Petra Wagner

Der mondhelle Pfad


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schnell die Tür hinter ihr.

      Viviane raunte: „Ich brauche eine Tragetasche mit besonders weichem Schaffell, einen Berg gekämmte Wolle, lieber noch Daunen. Ich nehme auch beides. Und die Wiege muss her.“

      „D … die b … braucht noch Wahedon für s … seinen Sohn, ho …“

      „Bei allen Göttern!“, fauchte Viviane leise. „Stell dich nicht an wie der erste Mensch! Borge dir halt woanders eine! Es wird ja noch mehr Wiegen auf der Burg geben! Habt ihr eine Ziege?“

      Die Frau wischte sich über die Augen und nickte hastig.

      „W … wir h … haben zwei Z … Ziegen, hohe Druidin.“

      „Noch besser. Wir brauchen viel Ziegenmilch für Tinne und das Baby. Und dann holst du noch neues Stroh, ein neues Laken und eine neue Bastmatte. Und neues Wasser zum Saubermachen!“

      Die Frau griff nach den Eimern, stolperte wieder zur Tür hinaus und zog sie diesmal schnell hinter sich zu. Hanibu führte Tinne auf den Abort, goss ihr dort kaltes Wasser über den Unterleib und half ihr danach beim Waschen im kleinen Badehaus neben dem Schwitzbad.

      Interessiert blickte sie sich um, aber das Badehaus gefiel ihr nicht besonders. Hier oben hatten sie nun mal keinen Fluss nahe beim Haus wie unten in den Dörfern. Da mussten sie sich schon mit einem großen Waschzuber begnügen, in dem das bisschen Wasser kaum zu sehen war, was im Moment zur Verfügung stand. Tinnes Vorrat an Wolle war dagegen höchst zufriedenstellend. Sie nahm sich eine ordentliche Handvoll und wickelte sie in ein großes Leintuch, während Tinne sich abtrocknete und dann tatsächlich ihr Unterkleid in den Zuber warf. Schnell drückte sie ihr das Leintuch in die Hand, um das Kleid selbst in der Pfütze auszuwaschen, und hätte wohl die ganze Zeit missbilligend vor sich hingeschaut, wenn Tinne ihr nicht ein Töpfchen mit dieser famosen Waschpaste aus Rosskastanien hingehalten hätte. Als sie das dreckige Wasser in den Kanal abgoss, brachte sie sogar ein anerkennendes Nicken zustande. Die Tonröhre war gut konzipiert.

      Das Schmutzwasser gurgelte und gluckste und schon war es weg.

      Frisch angezogen und verpackt huschte Tinne durch die Hintertür wieder ins Haus und Hanibu verriegelte sie sorgfältig. Viviane hielt das Bündel im Arm, summte leise vor sich hin und schob bei ihrem Anblick die Decke einen Spalt breit auseinander. Ihr Blick und ihre Körperhaltung triumphierten geradezu, als sie Tinne mit einem verschmitzten Blick bedeutete, sie solle in die Lücke hineinschauen.

      Tinne schwankte einen Moment, presste die Hände auf den Busen und kam zögerlich näher. Zaghaft lugte sie an Vivianes Fingern vorbei. Ihr ängstlicher Blick wich schlagartig einem strahlenden Lächeln, keuchend schlug sie sich ihre zitternden Hände vor den Mund. Und dann, ganz vorsichtig, berührte sie die rosige Wange ihrer neugeborenen Tochter. Sofort schnappte das winzige Mündchen herum.

      Viviane lachte leise.

      „Sie hat einen starken Saugreflex. Meinen Finger konnte ich gerade noch in Sicherheit bringen. Und sie hat eine sehr gesunde Farbe“, betonte sie. „Sehr groß für knapp sieben Monde und auch sehr kräftig. Sie ist wirklich eine Ausnahme. Es würde mich gar nicht wundern, wenn aus ihr mal eine große Kriegerin wird, genau wie ihr Vater. Komm, Tinne! Nimm sie mal!“

      Abwehrend streckte Tinne die Hände vor, doch Viviane verstand die Geste falsch und drückte ihr strahlend das Bündel hinein. Sofort drehte das Baby den Kopf und suchte nach Nahrung. Viviane gluckste.

      „Sag ich doch! Überaus kräftiger Saugreflex. Einfach perfekt. Lass sie gleich trinken!“

      Energisch beförderte sie Tinne auf die Sitzbank, hakte eine der Fibeln ihres Kleides auf und legte ihr das Kind an. Gierig schnappte der suchende Mund nach Tinnes Brust und saugte sich so fest, dass sie erschrocken japste. Viviane tätschelte ihre Schulter.

      „Leg sie an, so oft sie will. Ich lass dir ein Näpfchen Wollfett da. Bei dem Elan wirst du es bald brauchen. Aber bis deine Milch richtig einschießt, gibst du ihr Ziegenmilch. Die ist besonders nahrhaft. Wenn das Weib wiederkommt, zeige ich dir gleich mal, wie du das mit der Kapillare machen musst.“

      „So, wie du vorhin den Schleim abgesaugt hast? Das war doch der Kiel von einer Feder, nicht wahr?“

      „Schwanenfeder, genau. Ich sehe, du hast gut aufgepasst, Tinne.“

      „Und wofür brauchst du die Daunen?“

      „Das ist mein Problem“, gab Viviane zu und seufzte. „Bis jetzt hatte ich nur tote Frühgeborene oder sie haben zumindest nicht lange gelebt. Dieses Kind ist aber viel kräftiger als die anderen. Trotzdem müssen wir damit rechnen, dass …“

      „Ich habe aber keine Daunen“, schluchzte Tinne und wischte sich mit der freien Hand die aufsteigenden Tränen aus den Augen.

      „Beruhige dich, Tinne. Wenn wir auf die Schnelle keine auftreiben können, muss es auch so gehen“, tröstete sie Viviane. „Ich kann dir nichts versprechen, aber ich kann alles versuchen, damit sie am Leben bleibt und gesund. Wir packen sie warm ein, ob mit oder ohne Daunen – Hauptsache Wolle. Damit kommt sie in die Tragetasche mit dem Schaffell und die legen wir in die Wiege, am Besten noch eine Wolldecke drumherum.“

      Viviane deutete auf einen starken Deckenbalken in der dunkelsten Ecke von Tinnes Haus.

      „Wir nehmen den Balken dort zum Aufhängen. Dort kann sie keinen Zug abbekommen. Davor habe ich nämlich Angst. Wenn du sie wickelst, lass immer die Tür zu und mach eine dicke Decke, besser noch zusätzlich eine Kuhhaut vor die Fenster. Dann brauchst du zwar eine Lampe oder genauer viele Öllampen, aber das wird schon gehen, wenn nötig borgst du dir welche. Wenn du sie stillst, immer auf deiner nackten Haut mit einem Schaffell darüber. So hat sie es am wärmsten. Und wenn du richtig einheizt, kannst du sie auf dem Fell auch nackt strampeln lassen; immer mit einer Decke darüber, versteht sich. Aber Baden ist tabu! Die Käseschmiere ist der natürlichste Schutz, den es gibt. Wir haben wirklich Glück, dass es Sommer ist. Sie hat die besten Chancen, durchzukommen. Hast du schon einen Namen für sie?“

      Tinne lächelte auf ihr Töchterchen herab.

      „Ich werde sie Germania nennen.“

      Viviane nickte.

      „Das hätte German sicher gefreut.“

      „Kann ich mit ihr raus? Wegen der Sonnenwende?“

      Viviane schüttelte vehement den Kopf und sagte in scharfem Ton: „Sie bleibt solange im Haus, wie ich es anordne! Nur wenn das Wetter absolut passt, darf sie unter meiner Aufsicht raus. Da fällt mir ein: Du solltest das Pergament in den Fensterrahmen ordentlich säubern, damit es schön hell hier drinnen wird. Licht ist wichtig, also probieren wir es auf diese Weise. Ich werde natürlich mit dem König reden, damit du nicht an der Sonnenwendfeier teilnehmen musst. Wer ist eigentlich das Weib, das bei dir ist? Das war doch nicht deine Mutter?!“

      „Nein, das ist unsere Sklavin. Sie hat schon zu Germans Familie gehört, als ich ihn geheiratet habe. Aber jetzt muss ich sie wohl verkaufen, denn ohne meinen Mann werde ich mir bald nicht einmal mehr die Butter aufs Brot leisten können.“

      Viviane winkte ab.

      „Darüber rede ich auch mit dem König. Dein Mann ist schließlich für unser Königreich in die Anderswelt gegangen. Was hast du gelernt, als du noch nicht das Weib eines Kriegers warst?“

      „Ich habe bei uns am Falkenstein die Schafe gehütet.“

      „Du bist Schafhirtin!? Das passt ja wie die Faust aufs Auge. Unser Schäfer, Oen, ist zum Krieger berufen worden und seine Schwester will Harthu heiraten, der auch in den Kriegerstand aufgenommen wird. Sie braucht also garantiert keine Schafe mehr hüten. Wie du siehst, ist der Posten für den Schäfer frei. Du wirst keine Not leiden, Tinne, auch wenn du nicht so schnell einen neuen Mann findest.“

      Tinne nahm Vivianes Hände.

      „Als mein erster Mann so plötzlich vor zwei Jahren zu Lugnasad starb, konnte ihm keiner helfen. German ergriff sofort die Gelegenheit, obwohl ich hochschwanger