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DER URKNALL – WAS WAR DIREKT DANACH?
Was passierte direkt nach dem Urknall unseres
Universums, und was war die Inflationsphase?
Die für unser Universum entscheidenden Dinge passierten in der Zeit vom Urknall bis 0,00000000000000000000000 000000001 Sekunden, also 10-32 s, danach. Diese extrem kurze Zeitspanne wollen wir uns im Folgenden anschauen. Obwohl man über diesen Zeitraum bisher nur indirekt Aussagen machen konnte, lässt sich das heute sogar berechnen. Die Veröffentlichung dazu war die wohl aufsehenerregendste des Jahres 20131. Das entscheidende Ereignis in diesem Zeitraum war die sogenannte Inflationsphase von 10-35 s bis 10-32 s. Daher unterscheidet man grundsätzlich in die Präinflationsphase, 0 s bis 10-35 s, die Inflationsphase und die Postinflationsphase, 10-32 s bis heute.
PRÄINFLATIONSPHASE: URKNALL BIS 10-44 s
Wir können heutzutage nichts über die Zeit von 0 s bis 10-44 s aussagen. Letzteres ist die sogenannte Planckzeit. Mit der Planckzeit – oder ganz allgemein den Planck-Einheiten – endet der Gültigkeitsbereich unserer heute bekannten physikalischen Gesetze. Viel können wir über diese Zeit zwar nicht sagen, aber es gibt wahrscheinlich auch nicht viel zu sagen, außer dass das Universum so extrem klein war, dass die Gesetze der Quantengravitation herrschten. Man glaubt, dass Raum und Zeit nicht wie heute sauber getrennt voneinander waren, sondern eine Art Raumzeitschaum bildeten. Es gab nicht wie heute vier separate Kräfte (gravitative, elektromagnetische, schwache und starke Kraft), sondern nur eine vereinheitlichte Kraft. Stellen Sie sich die vereinheitlichte Kraft wie Wasserdampf vor. Beim Abkühlen (des sich ausdehnenden Universums) kondensiert zuerst flüssiges Wasser (Gravitation) und beim weiteren Abkühlen Eis (eine der anderen Kräfte) heraus.
PRÄINFLATIONSPHASE: 10-44 s BIS 10-35 s
10-44 s nach dem Urknall hatte das Universum einen Durchmesser von nur etwa 10-26 Metern. Zu diesem Zeitpunkt entstand die Gravitationskraft als eigenständige Kraft, während die drei anderen Kräfte zur vermuteten sogenannten großen vereinheitlichten Theorie (Grand Unified Theory oder auch kurz GUT), deren Entwicklung ein aktuelles Forschungsgebiet ist, zusammenblieben. Die Quantenteilchen dieser GUT, also die Teile, die die Kraft zwischen den damals bereits existierenden Quarks und Leptonen vermittelten, wie etwa die Photonen der heutigen elektromagnetischen Kraft, nennt man X-Teilchen. Man muss sich das damalige Universum also als Suppe extrem dichtgepackter Quarks und Leptonen vorstellen, die durch die X-Teilchen und Gravitation wechselwirkten und sogar ineinander umgewandelt wurden. In dieser Phase hatten alle diese Teilchen noch keine Masse, und der Raum expandiert schnell, aber nicht extrem schnell.
INFLATIONSPHASE: 10-35 s BIS 10-32 s
10-35 s nach dem Urknall passierte zweierlei: Durch die Ausdehnung und damit verbundene Abkühlung des Universums verselbstständigte sich als weitere Kraft die starke Kraft, also die Kraft, die zwischen den Kernteilchen wirkt. Sie wird beschrieben durch die heute bekannte Quanten-Chromodynamik (QCD) mit den sogenannten W- und Z-Bosonen als kraftvermittelnde Teilchen. Zurück blieb die sogenannte elektroschwache Kraft. Weit wichtiger war aber die sogenannte Inflation, die ebenfalls bei 10-35 s begann.
Die Inflationsphase direkt nach dem Urknall. Horizontal der Raumbereich, die Zeit läuft von unten nach oben. (Bild: NASA/U. Walter)
INFLATION
Um es vorweg zu sagen: Man ist sich nicht sicher, ob es diese Inflation des Universums gab, aber sie erklärt viele wichtige Eigenschaften unseres Universums auf verblüffend einfache Weise, weshalb die meisten Kosmologen an sie glauben. Es gibt aber einige namhafte Vertreter dieser Zunft, die das bestreiten, wie etwa Paul Steinhardt, der sein Modell des ekpyrotischen Universums dem entgegenstellt.
Die Inflation des Universums war eine extrem, extrem starke und kurzzeitige Expansion des Universums, die das Universum in jede der drei Raumrichtungen um mindestens 50 Größenordnungen explodieren ließ. Was war ihre Ursache? Der treibende Faktor war das Ungleichgewicht des Raumes. Was bedeutet das? Man muss sich das so vorstellen: Durch die relativ langsame Expansion in der zweiten Präinflationsphase erfuhr der Raum selbst, das sogenannte Vakuum, eine Anhebung seines Grundzustandes. Dadurch wurde es zum sogenannten falschen Vakuum. Das bedeutet, das Vakuum musste seine innere Struktur ändern, um zum heutigen richtigen Vakuum zu werden. Dadurch konnte es seine angehobene Grundzustandsenergie wieder so weit absenken, dass gigantische Mengen Energien – umgerechnet in Massen entspricht dies 1074 kg pro Kubikzentimeter! – in den Raum gepumpt wurden.
Dieser Inflations-Übergang bewirkte zweierlei. Erstens entstand mit dem strukturellen Übergang des Vakuums das im letzten Jahr indirekt durch die Higgs-Teilchen nachgewiesene Higgs-Feld. Dieses Feld verlieh durch den gigantischen Energiegewinn allen damals existierenden Teilchen ihre Massen. Außerdem führte dieser Strukturwandel zu der gigantischen Expansion des Universums. Wie man schnell nachrechnen kann, haben sich die Teilchen dabei mit weit über Lichtgeschwindigkeit voneinander entfernt. Wie kann das sein, wo doch Einsteins Relativitätstheorie Überlichtgeschwindigkeiten verbietet? Die Antwort: Nicht die Teilchen bewegten sich im Raum auseinander, sondern die im Raum ruhenden Teilchen expandierenden mit ihm. Die Eigengeschwindigkeit der Teilchen im Raum war also Null. Stellen Sie sich das so vor: Sie malen auf eine ebenen Gummi-Membran viele kleine Punkte. Jeder Punkt ist ein Teilchen im damaligen Universum vor der Inflation. Wenn Sie jetzt die Membran von unten mit einer Flamme erwärmen, dehnt sich die Membran (Raum) aus (Inflation) und mit ihr entfernen sich die Punkte voneinander, ohne dass sie sich im Raum bewegen. Gegen dieses überlichtgeschwindigkeits-schnelle Auseinandertreiben hat Einstein nichts einzuwenden.
Das Universum hatte nach der Inflationsphase praktisch die heutigen Abmessungen. Seitdem dehnt es sich nur wieder relativ langsam aus – nur der Raum selbst, nicht die Sterne und Galaxien im Raum – wobei es bis heute seine derzeit bekannte Gestalt angenommen hat.
1 Nachzulesen: http://bit.ly/2c3YlUX
ECHO DES URKNALLS ENTDECKT?
SENSATIONSFUND ODER VIEL LÄRM UM NICHTS?
Anfang März 2014 hieß es überall in den Medien:
Wissenschaftler hätten den Urknall durch Gravitationswellen
nachgewiesen? Was haben sie wirklich gefunden?
N 24 war einer der ersten Nachrichtendienste, die es an die Öffentlichkeit brachten: Echo des Urknalls offenbar entdeckt – Geheimnisvolles Zeichen vom Beginn unserer Zeit2. Dahinter steckt diese Pressemitteilung3 der Harvard Universität, und dahinter wiederum diese Fachveröffentlichung4 einer Gruppe von Physikern. Was ist nun das Neue an der Entdeckung?
DIE KOSMISCHE HINTERGRUNDSTRAHLUNG
Die Wissenschaftler untersuchen seit etwa 15 Jahren mit immer größerer Genauigkeit die sogenannte kosmische Hintergrundstrahlung des Universums. Sie leuchtet unser ganzes Universum aus, ist also allgegenwärtig. Sie ist aber recht schwach, und wir können sie nicht sehen, weil die Wellenlänge der Strahlung für unser Auge viel zu groß ist. Es gibt aber Teleskope, die die Strahlung sehen können und, wie etwa das Planck-Weltraumteleskop, die die Wellenlänge der Strahlung in alle Raumrichtungen genau ausmisst. Wenn man die leicht unterschiedlichen Wellenlängen der Hintergrundstrahlung aus allen Richtungen des Himmels farblich aufträgt und wie die Erdoberfläche im Atlas verzerrt zweidimensional darstellt, dann kommt das heraus:
Die Planck-Daten der Temperaturverteilung der kosmischen Hintergrundstrahlung in der Himmelssphäre, dargestellt in der sogenannten Mollweide-Projektion. (Bild: ESA)
Dieses blau-orangene Rauschen, das zugegebenermaßen im Schwarzweiß-Druck nicht so gut rüberkommt, hat eine kaum sichtbare Struktur, aus der Kosmologen viele Informationen über unser Universum