Eberhard Fohrer

Kreta Reiseführer Michael Müller Verlag


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Kreipe von den beiden eng­lischen Offi­zie­ren William Stanley Moss und Patrick Leigh Fer­mor, der sich später als Schrift­stel­ler einen Namen machte und 2011 ver­stor­ben ist, mit Hilfe von kre­ti­schen Par­tisanen ent­führt (→ nachstehender Kas­ten und Anó­gia).

      Ein ein­drucks­volles Denk­mal des kretischen Künst­lers Ma­nolis Tsoba­nakis stellt hier sym­bolisch das Schei­tern der „gebroche­nen“ Ach­sen­mächte Deutsch­land, Italien und Ja­pan dar. Dazu gibt es zwei Schrifttafeln, die auf Englisch und Griechisch an die Ent­führung erinnern. Im­mer wieder wer­den Kränze nie­der­ge­legt, in Erin­ne­rung an die im Zu­sam­men­hang mit der Ent­führung Krei­pes ermordeten Kreter.

      Ein waghalsiges Unternehmen

      26. April 1944, etwa 9 Uhr abends. General Kreipe, Kommandant der 22. deut­schen Panzergrenadier-Division, befindet sich wie jeden Abend im na­gel­neuen Dienst-Opel auf dem Heimweg von seinem Haupt­quartier in Ar­chánes zur Villa Aria­dne bei Knossós, wo die deutschen Offiziere Quar­tier be­zogen haben. Es dun­kelt bereits, außer Kreipe sitzt nur der Chauf­feur im Wagen. An der Kreu­zung, wo die Straße von Archánes auf die Haupt­stra­ße nach Iráklion ein­biegt, tau­chen plötzlich deutsche Unifor­men mit Stopp­lich­tern auf. Der an häufige Kon­trollen gewöhnte Fahrer hält an. Dann geht alles blitzschnell. Beide Insas­sen wer­den aus dem Wa­gen gerissen und ent­waff­net. Zwei Engländer setzen sich auf die Vorder­sitze, in den Fond quet­schen sich drei kretische Andártes (Partisanen), zu­sammen mit dem Gene­ral, der im Fuß­bereich liegt. Der englische Bei­fah­rer setzt sich den markanten Hut des Generals auf und schon geht es wei­ter in Rich­tung Irák­lion. Im Lauf der Fahrt werden 22 deutsche Kon­troll­stel­len (!) durch­fahren. Das Auto Krei­pes ist überall bekannt und darf bevor­zugt pas­sieren. Man fährt quer durch Irá­klion und wendet sich an der Pla­tia Eleftherias links. Eine letzte Stra­ßen­sperre steht am Cha­niá-Tor, auch diese wird überwunden und die Fahrt führt auf die Küsten­stra­ße Rich­tung Réthimnon. Etwa auf der Höhe des Dorfes Síses verlas­sen die Ent­führer das Auto. Es wird zu einer der nächsten Buchten ge­fah­ren, um ei­ne Eva­kuie­rung durch ein U-Boot vor­zutäuschen. Man lässt ei­nen Brief zu­rück, in dem der briti­sche Kommandotrupp die Entführung aus­drück­lich als sein ei­ge­nes Werk bezeichnet, das gänzlich ohne Mithilfe von Kre­tern durch­geführt wur­de. Da­mit will man Repressalien an der Zi­vil­be­völke­rung ver­hindern. Dann geht der Marsch quer­feld­ein zum Berg­dorf Anó­gia, wo­bei Kreipe und der Chauf­feur ge­trenn­te We­ge nehmen. Der Chauf­feur ver­sucht unterwegs nach Aus­sage seiner Grup­pe, eine deut­sche Strei­fe auf sich auf­merk­sam zu ma­chen und wird dabei von einem der Entführer im Affekt ge­tötet, was die­ser später sehr bedauert.

      In der Nähe Anógias trifft man sich mit weite­ren An­dár­tes und der lange Marsch quer über das Ída-Ge­birge an die Südküste beginnt. In en­ger Zu­sammenarbeit bri­tischer Agen­ten mit kreti­schen Parti­sanen werden der Ge­neral und seine Ent­führer si­cher durch die deutschen Linien ge­schleust. Über zwei Wo­chen dauert die Odys­see, bis die Briten mit ihrem Gefange­nen vom abgelegenen Peristerés Beach (→ Link), einem der we­ni­gen un­be­wachten Strände der Südküste, mit einem U-Boot nach Ägyp­ten eva­kuiert werden kön­nen. Das Unternehmen ist ein voller Erfolg und be­deu­tet eine empfindli­che Schlap­pe für die Be­sat­zungs­macht, deren Selbst­ver­trauen unter­graben wird und die sich lächerlich ge­macht fühlt. Der kre­tische Wi­der­stand, ver­stärkt durch britische Kom­man­dotrupps, erhält durch das „Hu­sa­ren­stück“ neuen Auftrieb.

      Im Frühherbst desselben Jahres werden die Bergdörfer Anógia und Gera­kári (Am­ári-Becken) von den deutschen Truppen dem Erd­boden gleich­ge­macht, u. a. des­wegen, weil die Entführer Kreipes ihren Weg über diese Dörfer nah­men und hier Unterstützung fanden.

      ♦ Buchempfehlungen zu der Entführung Kreipes → Lesetipps.

Die Kirche der Panagía in Epáno Archánes

      Die Kirche der Panagía in Epáno Archánes

      Provinzstadt am Fuß des steilen Joúch­tas, auf dem nach alten kreti­schen Legenden Zeus begraben liegt. Mit ihrer großen Winzergenossen­schaft ist sie Mittelpunkt einer der drei gro­ßen PDO-Weinregionen Kretas. Das Zent­rum mit seinen alten Gassen ist einen Bum­mel wert.

      Neben dem Stadtbild sind es vor allem die minoischen und myke­ni­schen Fund­stät­ten im Ort und im nähe­ren Umkreis, die das Interesse wecken. Sie ha­ben Archánes zu einem der wich­tigsten neueren Ausgrabungs­orte Kre­tas ge­macht, leider sind die Fund­orte derzeit allesamt nicht zu­gänglich. In­zwi­schen ist ersichtlich, dass sich um den mythischen Berg Joúchtas ein be­deutendes Zentrum der Minoer (ähn­lich denen in Knossós und Festós) samt Palast, Wohnstadt und Nekropole be­fun­den hat, das später von den My­ke­nern als Siedlung weiter­benutzt wurde. Für Wande­rer ist aber auch die Bestei­gung des Joúchtas ein Highlight.

      Schon kurz nach der Ortseinfahrt er­reicht man einen weitläufigen Platz. Rech­ter Hand kommt man am 1901 erbau­ten klassizistischen Ge­bäude der Volks­schu­le (Didak­tírio) vorbei, im Zwei­ten Weltkrieg Hauptquar­tier des Ge­ne­rals Krei­pe. Rechter Hand geht es hier zur Ausgrabung von Fourní (→ Link).

      Gleich danach trifft man auf die stilvolle Panagía-Kirche mit freiste­hen­dem Uhren­turm. Die drei­schiffige Kir­che besitzt ei­nen ele­gan­ten Glo­cken­stuhl und fi­li­gra­ne Durch­bruch­fenster in den Apsiden. Im Innenraum fin­det sich eine gro­ße Samm­lung von Iko­nen, darunter die ver­ehrte Ikone der Pan­agía (Got­tes­mut­ter).

      Geht man an­schlie­ßend die Haupt­gasse wei­ter nach Süden, so pas­siert man den Zu­gang zum minoischen Palast, kann dann links oberhalb der Haupt­gasse durch die Agora bummeln und ge­langt schließ­lich zur hübsch be­grün­ten Platia am süd­li­chen Orts­ende.

      Minoischer Palast: Er wurde bereits von Evans lokalisiert, aber erst in den sech­zi­ger Jahren vom Ehepaar Sakel­larákis im ehemaligen tür­ki­schen Vier­tel Tour­ko­geito­nía aus­ge­gra­ben. Wegen der un­güns­tigen Lage mitten in der Stadt (Karte) legten sie nur einen klei­nen Teil des Komple­xes frei, der lei­der nicht zu­gänglich ist. Hin­ter ver­sperrten Git­tertoren erkennt man nicht viel mehr als die Grund­mau­ern mehrerer Häu­ser. Die umge­ben­de Sied­lung, de­ren An­fänge in vor­mi­noi­sche Zeiten zu­rück­reichen, kann nicht aus­gegraben wer­den, da sie sich unter der heutigen Ortschaft er­streckt.

      Spektakuläre Funde in Archánes

      Die Entdeckungen von Archánes sind eng mit dem Namen des Archä­o­lo­gen­ehepaars Iánnis (1936-2010) und Efi Sapouna-Sakella­rá­kis verbunden, die hier seit 1964 ge­gra­ben haben. Unmittelbar unter den Wohnhäusern der Stadt legten sie zu­nächst die Grund­mauern eines minoischen Palastes frei, den schon Ar­thur Evans hier vermutet hatte, fanden kurz darauf auch die außerhalb lie­gende Nek­ropole Fourní. Der Höhepunkt aber kam 1979, als die beiden den Tempel von Anemospiliá etwa 3 km außer­halb von Archánes aus­gruben und dort den ersten und bisher einzigen Beweis für Men­schen­op­fer der Minoer fanden! Iánnis Sakellarákis wurde später zum Di­rektor des Ar­chäo­logi­schen National­muse­ums in Iráklion bestellt. Über die Ausgrabun­gen hat er ein in­for­ma­ti­ves Buch geschrieben (→ Lesetipps). Begra­ben liegt Sakella­rá­kis in der minoischen Ausgrabung Zóminthos am Weg zur Nída-Hochebene (→ Link).

      Archäologisches Museum: Die mo­dern kon­zipierte Sammlung liegt im Orts­zen­t­rum, seitlich der Hauptgasse. Hier ist ein kleiner Teil der