Karim El Souessi

Die Angst vor dem Tod überwinden


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das Sterben“25 etliche Fälle, die medizinisch unerklärlich bleiben. Solche Dinge sind kein seltenes Phänomen.

      Vor nicht allzu langer Zeit begleitete ich eine alte Dame, die bereits die typische Cheyne-Stoke-Atmung mit immer größer werdenden Zeitabständen hatte, bis ihre Atmung ganz aussetzte. Nach minutenlanger Pause atmete sie plötzlich tief ein, erhob sich im Bett, reichte mir die Hand und stellte sich förmlich und in völliger Klarheit mit ihrem Namen vor.

      Aus medizinischer Sicht durchläuft der physische Tod die folgenden drei Phasen:

      • Präterminale Phase: In dieser Phase treten deutlich sichtbare Symptome der fortgeschrittenen Erkrankung auf. Schmerzen können in dieser Phase in der Regel beherrscht, die allgemeinen Symptome gelindert werden; eine aktive Teilnahme am Leben ist aber nicht mehr möglich. Diese Phase kann mehrere Wochen bis Monate andauern.

      • Terminalphase: Der Schwerkranke nähert sich dem Tod. Er ist die meiste Zeit oder dauernd bettlägerig. Prognostisch ist sein Leben auf wenige Tage bis zu einer Woche begrenzt.

      • Finalphase (Sterbephase): Der Kranke liegt im Sterben. Der Eintritt des Todes ist in einigen Stunden zu erwarten.

      Man unterscheidet fünf physiologische Haupttodesursachen, wobei die Todesursache meist in der Kombination des Versagens mehrerer Organe besteht:

      1. Herz-Kreislaufversagen: als Folge einer Herzinsuffizienz, meist infolge chronischer Erkrankungen wie Diabetes, Rauchen, o.ä., oder Erkrankungen des Herzens selbst.

      2. Lungentod: durch plötzliche oder chronische Atemnot; bei chronischer Atemnot meist friedlicher Tod, bedingt durch CO2-Selbstvergiftung (CO2-Narkose)

      3. Lebertod: hervorgerufen durch Störung der Entgiftungsfunktion, meist mit Gelbfärbung. Anfallende Abfallstoffe (v.a. Ammoniak) bewirken mitunter Verwirrtheit und Unruhe, in der Regel aber schlafen Leberkranke im Leberkoma friedlich ein, wenn es nicht durch den Blutrückstau zu einer Varizenblutung (platzende venöse Gefäße, meist in der Speiseröhre) kommt und der Tod rasch eintritt.

      4. Nierentod: Nierenversagen kann durch Störung des Elektrolythaushalts im Körper zu Verwirrtheit, Herzrhythmusstörungen und Krampfanfällen führen; meist ist der Sterbeverlauf aber ähnlich wie beim Leberkoma.

      5. Gehirntod: durch Blutung, Gewebeschwellung, Tumor oder Schlaganfall; verläuft – abgesehen vom Schlaganfall – meist schnell mit rascher Bewusstlosigkeit, allerdings können Schmerzen und Krampfanfälle auftreten.26

      Die folgenden Tabellen über die biologische Uhr des Menschen zeigen, dass die meisten Menschen dann sterben, wenn die Körpertemperatur am niedrigsten und der Kreislauf am labilsten ist:27

      Abb. 2: Die meisten Menschen sterben, wenn die Körpertemperatur am niedrigsten ist.

      Abb. 3: Die meisten Menschen sterben in den frühen Morgenstunden, wenn der Kreislauf am labilsten ist.

      Abb. 4: Sterbehäufigkeit im Tagesverlauf

      Ferner lassen sich bei einem bevorstehenden Sterbeprozess bestimmte medizinische Veränderungen feststellen.

      Diese unmittelbaren Anzeichen sind:

      • Wochen bis Tage vor dem Tod verweigern die Menschen feste und auch flüssige Nahrung. Mitbedingt durch Flüssigkeitsmangel kann es dabei zu Verwirrtheit und Panik kommen.

      • Die Haut des Sterbenden wird blass, bedingt durch den veränderten Pulsschlag und abfallenden Blutdruck. Die Haut an Füßen, Händen, Fingerspitzen auf der Liegeseite verfärbt sich.

      • Der Körper friert und zittert, bedingt durch den Temperaturabfall.

      • Der Sterbende erkennt Menschen, auch nahestehende, nicht mehr.

      • Die Augen blicken offen oder halb offen in die Ferne, ohne etwas anzusehen. Die Pupillen zeigen keine Lichtreaktion.

      • Reaktionen auf die Umwelt kommen zum Erliegen; trotzdem kann der Sterbende noch wahrnehmen und hören, denn der Hörsinn stirbt ganz zuletzt.

      • Der „Todeskampf” beginnt durch die Unterversorgung mit Sauerstoff, mitunter begleitet von Hektik und Muskelkrämpfen.

      • Der Atemrhythmus flacht ab und verändert sich, der Atem wird laut, ggf. mit Schleimabsonderungen, es setzt eine keuchende Atmung bis zur Schnappatmung ein.

      • Der Sterbende fällt in einen langen Schlaf oder in eine Ohnmacht, die kaum vom Schlaf zu unterscheiden ist, und ist nur noch schwer erweckbar. Es kann sich ein sanftes Entschlafen einstellen.

      • Es ist auch möglich, dass der Sterbende plötzlich aufwacht und sich in völliger Geistesgegenwärtigkeit aufrichtet.

      • Kurz vor dem Sterben können Sterbende mit Blick ins Jenseits ausrufen: ‚Ich komme!’.

       Sichere Todeszeichen: frühe Veränderungen

      • Zum Zeitpunkt des Todes kann ein krampfartiges Erbrechen auftreten.

      • Nach dem Tod erschlafft infolge des Sauerstoffmangels die Muskulatur; Darm und Blase entleeren sich.

      • Der Körper erkaltet pro Stunde um ein Grad, nach zwei Stunden setzt die Toten- oder Leichenstarre ein. Sie beginnt mit der Kaumuskulatur und breitet sich dann zu den unteren Gliedmaßen hin aus.

      • Etwa 20 bis 60 Minuten nach Eintritt des Todes bilden sich Totenflecke (Livores).

      • ‚Leichengift’ gibt es übrigens nicht, nur beim Tod durch Krankheitserreger sollte man vorsichtig sein.

      • Sichere Todeszeichen sind außerdem sogenannte ‚mit dem Leben nicht zu vereinbarende Verletzungen’, die den Körper unwiderruflich zerstören, wie z. B. nach schweren Unfällen, tödlicher Waffengewalt, Verkohlung usw.

       Sichere Todeszeichen: späte Veränderungen

      • Meist zersetzt sich der Leichnam durch chemische Verwesung, bakterielle Fäulnis und Autolyse durch körpereigene Enzyme.

      • Im Freien kann er auch von Fliegen und Käfermaden besiedelt bzw. von Ameisen oder Ratten, Füchsen oder Fischen als Nahrung genutzt werden, bis zur Skelettierung.

      • Unter Luftabschluss kann sich eine Leichen- oder Fettwachsbildung entwickeln.

      • Wassermangel in trockener Umgebung kann den Körper oder einzelne Glieder mumifizieren.

      Abb. 5: Herbst im Park in Leipzig

3Sterben als transpersonaler Prozess

      Der islamische Sufi-Mystiker Jelaladdin Rumi (1207-1273) schrieb: „Der Tod ist in Wirklichkeit eine spirituelle Geburt. Dabei wird der Geist aus dem Gefängnis der Sinne in die Freiheit Gottes entlassen, genau wie man bei der leiblichen Geburt aus dem Gefängnis des Schoßes in die Freiheit der Welt hinaus gelangt. … Die meisten Menschen haben Angst vor dem Tod, aber die echten Sufis lachen nur angesichts seiner. Nichts vermag ihre Herzen zu erschüttern. Was die Austernschale zertrümmert, kann die Perle nicht einmal ankratzen.“28

      In der Arbeit mit Menschen, die sich schwerkrank in Richtung Tod bewegen, aber auch mit körperlich Gesunden, die unter hypochondrischen Ängsten vor Krankheit und Tod leiden, hat sich gezeigt, dass ein transpersonaler Ansatz – neben klassischen psychotherapeutischen Behandlungsverfahren – den Umgang mit der eigenen Sterblichkeit erleichtern kann.

      Sterben