präfrontalen Kortex scheint tief greifend durch zwischenmenschliche Erfahrungen beeinflusst zu werden. Darum hinterlassen unsere frühen Beziehungen einen so großen Eindruck in unserem Leben. Dieser wichtige, integrative Teil des Gehirns kann sich jedoch ein Leben lang weiter entwickeln, so dass uns die Möglichkeit, zu wachsen und uns zu verändern, immer erhalten bleibt.
Abb. 1: Darstellung des menschlichen Gehirns von der Mitte aus zur rechten Seite gesehen, mit einigen Schlüsselstrukturen des Gedächtnisses: u. a. Amygdala (Verarbeitung impliziter emotionaler Erinnerungen), der Hippocampus (explizite Gedächtnisarten), und orbitofrontaler Kortex (explizites autobiografisches Gedächtnis). Kohärente Lebensgeschichten, wie sie im nächsten Kapitel beschrieben werden, könnten auf die Integration von Informationen aus beiden Gehirnhälften über den Hippocampus angewiesen sein.
* Der schattierte Bereich zeigt, wo sich der Hippocampus auf der anderen Seite des Stammhirns in dieser Darstellung befinden würde. Die emotionsverarbeitende Amygdala liegt am Kopf des Hippocampus. Beide Strukturen sind Teil des medialen Temporallappens, der genau an den Seiten dieser Sicht entlang der Mittellinie liegt.
Klärung finden
Mit unserem neu gewonnenen Verständnis darüber, wie das Gehirn Gedächtnisinhalte speichert, können wir uns nun ansehen, wie sich unerledigte Angelegenheiten lösen lassen. Im Fall von Dan hatte das Formulieren einer sinnvollen Geschichte über eine Kindheitsamnesie keinerlei emotionale Auswirkungen und konnte sein Erleben nicht verändern. Es mag in dieser frühen Phase seines Lebens Erfahrungen gegeben haben, die für ihn nicht explizit verfügbar waren, aber möglicherweise implizit die emotionale Intensität seines Assistenzjahres beeinflusst haben. Ohne weiteres Nachdenken hätten seine Panik und Verärgerung weiterhin seinen Erziehungsstil dominieren können und ihn so daran gehindert, seinen Sohn in seinem Kummer wirksam zu begleiten. Unbewusst hätte er sich womöglich durch Verletzlichkeit und Hilflosigkeit bedroht gefühlt. Ein solcher innerer, unreflektierter emotionaler Vorgang hätte zum Leitbild in der Organisation seiner Beziehungen werden können. Als Ergebnis hätte Dan seinen Sohn hinsichtlich dessen ganz normaler Abhängigkeit entmutigt und ihn zu verfrühter Selbständigkeit gedrängt. Rational hätte Dan aus diesen Erlebnissen die Einstellung abgeleitet, dass „Kinder, die sich nicht beruhigen und zu viel weinen“, als verzogen und bedürftig anzusehen sind. Ohne weiteres Nachdenken hätte er seine unerledigte Angelegenheit ignoriert und sich weiter über seinen Sohn geärgert.
Tabelle 1: Arten des Gedächtnisses
Implizites Gedächtnis
• Bereits bei der Geburt vorhanden
• Kein Gefühl des sich Erinnerns, wenn Erinnerungen abgerufen werden
• Umfasst Erinnerungen bezüglich Verhalten, Emotionen, Wahrnehmungen und möglicherweise körperliche Empfindungen
• Beinhaltet mentale Modelle
• Zum Einspeichern ist keine bewusste Aufmerksamkeit nötig
• Umfasst nicht den Hippocampus
Explizites Gedächtnis
• Entwickelt sich im zweiten Lebensjahr und darüber hinaus
• Gefühl des Sicherinnerns, bei Abruf
• Autobiografisch: mit Gefühl von Selbst und Zweck verbunden
• Umfasst das semantische (Fakten-) und episodische (autobiografische) Gedächtnis
• Erfordert bewusste Aufmerksamkeit
• Umfasst den Hippocampus
• Autobiografisch: Schließt auch den präfrontalen Kortex mit ein
Elterliche Ambivalenz hat viele Formen, oft basiert oft auf unerledigten Angelegenheiten. Eltern können sich in einem Wechselbad widerstreitender Gefühle befinden, die ihre Fähigkeit, ihren Kindern gegenüber offen und liebevoll zu sein, beeinträchtigen. Die starren Verteidigungsstrukturen, die wir in unserer Kindheit und darüber hinaus aufgebaut haben, können uns lähmen, wenn wir unserer neuen Rolle, uns auf konsistente und klare Weise um unsere Kinder zu kümmern, gerecht werden wollen. Ganz normale Aspekte der Erlebniswelt unserer Kinder – wie ihre Emotionalität, ihre Hilflosigkeit und Verletzlichkeit und ihre Abhängigkeit von uns – können bedrohlich wirken und uns unerträglich werden.
Dan führt seine Geschichte fort: Obwohl ich meinem Sohn in Momenten des Kummers beistehen wollte, erzeugte meine eigene Ambivalenz einen Widerspruch zwischen meiner gewünschten Reaktion und meinem tatsächlichen Verhalten. Anstatt aufgeschlossen und tröstend zu wirken, war ich eine Quelle der Ungeduld und Verärgerung. Als ich mir das erst einmal bewusst gemacht hatte, konnte ich auch etwas dagegen unternehmen.
Ich sprach mit Freunden über die plötzliche Rückblende und die Erinnerungen an mein Assistenzjahr. Ich schrieb in mein Tagebuch – mit dem Wissen um Forschungsergebnisse, die zeigten, dass das Niederschreiben emotional traumatischer Erlebnisse zu grundlegenden psychischen und physischen Veränderungen und damit zu einer Lösung führen kann. Bei den Gesprächen und beim Schreiben zeigte sich mir, wie beängstigend und frisch all diese Eindrücke waren. Ich zeigte körperliche Reaktionen. Ich fühlte mich krank. Meine Arme zitterten und meine Hände schmerzten.
Zunächst fühlte ich weiterhin Panik und Ärger, wenn mein Sohn weinte. Dann sagte ich zu mir: „Das ist ein Gefühl aus meiner Assistenzzeit und hat nichts mit meinem Sohn zu tun.“ Die Panik blieb, aber ich fühlte mich irgendwie ein wenig besser. Als die Tage vergingen und weitere Unterhaltungen und Niederschriften folgten, konnte ich fühlen, wie wichtig es war, die Verletzlichkeit und Hilflosigkeit zu erkennen, zu akzeptieren und zu respektieren – sowohl bei meinem Sohn als auch bei mir. Panik und Verärgerung nahmen merklich ab. Ich erinnerte mich immer wieder daran, dass er nicht wegen mir weinte, und dass es für Kinder einfach völlig normal ist, verletzlich und hilfsbedürftig zu sein. Das Verarbeiten meiner Vergangenheit gab mir die Freiheit, das Weinen meines Sohnes genauso zu akzeptieren wie mein eigenes Gefühl der Verletzlichkeit, als ich lernte, mich in ihn einzufühlen und sein Vater zu sein.
Ich wurde nie wieder von dieser Rückblende heimgesucht. Die lähmende Panik blieb aus. Die zunächst nur impliziten Erinnerungen wurden nun auch explizit verarbeitet. Diese Veränderung vollzog sich durch die bewusste Verarbeitung der impliziten Erinnerungen als Teile einer größeren, expliziten autobiografischen Erzählung über dieses Jahr. In meiner Lebensgeschichte musste ich die emotionalen Schwierigkeiten mit Verletzlichkeit und Hilflosigkeit, die das Herzstück dieser Erfahrung waren, annehmen, um eine Lösung herbeizuführen.
Es geht weiter
Wenn Eltern nicht die Verantwortung für ihre eigenen nicht zu Ende gebrachten Dinge übernehmen, verpassen sie nicht nur die Gelegenheit, einfühlsamere Eltern zu werden, sondern auch, sich selbst weiterzuentwickeln. Menschen, die sich über die Beweggründe ihres eigenen Verhaltens und ihrer starken Gefühlsreaktionen im Unklaren bleiben, sind sich nicht bewusst, dass sie mit unerledigten Angelegenheiten zu kämpfen haben und sich dadurch als Eltern widersprüchlich – ambivalent – verhalten.
Das Leben ist reich an schwierigen Situationen, auf die wir uns schnell einstellen und in denen wir unser Bestes tun müssen. Die meisten unter uns tragen Unerledigtes oder Ungelöstes mit sich herum, das uns regelmäßig vor Probleme stellt. Eine unerledigte Angelegenheit nimmt uns die Flexibilität im Umgang mit unseren Kindern und wir können oft nicht so handeln, wie es für ihre Entwicklung am hilfreichsten wäre. Wir hören ihnen nicht wirklich zu, denn unsere eigenen inneren Erfahrungen machen so viel Lärm, dass wir nichts anderes hören können. Wir haben keinen wirklichen Bezug zu ihnen und wir werden wahrscheinlich immer wieder die gleichen, für uns und unsere Kinder erfolglosen und frustrierenden Handlungen ausführen, weil wir in Reaktionsmustern aus früheren Erlebnissen gefangen sind.
Wenn wir von unseren impliziten Erinnerungen an schmerzliche Erfahrungen und nicht verarbeitete Verluste überwältigt werden und völlig darin versinken, können wir nur schwerlich für unsere Kinder da sein. Dann machen unsere