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Nationalsozialismus und Holocaust – Materialien, Zeitzeugen und Orte der Erinnerung in der schulischen Bildung


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Interviews mit Zeitzeuginnen und -zeugen sowie die gemeinsamen Erfahrungen der Einwanderung beim Aufbau eines neuen Lebens und damit verbundenen Schwierigkeiten und Herausforderungen ein pädagogisch sinnvolles Lernumfeld, so die Überlegung (Phillips, 2018).

      Unabdingbar ist beim historischen Lernen, Vergangenheitsdeutungen, Gegenwartswahrnehmungen und Zukunftserwartungen miteinander zu verknüpfen. Eine gelungene Geschichtspädagogik schafft ein motivierendes Unterrichtsklima und stimuliert einen Reflexionsprozess, „durch den sich die Lernenden mit der Vergangenheit in Beziehung setzen und einen Dialog mit der eigenen Vorgeschichte beginnen.“ Zugänge und Bezüge zur Vergangenheit herzustellen, gelingt – wie am Lern- und „Resonanzort“ Yad Vashem gezeigt – durch „komplexe, aus mehreren Identitätsschichten zusammengesetzte Persönlichkeiten, kulturelle Resonanzen und Bezüge zu heutigen Lebenswelten, transnationalen und transkulturellen Bewegungen, Parallelen in der Altersstruktur sowie Individualität und Handlungsmacht“ (Hartmann, 2020).

      Trotz innovativer und effektiver Bildungstools, die bereits zur Anwendung kommen, muss das Angebot an zielgruppenorientierten, multiperspektivischen, mehrsprachigen und auch in einfacher Sprache zugänglichen Unterrichtsmaterialien und -konzepten kontinuierlich erweitert werden.

      Fazit

      Die Vermittlung von Nationalsozialismus und Holocaust steht gegenwärtig vor mehreren Herausforderungen. Der Schule kommt dabei als zentraler Sozialisationsinstanz besondere Bedeutung zu. Die von Lehrenden beschriebenen Schwierigkeiten, Wissen über Nationalsozialismus und Holocaust zu vermitteln, beruhen auf einem Zusammenspiel verschiedener Ursachen und Entwicklungen. Digitalität und Migration haben sich als charakteristische Aspekte des aktuellen pädagogischdidaktischen Diskurses herauskristallisiert. Die Dynamik der Entwicklungen in heterogenen und digitalisierten Klassenzimmern mündet in Fragestellungen, die die grundsätzlichen Fragen der Holocaust Education „Warum über den Holocaust unterrichten?“, „Was über den Holocaust unterrichten“ und „Wie über den Holocaust unterrichten?“ ergänzen: Wie geht es Schülerinnen und Schülern, die nicht den historischen und kulturellen Erfahrungshintergrund der Mehrheitsgesellschaft haben? Wie kann der Distanz und Abwehr, die Jugendliche den Inhalten (artikuliert oder unartikuliert) entgegenbringen, begegnet werden? Wie lassen sich die Geschichten von Überlebenden in den Unterricht integrieren, vor allem, wenn diese bald nicht mehr selbst an Schulen gehen? Und schließlich: Wie können digitale Bildungsangebote im Präsenz- und im Fernunterricht sinnvoll eingesetzt werden?

      Bei der Beantwortung dieser Fragen unterstützt _erinnern.at_ seit mehr als 20 Jahren Lehrpersonen, bietet Fortbildungen und Seminare an und entwickelt mit nationalen und internationalen Projektpartnerinnen und Projektpartnern Unterrichtsmaterialien. Mehrere dieser Materialien wurden als best practise ausgezeichnet, Potential und Praxiseinsatz der Lehr- und Lernmittel werden u. a. in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern erprobt. Beteiligt war _erinnern.at_ auch an der Entwicklung der 2019 von der „International Holocaust Remembrance Alliance“ (IHRA) herausgegebenen „Empfehlungen für das Lehren und Lehren über den Holocaust“, auf die an dieser Stelle abschließend verwiesen werden soll. Die von Expertinnen und Experten aus 30 Mitgliedsstaaten erstellten Empfehlungen der IHRA unterstützen politische Entscheidungsträgerinnen und -träger sowie Lehrende bei folgenden Tätigkeiten:

      Das Ziel, Lehrende und Lernende zu ermutigen und zu befähigen, durch den Holocaust aufgeworfene moralische, politische und soziale Fragen und deren heutige Relevanz zu reflektieren, verfolgt auch _erinnern.at_ seit nun zwei Jahrzehnten und bewegt sich weiterhin Schritt für Schritt darauf zu.

      Literaturverzeichnis

      Bernstein, Julia / Florian Diddens: Umgang mit Antisemitismus in der Schule, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 26–27(2020).

      Bibermann, Irmgard: The International Research Project Shoah in daily school life. How do Pupils Use Videotaped Eyewitness Interviews with Survivors in a Tablet Application?, in: Dreier, Werner / Angelika Laumer / Moritz Wein (Hrsg.): Interactions. Explorations of Good Practice in Educational Work with Video Testimonies of Victims of National Socialism (= Education with Testimonies, Vol.4) (Berlin 2018) S. 154–167.

      Brüning, Christina Isabel: Holocaust Education in der heterogenen Gesellschaft. Eine Studie zum Einsatz videographierter Zeugnisse von Überlebenden der nationalsozialistischen Genozide im Unterricht (Frankfurt/M. 2018).

      Hartmann, Deborah / Tobias Ebbrecht-Hartmann: Der Opfer gedenken – über Täter/innen lernen. Die israelische Gedenkstätte Yad Vashem als Resonanzort, in: Radonic, Liljana / Heidemarie Uhl (Hrsg.): Das umkämpfte Museum. Zeitgeschichte ausstellen zwischen Dekonstruktion und Sinnstiftung (Bielefeld 2020) S. 129–146.

      Kühner, Angela: NS-Erinnerung und Migrationsgesellschaft: Befürchtungen, Erfahrungen und Zuschreibungen, in: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, Einsichten und Perspektiven. Themenheft 01 (2008) Holocaust Education, S. 52–65.

      Messerschmidt, Astrid: Gegenwartsbeziehungen. Erinnerungsbildung auf der Suche nach zeitgemäßen Perspektiven, in: Fritz Bauer Institut (Hrsg.): Einsicht 04, Bulletin des Fritz Bauer Instituts (Frankfurt 2010) S. 16–21.

      Messerschmidt, Astrid: Repräsentationsverhältnisse in der postnationalsozialistischen Gesellschaft, in: Broden, Anne / Paul Mecheril (Hrsg.): Re-Präsentationen. Dynamiken der Migrationsgesellschaft (Düsseldorf 2007) S. 47–68.

      Sabrow, Martin: Zeitgeschichte als Ich-Erzählung, in: Radonic, Liljana / Heidemarie Uhl (Hrsg.): Das umkämpfte Museum. Zeitgeschichte ausstellen zwischen Dekonstruktion und Sinnstiftung (Bielefeld 2020) S. 27–38.

      Sternfeld, Nora: Errungene Erinnerungen. Gedenkstätten als Kontaktzonen, in: Allmeier, Daniela u. a. (Hrsg.): Erinnerungsorte in Bewegung. Zur Neugestaltung des Gedenkens an Orten nationalsozialistischer Verbrechen (Bielefeld 2016) S. 77–96.

      Sternfeld, Nora: Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung. Transnationales Lernen über den Holocaust in der postnazistischen Migrationsgesellschaft (Wien 2013).

      Anmerkungen

      1 „eva.stories“ basiert auf der Geschichte der 13-Jährigen Eva Heymann aus Ungarn, die im Jahr 1944 bis zu ihrer Ermordung in Auschwitz Tagebuch führte. Das kontrovers diskutierte Projekt stellt die Frage, was gewesen wäre, wenn ein Mädchen im Holocaust Instagram gehabt hätte, https://www.instagram.com/eva.stories/?hl=de (7.4.2021).