Wirkung einer Intervention untersucht, die eine intensive, pflanzenbetonte Ernährungsumstellung, körperliche Bewegung und Meditation umfasste (Hébert et al., 2012). Bei 56 % der Männer, die ihren Obstkonsum steigerten, stieg der PSA-Wert nicht an. Dies war hingegen nur bei 29 % der Männer der Fall, die ihren Obstkonsum nicht steigerten. Im Rahmen der Intervention zeigten mehrere Lebensstilparameter positive Gesundheitseffekte. Bei Männern mit rezidivierender Erkrankung war sowohl der erhöhte Verzehr von Obst als auch die Reduktion gesättigter Fettsäuren (Hauptquelle Milchprodukte und Fleisch) damit assoziiert, dass sich der PSA-Wert nicht mehr änderte (Hébert et al., 2012).
Die aktuelle Studienlage weist insgesamt auf die hohe Bedeutung einer pflanzenreichen Kost und bestimmter Pflanzenstoffe in Bezug auf die Prävention, das Fortschreiten und das Überleben bei Prostatakrebs hin (Berkow et al., 2007). Es gilt auch als wissenschaftlich gesichert, dass regelmäßige Bewegung sowie Normalgewicht das Risiko eines Prostatakarzinoms deutlich senken.
Eine Reihe von Studien zeigt auch bezüglich der gutartigen Prostatahyperplasie, dass sich eine Ernährung, die arm an tierischen Produkten, pflanzlichen Ölen und Energie sowie reich an Sojaprodukten ist, günstig auswirkt (Araki et al., 1983; Denis et al., 1999; Gaynor, 2003; Lagiou et al., 1999; Suzuki et al., 2002).
Der im 7. Kapitel (ab Seite 201) beschriebene Ernährungsplan berücksichtigt alle bisherigen Erkenntnisse zur Ernährungstherapie von Prostatakrebs. Insbesondere übergewichtigen Prostatakrebspatienten kann er zudem helfen, ihr Gewicht auf eine nachhaltige und gesunde Weise zu normalisieren.
4.2 Ernährung auf Basis von Fleisch, Milch und Zucker: bis zu 27-mal höhere Prostatakrebssterblichkeit
Die Ernährungsweise beeinflusst maßgeblich die Prostatakrebsmortalität
Der Vergleich weltweiter Prostatakrebs-Sterberaten mit dem im jeweiligen Land über Jahrzehnte vorherrschenden Ernährungsmuster liefert sehr interessante Rückschlüsse. Die Schweiz, Schweden und Norwegen waren jahrzehntelang führend im Konsum von Milchprodukten, Fleisch und Zucker. Im Jahr 2000 war die altersstandardisierte Prostatakrebssterblichkeit mit 27 Todesfällen pro 100.000 Männer in allen drei europäischen Ländern 27-mal höher als in China (1 pro 100.000), 19-mal höher als in Vietnam (1,4 pro 100.000), 13,5-mal höher als in Südkorea (2 pro 100.000), 10-mal höher als in Thailand (2,65 pro 100.000) und immerhin noch 5-mal höher als in Japan (5,47 pro 100.000) (s. Abb. 10; Ferlay et al., 2000).
Abb. 10: Altersstandardisierte Prostatakrebssterblichkeit nach WHO-Daten (Ferlay et al., 2000)
Die Überlebensvorteile der Asiaten verschwinden nach einer Migration in westliche Länder und der Übernahme eines westlichen Ernährungsmusters. Chinesen und Japaner in den USA wiesen in den 1980er Jahren, also vor der Einführung des PSA-Tests als möglicher Störfaktor, eine wesentlich höhere Prostatakrebsinzidenz auf als ihre Landsleute im Heimatland (Muir et al., 1991). Auch in Asien selbst ist durch die zunehmende Verwestlichung bereits eine starke Zunahme der altersstandardisierten Prostatakrebssterblichkeit festzustellen. Die
Zunahme ist umso größer, je früher und intensiver die Verwestlichung einsetzte, was sich an den Zahlen Japans und der Philippinen zeigt. Die besonders stark verwestlichten Philippinen lagen im Jahr 2000 mit einer Sterblichkeitsrate von 11/100.000 nicht mehr weit entfernt von den USA und Deutschland mit jeweils 18/100.000 (Ferlay et al., 2000). Die altersstandardisierten Prostatakrebsraten sind in den westlichen Ländern rückläufig (von 2000 bis 2008), während sie in Asien steigen. Den Rückgang der Prostatakrebsmortalität in den letzten zehn Jahren in den westlichen Ländern verursachen wahrscheinlich insbesondere verbesserte Therapien und eine verbesserte Früherkennung durch den PSA-Test (Collin et al., 2008; Etzioni et al., 2008). Für den Anstieg in Asien wird die allgemeine Verwestlichung der Länder verantwortlich gemacht, insbesondere der stark steigende Konsum von tierischen Fetten und Proteinen, die Zunahme von Übergewicht und die abnehmende körperliche Aktivität (Baade et al., 2009).
Dieses Kapitel soll die These untermauern, dass die lebenslange Ernährungs- und Lebensweise die maßgeblichen Faktoren bei der Entwicklung des Prostatakarzinoms sind. Entscheidend ist hierbei nicht nur, was Prostatakrebskranke die letzten Jahre vor ihrer Erkrankung gegessen haben, sondern vielmehr ihr lebenslang praktiziertes Ernährungsmuster, das zur Entwicklung des Karzinoms beigetragen hat.
Weltweit korreliert das westliche Ernährungsmuster mit vielen Fleisch- und Milchprodukten sowie viel Zucker durchweg mit einer hohen Prostatakrebsmortalität, während das asiatische Ernährungsmuster auf Basis von Reis, Sojabohnen und Gemüse mit einer sehr niedrigen Mortalität einhergeht (s. Tab. 3, Seite 77).
Traditionelle Ernährung in Okinawa
Die Ernährungsweise in asiatischen Ländern war ursprünglich sehr arm an tierischem Protein aus Milch und Fleisch. Die Bewohner von Okinawa stellten lange Zeit die langlebigste Population der Welt dar. Traditionell (1949) verzehrten sie pro Tag 15 g Fisch, nur 3 g Fleisch und so gut wie keine Milchprodukte (Willcox et al., 2007). Dementsprechend lag der Wert für die Proteinaufnahme aus tierischen Lebensmitteln bei lediglich 3,3 g pro Tag, die Proteinzufuhr aus pflanzlichen Lebensmitteln betrug dagegen 35,7 g. Das pflanzliche Protein stammte zu einem großen Teil aus Sojabohnen, die große Mengen an Isoflavonen enthalten. Isoflavone tragen aufgrund ihrer phytoöstrogenen Wirkung zum Schutz vor Prostatakrebs und Brustkrebs bei. Dennoch kann dies alleine die extrem niedrige Krebsrate nicht erklären. Wesentliche Merkmale der Okinawa-Ernährung waren immer auch reichlich Gemüse, Süßkartoffeln (Carotinoide), Tofu (Isoflavone), Kräuter, Gewürze (z. B. Kurkuma mit Curcumin) und Grüntee (Polyphenole wie z. B. Catechine) sowie insgesamt eine Ernährung mit einer relativ geringen Gesamtenergieaufnahme (Kalorienrestriktion), hoher Vitalstoff- und niedriger Kaloriendichte (Willcox et al., 2007). Mitte der 1990er Jahre war die absolute, nicht altersstandardisierte Prostatakrebsmortalität für Japaner (8/100.000) übrigens doppelt so hoch wie für die Männer auf Okinawa (4/100.000), obwohl diese älter wurden (Japan Ministry of Health and Welfare 1996, www.okicent.org).