Russ Harris

ACT leicht gemacht


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      Der Therapeut fährt fort: Das Problem ist, dass die Grundeinstellung bei den meisten von uns die Tendenz ist, bei diesen schwierigen Gedanken und Gefühlen hängen zu bleiben, wenn sie sich zeigen. Sie halten uns in gewisser Weise fest und ziehen uns zu ihnen hin und zerren uns herum und ziehen uns überallhin. Wissen Sie, was ich meine? Sie können uns körperlich im Griff haben, dann fangen wir an, mit Armen und Beinen und mit unserem Mund auf verschiedene Weise auszuagieren. Oder sie haben unsere Aufmerksamkeit im Griff, dann verlieren wir uns in unserer inneren Welt, statt auf das zu fokussieren, was man tut. Und je fester sie uns im Griff haben … umso mehr machen wir diese Ausweichbewegungen, oder?

       Der Therapeut schreibt jetzt »verstrickt« neben den Pfeil, über dem »Wegbewegungen« steht.

      Der Therapeut fährt fort: Wir alle tun also diese Dinge in gewissem Maße, das ist normal. Niemand ist vollkommen. Wenn diese Dinge aber oft passieren, führt das zu großen Problemen. Eigentlich gehen fast alle psychischen Probleme, die wir kennen – Angst, Depression, Sucht, was auch immer – auf diesen Grundprozess zurück: Man gerät in den Griff von schwierigen Gedanken und Gefühlen und fängt an, Wegbewegungen zu machen. Macht das Sinn? Es gibt jedoch Momente, in denen man sich von diesen schwierigen Gedanken und Gefühlen losmachen und statt dessen Hinbewegungen machen kann. Und je besser wir darin werden, dies zu tun … nun ja, umso besser wird das Leben.

       Während er dies sagt, schreibt der Therapeut »frei von Verstrickung« neben den Pfeil »Hinbewegung«.

      Der Therapeut zeichnet jetzt einen kleinen Kreis um den Punkt, an dem sich die zwei Pfeile berühren. (Wenn man das möchte, kann man die Worte »Punkt der Entscheidung« oder die Anfangsbuchstaben »PdE« hineinschreiben.)

      Während er das tut, fährt er fort: Wenn wir also in diesen schwierigen Situationen sind, und diese schwierigen Gedanken und Gefühle auftauchen, müssen wir uns entscheiden: Wie reagieren wir darauf? Je mehr wir uns im Griff befinden, umso wahrscheinlicher werden wir Wegbewegungen machen. Je mehr wir uns aber aus dem Griff befreien können, umso leichter sind Hinbewegungen.

      Der Therapeut fährt fort: Wenn wir also gut hierin werden möchten (zeigt auf den Pfeil »Hinbewegung«), müssen wir zwei Dinge tun: Wir müssen ein paar Kompetenzen lernen, wie wir uns aus dem Griff befreien können. Und wir müssen uns darüber klar werden, welche Hinbewegungen wir machen möchten. Wenn wir das einmal erreicht haben, haben wir viel mehr Entscheidungsspielraum, wie wir auf all diese schwierigen Dinge reagieren, die uns das Leben beschert. Und das ist im Grunde das, worum es bei dieser Art Therapie geht: Es geht darum zu lernen, wie wir uns aus dem Griff dieser Dinge befreien können (zeigt auf »Gedanken und Gefühle«), wie wir dies reduzieren (zeigt auf Wegbewegung) und uns helfen, besser darin zu werden, dies zu tun (zeigt auf Hinbewegung).

      Schwierige Terminologie

      Manche Anwenderinnen der ACT verwenden den Ausdruck »im Griff« und meinen damit allein kognitive Fusion. Im Zusammenhang mit dem Punkt der Entscheidung wird der Begriff in einem weiteren Sinn verwendet und bedeutet sowohl kognitive Fusion als auch Erlebnisvermeidung. In Kapitel 2 schauen wir uns das genauer an.

      Das »nackte Grundgerüst« des Punktes der Entscheidung

      Was Sie gerade über den Punkt der Entscheidung gelesen haben, ist eine Darstellung des Grundgerüstes: eine allgemeine Übersicht, ohne spezifische Details. Idealerweise sollten Sie dieses Skelett mit Fleisch versehen: Sie sollten es für den Klienten mit spezifischen Beispielen für seine schwierigen Gedanken und Gefühle, für die schwierigen Situationen, mit denen er konfrontiert ist, für seine Wegbewegungen und für seine Hinbewegungen persönlich machen. Wenn Sie in diesem Buch weiter fortschreiten, zeige ich Ihnen, wie Sie dieses Diagramm ausfüllen können. Fürs Erste möchte ich drei wichtige Punkte hervorheben:

      1. Der Punkt der Entscheidung umfasst offenes und verdecktes Verhalten. Bei der ACT definieren wir Verhalten als »alles, was ein ganzes Wesen tut«. Ja, Sie lesen richtig: alles, was das ganze Wesen tut, ist Verhalten. Das schließt offenes Verhalten wie Essen, Trinken, Gehen, Sprechen, die Serie Game of Thrones Anschauen usw. ein. Offenes Verhalten bedeutet im Grunde physisches Verhalten: Handlungen, die Sie mit Ihren Armen, Beinen, Händen und Füßen vornehmen; Gesichtsausdruck; alles, was man sagt, singt, ruft oder flüstert; wie man sich bewegt, isst, trinkt, atmet: die Körperhaltungen usw. Der Begriff »Verhalten« bezieht sich aber auch auf verdecktes Verhalten, was sich im Grunde auf psychisches Verhalten wie Denken, Fokussieren, Visualisieren, Achtsamkeit, Vorstellen und Erinnern bezieht. (Dieses innere psychische Verhalten kann von anderen niemals direkt beobachtet werden, daher wird es häufig eher »privates Verhalten« als »verdecktes Verhalten« genannt.)

      Hier eine einfache Weise, wie man offenes von verdecktem Verhalten unterscheiden kann. Angenommen, es ist plötzlich eine Videokamera da, während es zu dem Verhalten kommt. Könnte die Kamera das Verhalten aufnehmen? Wenn ja, dann ist es offenes Verhalten. Wenn nicht, dann ist es »verdecktes Verhalten«.

      Wie Sie in späteren Kapiteln sehen werden, nehmen wir offenes und verdecktes Verhalten auf, wenn wir den Punkt der Entscheidung mit einer Klientin verwenden. Zu verdeckten Wegbewegungen können zum Beispiel Grübeln, sorgenvolles Denken, Distanzieren (disengaging), den Fokus verlieren und obsessives Denken gehören. Verdeckte Hinbewegungen können Auflösen von Fusion oder Verstrickung, also Defusion, Akzeptieren, Aufmerksamkeit neu ausrichten, Sich engagieren, Entwickeln von Strategien und Planen sein.

      2. Der Klient definiert, was eine Wegbewegung ist. Der Punkt der Entscheidung beschreibt die Dinge immer aus der Perspektive der Klientin. Mit anderen Worten, es ist der Klient, der definiert, welches Verhalten »von etwas weg« gerichtet ist, nicht die Therapeutin. Zu einem frühen Zeitpunkt der Therapie kann es sein, dass ein Klient selbstschädigendes oder selbstzerstörerisches Verhalten als eine Hinbewegung sieht. Zum Beispiel kann eine Klientin mit einer Alkoholabhängigkeit oder Spielsucht Trinken und Spielen anfangs als Hinbewegungen sehen.

      Wenn das so ist, würden wir nicht anfangen, das mit einem Klienten zu diskutieren. Wir würden einfach etwas Zeit nehmen, um klarzustellen: »Kann ich einfach mal überprüfen, ob wir diese Begriffe in gleichem Sinn verwenden? Wegbewegungen sind alles das, womit Sie aufhören oder was Sie weniger machen möchten, wenn unsere Arbeit Erfolg hat, und Hinbewegungen sind die Dinge, mit denen Sie anfangen oder die Sie mehr machen möchten, wenn unsere Arbeit, die wir hier machen, erfolgreich ist.«

      Wenn die Klientin selbstschädigendes Verhalten weiter als Hinbewegung bezeichnet, dann erkennen wir das an und schreiben es neben den Pfeil »Hin zu etwas«. Warum? Weil dies eine Momentaufnahme des Lebens des Klienten ist, wie er oder sie es im Moment sieht, nicht wie der Therapeut es sieht. Unser Ziel ist es, ein Gefühl für die Weltsicht der Klientin, für den Grad des Selbstgewahrseins des Klienten zu bekommen: was die Klientin als Probleme sieht und was sie nicht als Probleme sieht. Wenn wir den Klienten an diesem Punkt konfrontieren, wenn wir versuchen, ihn dahin zu bringen, dass er sein Denken ändert und dieses destruktive oder selbstschädigende Verhalten als eine Wegbewegung sieht, werden wir wahrscheinlich in einen fruchtlosen Kampf geraten. Fürs Erste benennen wir es als Hinbewegung und behalten im Hinterkopf, dass wir dies in späteren Sitzungen ansprechen.

      Anfangs sollten wir Therapieziele finden, die das therapeutische Arbeitsbündnis aufbauen, statt es zu belasten. So finden wir heraus, was die Klientin tatsächlich als ihre Wegbewegungen sieht, und wir verwenden ACT, um mit ihr an diesen Verhaltensweisen zu arbeiten. Dann, zu einem späteren Zeitpunkt der Therapie, wenn der Klient einmal ein höheres Niveau an psychischer Flexibilität erreicht hat, können wir auf das Verhalten zurückkommen und es neu bewerten: »Als Sie gerade zu mir gekommen waren, haben Sie Glücksspiel als eine Hinbewegung