voranschreitet und sich die psychische Flexibilität der Klientin entwickelt, und sie versteht ihr selbstschädigendes Verhalten als Wegbewegung besonders wenn sie bemerkt, dass es sie daran hindert, andere wichtige Lebensziele zu erreichen.
3. Eine Aktivität kann je nach Kontext eine Hinbewegung oder eine Wegbewegung sein. Wenn ich vor allem fernsehe, um zu vermeiden, ins Fitnessstudio zu gehen oder um die Erledigung einer anderen wichtigen Aufgabe aufzuschieben, oder wenn ich achtlos eine Tafel Schokolade esse, um Langeweile oder Angst zu vermeiden, dann bezeichne ich diese Aktivitäten als Wegbewegungen. Wenn ich aber aufgrund einer bewussten, wertegeleiteten Entscheidung fernsehe, die mein Leben bereichert (zum Beispiel um die letzte Folge von The Walking Dead zu sehen), oder wenn ich achtsam Schokolade esse, wenn ich sie mit Freunden genieße, wenn wir etwas feiern, dann klassifiziere ich diese Aktivitäten als Hinbewegungen. Es geht also nicht um die Aktivität als solche: Es geht um die Wirkungen, die diese Aktivität hat.
In Zusammenhängen, in denen uns eine Aktivität dem Leben näher bringt, das wir leben wollen, und wir uns wie der Mensch verhalten, der wir sein wollen, ist es eine Hinbewegung; und in Kontexten, in denen uns diese Aktivität von dem Leben, das wir haben wollen, wegbringt, und wir uns anders als der Mensch verhalten, der wir sein wollen, ist es eine Wegbewegung. Wenn wir Beispiele wie diese an einem Punkt der Entscheidung eintragen, nehmen wir Informationen mit auf, die deutlich machen, ob es eine Hinbewegung oder ob es eine Wegbewegung ist. Zum Beispiel würde ich an meinen Pfeil »Von etwas weg« schreiben »Fernsehen, um wichtige Aufgaben zu vermeiden« und an den Pfeil »Zu etwas hin« »Fernsehen als eine Entscheidung im Rahmen eines ausgewogenen Lebensstils«.
Der Punkt der Entscheidung, das Hexaflex und das Triflex
Schauen wir uns jetzt an, wie sich die Prozesse von Hexaflex und Triflex mithilfe des Punktes der Entscheidung abbilden und veranschaulichen lassen.
Kompetenzen für die Befreiung aus einer Verstrickung beziehen sich auf alle vier Kernprozesse der Achtsamkeit in der ACT: Defusion, Akzeptanz, Selbst als Kontext und Kontakt mit dem gegenwärtigen Moment. Wir können jede mögliche Kombination dieser Prozesse verwenden, um uns aus dem Griff schwieriger Gedanken und Gefühle zu lösen und ihre Wirkung und ihren Einfluss auf offenes oder verdecktes Verhalten zu reduzieren.
Hinbewegungen bezieht sich auf engagiertes Handeln – physisches und psychisches –, das von unseren Werten geleitet ist.
Verstrickt bezieht sich auf zwei Kernprozesse – kognitive Fusion und Erlebnisvermeidung –, die aus der Sicht der ACT für den größten Teil unseres psychischen Leidens verantwortlich sind. Kognitive Fusion bedeutet im Grunde, dass wir von unseren Kognitionen »dominiert« sind. Und Erlebnisvermeidung ist der andauende Kampf, um unerwünschte Gedanken und Gefühle zu vermeiden oder loszuwerden.
AUFGABEN
Das Lesen dieses Buches allein wird Ihnen keine ACT-Kompetenzen vermitteln, so wie man nicht allein dadurch Kochen lernt, dass man ein Kochbuch liest. Wenn Sie gut kochen lernen wollen, müssen Sie diese Fertigkeiten üben, üben und wieder üben, und dasselbe gilt für ACT. Am Ende der meisten Kapitel fordere ich Sie deshalb auf, etwas zu tun, um Ihre ACT-Kompetenzen aufzubauen. Hier ein paar Vorschläge für den Anfang:
• Spielen Sie den Punkt der Entscheidung mit einer imaginären Klientin durch, als wären Sie ein Schauspieler, der ein Stück probt. Machen Sie das laut, wenn Sie dazu bereit sind, wenn nicht, machen Sie es im Kopf. Idealer Weise lassen Sie es, während Sie proben, lebendig werden.
• Wenn Sie den Punkt der Entscheidung einmal für sich geprobt haben, probieren Sie ihn einmal mit einer Freundin oder einem Kollegen aus, um zu sehen, ob Sie zusammenfassen können, worum es bei der ACT geht.
• Danach setzen Sie es in der Arbeit mit ein paar Ihrer Klientinnen ein.
Vielleicht empfinden Sie ein wenig Widerstand dagegen, dies zu tun, vielleicht denken Sie, dass es ein bisschen dumm, unwichtig oder einfach nicht Ihr Stil ist. Aber wenn Sie es ausprobieren, kann es Ihnen helfen, das ACT-Modell zu verstehen, auch wenn Sie es nie in der Arbeit mit einem realen Klienten anwenden. (Und außerdem ist es eine enorme Hilfe, wenn Sie ACT einmal neugierigen Freundinnen, Kollegen, Verwandten oder Gästen bei Ihrer nächsten Dinnerparty erklären wollen.)
WAS SIE MITNEHMEN KÖNNEN
ACT ist eine Verhaltenstherapie, die Werte und Achtsamkeits-Kompetenzen kreativ nutzt, um Menschen zu helfen, ein reiches und sinnvolles Leben aufzubauen. Sie beruht auf sechs Kernprozessen: Werte, engagiertes Handeln und die vier Achtsamkeitsprozesse Defusion, Akzeptanz, Selbst als Kontext und Kontakt mit dem gegenwärtigen Moment. Diese kann man zu drei größeren Prozessen zusammenfassen: präsent sein, sich öffnen und tun, was wichtig ist. Technisch gesprochen ist das Ziel der ACT, Menschen zu helfen, psychische Flexibilität zu entwickeln: die Fähigkeit, uns auf das zu fokussieren und uns in dem zu engagieren, was wir tun, uns für unsere Gedanken und Gefühle zu öffnen und ihnen Raum zu geben und geleitet von unseren Werten effektiv zu handeln.
2 Sich verstricken
WAS VERSTEHEN WIR UNTER »VERSTAND«?
Das ist zu schwer. Das kann ich nicht. Ich wünschte, es wäre ein Therapeut hier, der mir sagt, was ich tun soll. Vielleicht bin ich für diese Art von Arbeit ja gar nicht geeignet. Ich bin so blöd.
Spricht Ihr Verstand je so zu Ihnen? Meiner schon. Und der Verstand aller Therapeutinnen, die ich je gekannt habe, spricht genauso. Und was für andere wenig nützlichen Dinge macht Ihr Verstand? Vergleicht er Sie beispielsweise unbarmherzig mit anderen? Kritisiert er Ihre Bemühungen oder sagt Ihnen, dass Sie das, was Sie gern tun möchten, nicht tun können? Holt er unangenehme Erinnerungen aus der Vergangenheit hoch? Kritisiert er Ihr jetziges Leben und beschwört Lebensentwürfe herauf, mit denen Sie so viel glücklicher wären? Malt er angstvolle Szenarien über die Zukunft an die Wand und warnt Sie vor all dem, was schiefgehen könnte?
Falls ja, dann ist Ihr Verstand offensichtlich ganz normal. Nein, das ist kein Druckfehler. In der ACT gehen wir von der Annahme aus, dass die normalen psychischen Prozesse eines normalen menschlichen Verstandes leicht destruktiv werden und früher oder später psychisches Leiden verursachen. Und wir vermuten, dass die Ursache all dieses Leidens in der menschlichen Sprache selbst zu suchen ist.
Sprache und Verstand
Die menschliche Sprache ist ein hochkomplexes System von Symbolen, das Worte, Bilder, Geräusche, Mimik und Gesten umfasst. Wir Menschen nutzen Sprache auf zweierlei Weise: offen und verdeckt. Offen sind Sprechen, Mimik, Gesten, Schreiben, Malen, Bildhauerei, Singen, Tanzen, Schauspielerei und dergleichen. Verdeckt sind unter anderem sorgenvolles Denken, Vorstellen, Tagträumen, Planen, Visualisieren, Analysieren, Fantasieren.
Das Wort »Verstand« bezieht sich auf ein unglaublich komplexes System interaktiver kognitiver Prozesse, wie zum Beispiel Analysieren, Vergleichen, Bewerten, Planen, Erinnern, Visualisieren und vieles mehr. Allen diesen komplexen Prozessen liegt das ausgeklügelte System an Symbolen zugrunde, das wir menschliche Sprache nennen. In der ACT benutzen wir den Begriff »Verstand« daher als eine Umschreibung für »menschliche Sprache«.
Der Verstand ist ein zweischneidiges Schwert
Der menschliche Verstand ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der guten Seite hilft er uns, Abbildungen und Modelle der Welt zu entwerfen, Prognosen zu erstellen und die Zukunft zu planen, Wissen weiterzugeben, aus Erfahrungen zu lernen, sich Dinge vorzustellen und zu erschaffen, die es nie zuvor gegeben hat, Regeln aufzustellen, an denen wir uns orientieren können und die uns helfen, uns als Gemeinschaft weiterzuentwickeln, mit Menschen zu kommunizieren, die weit entfernt leben, und von Menschen zu lernen, die nicht mehr leben.
Auf der Schattenseite können wir den Geist dazu nutzen, zu lügen, zu manipulieren und zu täuschen, zu verleumden, zu beschimpfen und Unwissenheit zu verbreiten, Hass, Vorurteile und Gewalt zu schüren, Massenvernichtungswaffen herzustellen und die Umwelt zu verschmutzen, an schmerzlichen Erlebnissen aus der Vergangenheit festzuhalten und diese wieder und wieder zu »durchleben«, uns selbst