So zeigte uns Gott den ganzen Reichtum seiner Gnade.
EPHESER 1, 7
Können wir einem Todfeind vergeben?
Der Schriftsteller Dostojewski schrieb über zwei Brüder, die miteinander über Gott sprachen. Einer war ein Zweifler, der andere ein Mönch. Der Zweifler erzählte eine grausame Geschichte: »Ein böser Herr hatte einen Lieblingshund. Ihm hatte der kleine Sohn eines Leibeigenen aus Versehen einen Stein ans Bein geworfen. Aus Zorn ließ der Herr den Knaben vor den Augen seiner Mutter umbringen. Was soll man hier tun?«, fragte der Zweifler den gläubigen Mönch. »Den Herrn erschießen? Aber wem hilft das? Und wenn es Versöhnung geben soll: Wer darf eine solche Tat überhaupt verzeihen? Der Junge? Oder darf die Mutter dem Mörder ihres Jungen vergeben?« Und er forderte: »Hör auf, nach Sühne und Versöhnung zu suchen, die es im Himmel und auf Erden doch nicht gibt, weil es sie gar nicht geben kann!«
»Nein, dabei kann ich mich nicht beruhigen«, antwortete der Mönch. »Du sagtest: Ist denn auf der ganzen Welt auch nur einer, der verzeihen könnte und ein Recht dazu hätte? Aber dieser Eine lebt ja, und er kann alles verzeihen, allen und jedem, weil Er ja selbst sein unschuldiges Blut hingab für alle und alles. Du hast seiner vergessen.«
Mit unserer Kraft gelingt es uns nicht, einem Todfeind zu vergeben. Der Sohn Gottes betete am Kreuz für seine Mörder: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!« So etwas übersteigt unsere Kraft. Nur in Jesus können wir glühenden Hass und bittere Feindschaft überwinden. Nur in Jesus können wir die Spirale der Rache und der Gewalt stoppen.
22. JANUAR
Versöhne dich mit deinem Bruder, und als Dank komm
und opfere deine Gaben.
MATTHÄUS 5, 24
Die Versöhnung spielt in Ehen, Familien und unter Völkern eine wesentliche Rolle. Ohne Versöhnung bleiben Hass und Lieblosigkeit lebendig.
Jürgen Werth hat ein schönes Lied über die Versöhnung geschrieben:
»Wie ein Regen in der Wüste,
frischer Tau auf dürrem Land.
Heimatklänge für Vermisste,
alte Feinde, Hand in Hand.
Wie ein Schlüssel im Gefängnis,
wie in Seenot ›Land in Sicht‹,
wie ein Weg aus der Bedrängnis,
wie ein strahlendes Gesicht.
So ist Versöhnung.
So muss der wahre Friede sein.
So ist Versöhnung.
So ist Vergeben und Verzeihen.«
Vergebung und Versöhnung schaffen ein völlig neues Lebensgefühl. Hass und Feindschaft sind vorbei. Isolation, Gefängnis und Einsamkeit haben ein Ende.
Die Holländerin Corrie ten Boom, die selbst Feindschaft und Konzentrationslager erlebt hat, formuliert es so: »Wenn dir der Herr deine Sünden abnimmt, siehst du sie niemals wieder. Er wirft sie ins tiefste Meer, vergeben und vergessen. Ich glaube sogar, dass er ein Schild darüber anbringt: Fischen verboten!«
Jesus macht die Reihenfolge klar: Erst Frieden und Versöhnung mit deinem Bruder, mit deiner Schwester, mit deinem Nächsten, und dann gehe in den Gottesdienst. Der Gottesdienst ohne die Versöhnung im Zwischenmenschlichen wird zur Heuchelei.
23. JANUAR
Und derselbe (Jesus Christus) ist die Versöhnung
für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren,
sondern auch für die der ganzen Welt.
1. JOHANNES 2, 2
Kennen Sie die Geschichte von Claude Eartherly, einem der Piloten, der die Bombe auf Hiroshima abgeworfen hat? Er gab den Befehl. Nach seiner Entlassung aus der Armee unternahm er zwei Selbstmordversuche und landete in einer psychiatrischen Anstalt. Die Schuld raubte ihm den Verstand.
Dreißig Mädchen aus Hiroshima schrieben ihm: »Wir Mädchen sind zwar glücklicherweise dem Tod entkommen, aber durch die Atombombe haben wir Verletzungen in unseren Gesichtern und am ganzen Körper davongetragen. Nun hörten wir kürzlich, dass Sie nach dem Vorfall von Hiroshima mit einem Schuldgefühl leben und dass man Sie deshalb in ein Hospital für Geisteskranke gebracht hat. Dieser Brief kommt zu Ihnen, um Ihnen unsere aufrichtige Teilnahme zu überbringen und Ihnen zu versichern, dass wir jetzt nicht die geringste Feindseligkeit gegen Sie persönlich hegen … Wir haben gelernt, freundschaftlich für Sie zu empfinden in dem Gedanken, dass Sie ebenso ein Kriegsopfer sind wie wir. Wir wünschen, dass Sie sich bald erholen und sich denen anschließen, die sich dafür einsetzen, das barbarische Geschehen, Krieg genannt, durch den Geist der Brüderlichkeit zu überwinden!«
Dreißig Mädchen legen Hass, Feindseligkeit und Rachegefühle ab. Sie versöhnen sich mit einem Menschen, der unermessliches Elend über eine Stadt und ein Land mit einem Knopfdruck aus einigen Tausend Meter Höhe gebracht hat. Eartherly ist darüber verrückt geworden. Die Mädchen haben recht, nur die ausgestreckte Hand der Versöhnung beendet das barbarische Geschehen, den Krieg. Wer die Versöhnung in Christus annimmt, reiht sich ein in die Schar derer, die Versöhnung leben.
24. JANUAR
So bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott.
2. KORINTHER 5, 20
Versöhnung ist ein Urwort der Bibel und ein Kernwort der Reformation.
Der im Exil lebende ugandische Bischof Festo Kivengere, der das Buch »Ich liebe Idi Amin« geschrieben hat, erzählte in Zürich, dass er immer wieder von Journalisten gedrängt wurde, negative Aussagen über Idi Amin zu machen. Und er fuhr fort: »Ich habe jedoch als Christ keinen Auftrag zu verdammen. Ich habe den Auftrag zu versöhnen!« Die ganze Persönlichkeit dieses Bischofs ist geprägt von der Art jener Menschen, welche nicht nur »Vergebung sagen«, sondern das auch als Auftrag leben.
Idi Amin war in seinem Land ein Menschenverächter und Verbrecher. Der Bischof hat die Verbrechen hautnah erlebt und lässt sich dennoch nicht zu Rachegedanken verleiten. In der Tat: Wir haben keinen Auftrag zu verdammen. Wir haben den Auftrag, uns zu versöhnen. Versöhnte Menschen sind neue Kreaturen, neue Menschen. Sie sind nicht repariert, sie sind nicht renoviert, sie sind auch nicht restauriert, sie sind ganz neu geschaffen. Menschen werden aus der Egozentrik, aus der Mittelpunkthaltung herausgeholt und erfahren eine kopernikanische Wandlung.
Bischof Festo Kivengere macht nicht nur fromme Worte, er lebt die Versöhnung. Und mit welchen Menschen versöhnt sich Gott? Im Grunde sind wir Gottes Feinde. Aber Christus reicht uns, wer wir auch sind, die Hand der Versöhnung. Schlagen wir in die dargebotene Hand ein!
25. JANUAR
Denn wenn wir mit Gott versöhnt sind durch den Tod seines
Sohnes, als wir noch Feinde waren, um wie viel mehr werden wir
selig werden durch sein Leben, nachdem wir nun versöhnt sind.
RÖMER 5, 10
Versöhnung ist das Gegenteil von Feindschaft. Versöhnung ist das Gegenteil von Hass. Versöhnung ist das Gegenteil von Zertrennung.
Ein schwarzer Pastor aus Tansania formulierte die Botschaft der Versöhnung so: »Ich möchte Ihnen an einem Bild zeigen, was Versöhnung bedeutet. Zeichnen Sie es doch mit Ihrem Herzen und Denken nach. In meiner Sprache, in Massai, hat das Wort ›Versöhnung‹ eine sehr tiefe Bedeutung. Im Bauch einer schwangeren Frau wächst ein Kind heran. Die Verbindung von Mutter und Kind, die Nabelschnur, heißt bei uns ›Osotwa‹. Dasselbe