wir Eltern werden, bringen wir Themen aus unserer Vergangenheit mit, die beeinflussen, wie wir unsere Kinder sehen und wie wir mit ihnen umgehen. Erlebnisse, die wir nicht vollständig verarbeitet haben, können ungelöste Themen oder unerledigte Angelegenheiten zum Vorschein bringen, die sich auf unser Verhalten gegenüber unseren Kindern auswirken und in einer Eltern-Kind-Beziehung sehr leicht zum Tragen kommen. Wenn dies geschieht, reagieren wir häufig sehr emotional oder impulsiv und unsere Wahrnehmung nach außen oder innen ist verzerrt. Diese extremen Geisteszustände lassen uns nicht mehr klar denken und machen uns unflexibel. Sie beeinträchtigen unseren Umgang mit und unsere Beziehung zu unseren Kindern. Dann verhalten wir uns nicht mehr wie die Eltern, die wir eigentlich sein wollen, und können uns oft nur noch darüber wundern, warum die Elternrolle manchmal das „Schlimmste in uns zum Vorschein bringt“. In unserer Vergangenheit verwurzelte Themen schlagen auf unsere heutige Realität durch und wirken sich unmittelbar darauf aus, wie wir unsere Kinder erleben und mit ihnen umgehen, auch wenn wir uns der Ursachen dafür nicht bewusst sind.
Wir bringen unser emotionales Gepäck in unsere Elternrolle mit, und es lässt sich nicht vorhersagen, wie dies sich auf unser Verhältnis zu unseren Kindern auswirken wird. Unerledigtes oder nicht verarbeitete traumatische Erlebnisse oder Verluste drehen sich um wichtige Themen aus unserer Vergangenheit, die sich aus wiederholten schwierigen oder emotional bedeutenden Erlebnissen in unseren ersten Lebensjahren herleiten. Diese Angelegenheiten können uns auch in der Gegenwart weiterhin belasten, insbesondere, wenn wir nie darüber nachgedacht und sie niemals in unser Selbstbild integriert haben. Wenn Ihre Mutter zum Beispiel oft, ohne sich zu verabschieden, das Haus verlassen hätte, weil sie Ihr Weinen nicht ertragen konnte, so hätten Sie, vor allem wenn es um mögliche Abschiede geht, kein Vertrauen mehr zu ihr. Sie wären verunsichert. Wenn sie fort war, hätten Sie das Haus nach ihr durchsucht und wären aufgeregt gewesen, weil sie nicht da war. Die Situation wäre noch schlimmer gewesen, wenn die Person, die auf Sie aufpasste, darauf bestand, dass Sie nicht weinten. Sie wären nicht nur aufgebracht gewesen und hätten sich um Ihre Mutter betrogen gefühlt, sondern Sie hätten auch Ihre emotionale Anspannung nicht verarbeiten können, weil niemand da war, bei dem Sie Gehör und Trost fanden, der sich auf Sie einstimmte und Ihnen das Gefühl gab, verbunden und verstanden zu sein. Mit einer solchen Vergangenheit wären Trennungserlebnisse für Sie als Mutter oder Vater ein Thema, das eine ganze Reihe emotionaler Reaktionen auslösen könnte. Plötzlich könnte Ihr eigenes Empfinden von Verlassenheit auftauchen und Ihnen beim Abschied von Ihrem Kind ein ungutes Gefühl geben. Dieses Unwohlsein würde vom Kind wahrgenommen, würde es verunsichern und zusätzlich belasten, wodurch wiederum Ihr eigenes ungutes Gefühl angesichts der Trennung noch verstärkt würde. Dadurch würde in einer Kettenreaktion eine Lawine von Gefühlen ausgelöst, die Ihre eigenen Kindheitserfahrungen widerspiegelt. Ohne weiteres Reflektieren und einen Prozess der Selbsterkenntnis würde dieser Ablauf in der Gegenwart jedoch als ganz „normal“ empfunden, da eine Trennung immer schwierig ist. Selbsterkenntnis kann den Weg zur Lösung dieser unerledigten Themen ebnen.
Unerledigtes wirkt sich häufig auf uns als Eltern aus und verursacht uns und unseren Kindern unnötige Frustrationen und Konflikte. Hier ein Beispiel über Marys Erfahrungen als Mutter und als Kind.
Schuhe kaufen
Als Mutter entdeckte ich verschiedene unerledigte Angelegenheiten aus meiner eigenen Kindheit, die mein Verhältnis zu meinen Kindern beeinträchtigten und uns daran hinderten, bestimmte Erlebnisse zu genießen. Schuhe kaufen war ein solcher Punkt. Ich bemerkte, dass ich mit Entsetzen verfolgte, wie sich die Tennisschuhe meiner beiden Söhne immer mehr abnutzten und somit der Zeitpunkt näher rückte, an dem ich mit ihnen ins Schuhgeschäft musste. Sie liebten es, neue Schuhe zu bekommen, und sahen diesem Ausflug, wie die meisten Kinder, voller Vorfreude entgegen. Hier boten sich alle Möglichkeiten für ein erfreuliches Erlebnis, da sich Kinder normalerweise gern neue Schuhe aussuchen; aber es kam immer anders.
Meine Söhne suchten sich Schuhe aus, die ihnen gefielen, wozu ich sie mit Worten ermutigte. Obwohl sie von ihrer Auswahl begeistert waren, verdarb ich es ihnen dann, indem ich die Farbe, den Preis, die Schuhgröße oder irgendetwas Greifbares, an dem ich meine Kritik festmachen konnte, in Zweifel zog. Die Begeisterung über ihre Wahl verblasste und machte einer entgegenkommenden Haltung Platz: „Nehmen wir einfach, was dir gefällt, Mama.“ Unentschlossen wägte ich die Vorteile verschiedener Schuhe gegeneinander ab und nach vielem Hin und Her verließen wir das Geschäft mit unseren Einkäufen. Wir waren alle erschöpft. Die Vorfreude auf die neuen Schuhe wurde unter den unerfreulichen Erinnerungen an dieses Erlebnis begraben.
Ich wollte mich nicht so verhalten, und doch wiederholte ich diesen Ablauf viele Male, wobei ich mich häufig bei meinen Kindern entschuldigte, wenn wir aus dem Geschäft kamen. Für mich endete dies immer in einem Wechselbad der Gefühle. „Wegen einem Paar Schuhe“ haderte ich mit mir. „Wie lächerlich.“ Warum wiederholte ich immer wieder ein Muster, das ich doch ändern wollte?
Eines Tages, nach einem weiteren enttäuschenden Einkauf, fragte mich mein sechsjähriger Sohn offenbar ziemlich ernüchtert: „Hast du als Kind nicht gern neue Schuhe bekommen?“ Ein überwältigendes „Nein“ flutete durch meinen Körper, als ich mich an meine eigenen frustrierenden Kindheitserlebnisse beim Schuhkauf erinnerte.
Ich war eines von neun Kindern. Meine Mutter ging, angesichts der Menge an Schuhen, die sie kaufen musste, immer nur zu Ausverkäufen, und zwar vorzugsweise zu großen. Die Läden waren brechend voll und die Preise entsprachen ihren Vorstellungen. Ich ging niemals allein mit meiner Mutter zum Einkaufen, denn es benötigten immer drei oder vier von uns gleichzeitig neue Schuhe. Im Ausverkaufsgetümmel suchte ich mit gemischten Gefühlen nach meinem nächsten Paar Schuhen. Ich wusste, dass ich kaum bekommen würde, was ich wollte. Ich hatte unglücklicherweise eine absolute Durchschnittsgröße, so dass die Auswahl beim Ausverkauf nur noch sehr klein war, und ich verliebte mich normalerweise immer in ein nicht reduziertes neues Modell. Das meine Mutter diese Wahl ablehnte, war so gut wie sicher.
Dann war da meine ältere Schwester, die einen „besonderen“, schmalen Fuß hatte und sich aussuchen konnte, was sie wollte, da ihre Schuhgröße sowieso nur selten im Ausverkauf war. Ich war wütend und fühlte mich vernachlässigt, aber ich hörte immer nur, dass ich dankbar sein sollte, dass es so einfach war, etwas Passendes für mich zu finden. Wenn meine Mutter uns endlich alle ausgestattet hatte, war sie bereits sehr erschöpft und gereizt. Ihre Unsicherheit, Entscheidungen zu treffen, und ihr Widerstreben, Geld auszugeben, traten deutlich zutage, und ich war besorgt über ihr Verhalten. Ich versank in einem Meer von Gefühlen und wollte nur noch nach Hause und den ganzen Einkauf hinter mir lassen. Was ein Abenteuer hätte sein können – nämlich mir selbst etwas auszusuchen –, war verdorben.
Und hier stand ich nun, Jahre später, mit einer Vorstellung vom Schuhkauf im Kopf, womit ich meinen Kindern die gleiche Anspannung vermittelte, die ich als Kind gefühlt hatte. Meine Mutter war zu beschäftigt damit, uns und unsere Einkäufe ins Auto zu bringen, als dass sie mir im Schuhgeschäft zugehört oder meinen Kummer auch nur wahrgenommen hätte. All das rief mir die Frage meines Sohnes ins Bewusstsein, und so konnte ich mich an meine frühen Erlebnisse und Sorgen erinnern, die nun mein Verhalten gegenüber meinen Kindern beeinträchtigten und mich daran hinderten, dies zu einer angenehmen Erfahrung zu machen. Es war nicht die jetzige Schuhkaufsituation, die mein Verhalten beeinflusste, sondern es waren die vielen Schuhkaufsituationen der Vergangenheit. Ich reagierte auf eine unerledigte Angelegenheit.
Ungelöste Themen sind den unerledigten Angelegenheiten ähnlich, aber sie sind extremer und bringen unser inneres Erleben und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen viel stärker durcheinander. Ganz und gar überwältigende Erfahrungen, die möglicherweise mit Hilflosigkeit, Verzweiflung, Verlust, Schrecken und vielleicht Betrug einhergehen, sind häufig die Wurzel des Übels. Wir können als Beispiel erneut das Thema Trennung heranziehen, diesmal jedoch unter extremeren Bedingungen. Wenn die Mutter eines Kindes sich für einen längeren Zeitraum wegen Depressionen in einer Klinik aufhält und das Kind von einer Betreuungsperson zur nächsten gereicht wird, dann erfährt dieses Kind ein starkes Gefühl von Verlust und Verzweiflung. Trennungen werden möglicherweise immer wieder Anlass zur Sorge sein und die Fähigkeit des Kindes beeinträchtigen, sich später als Erwachsener auf eine gesunde Weise vom eigenen Kind zu verabschieden. Als Mutter hat sie vielleicht