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Nationalsozialismus und Holocaust – Materialien, Zeitzeugen und Orte der Erinnerung in der schulischen Bildung


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www.whenwedisappear.com/edu (aufgerufen 3.11.2020).

      Victoria Kumar

      Die Vermittlung von Nationalsozialismus und Holocaust in der Bildung heute

      Wissenschafterinnen und Wissenschafter, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Vermittlerinnen und Vermittler in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit stellen sich schon seit Langem die Frage, welche Formen pädagogischer und erinnerungskultureller Praxis sich eignen, um sich einer Geschichte zu nähern, zu der wir einen zeitlich immer größeren Abstand gewinnen, der aber als nicht abgeschlossener Geschichte die ordnende Kraft des Rückblicks fehlt. Zeitgeschichte bzw. Gegenwartsgeschichte ist als „nahe Geschichte“ untrennbar mit ihren Interpretinnen und Interpreten sowie deren Erfahrungen und Perspektiven verbunden (Sabrow, 2020). Es geht also einerseits um die Vermittlung von historischem Wissen, andererseits um die Berücksichtigung des Selbstverständnisses und der zeitgeschichtlichen Erfahrungen sowohl der Lehrenden als auch der Lernenden – ob und wie die Aneignung der Inhalte gelungen ist (historisches Bewusstsein).

      Erinnerungsarbeit und Geschichtsvermittlung sahen und sehen sich speziell in den Nachfolgestaaten des NS-Staates mit Abwehrmustern konfrontiert, geht es hier doch in besonderer Weise um die Auseinandersetzung mit Täter- und Mittäterschaft, womöglich in der eigenen Familiengeschichte. Abwehrmuster, problematische Empathien und Umdeutungen können sich dabei sowohl auf die Aufarbeitung und Erinnerung als auch auf den historischen Gegenstand selbst beziehen: „In den Praktiken, das zum Verschwinden zu bringen, was nach 1945 am meisten beunruhigt und verstört, zeigen sich Abwehrmuster gegenüber einer negativen Geschichte, die nicht zu Ende ist, die aber nicht in das Selbstbild aufgeklärter Fortschrittlichkeit passt“ (Messerschmidt, 2010). Vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann das Lehren über den Nationalsozialismus (immer noch) als moralisierende Belehrung innerhalb eines „Schulddiskurses“ empfunden werden, das Lernen darüber als etwas, das mit einem selbst wenig zu tun hat. Gleichzeitig spiegeln sich im Mikrokosmos Schule gesamtgesellschaftliche Kontinuitäten wider und zeigen sich auch hier bagatellisierende oder glorifizierende Bezugnahmen auf die NS-Zeit und treten Antisemitismus und Rassismus in unterschiedlichen Erscheinungsformen zutage (Bernstein, 2020).

      Mit welchen gesellschaftlichen und pädagogischen Herausforderungen eine gelungene Vermittlung von Nationalsozialismus und Holocaust gegenwärtig konfrontiert ist, wird im Folgenden anhand zweier wesentlicher Entwicklungen der letzten Jahre erörtert: digitales Lernen und „globalisiertes Klassenzimmer“.

      Lehren und Lernen über Nationalsozialismus und Holocaust im digitalen Zeitalter

      Mit Blick auf die Erfahrungen in der Corona-Krise lässt sich bereits bilanzieren, dass digitale Medien und Lernangebote für viele – vor allem junge – Menschen ein niedrigschwelliger Einstieg in die Beschäftigung mit der Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust sein können. Der schnellen Verbreitung und Zugänglichkeit steht allerdings gegenüber, dass vor allem der interaktive Social Media Bereich sich weitgehend einer institutionellen, wissenschaftlichen oder didaktischen Regulierung, eines Kontrollmechanismus bzw. einer Art Autorisierung entzieht. Bei allen Angeboten ist es unabdingbar, didaktisch-kritische Zusatzangebote (historischen Kontext, Aufgabenstellungen etc.) zur Verfügung zu stellen, um die Lernenden im multimedialen und fordernden, möglicherweise überfordernden Umfeld gut anzuleiten und zu begleiten. Was den Einsatz von digitalen Medien im (Geschichts-)Unterricht betrifft, muss die Medien- und Informationskompetenz von Jugendlichen gestärkt werden, um diese gegen Stereotypen, Verschwörungstheorien und Manipulationsversuche zu wappnen. Lehrende können Lernende durch multimediale Tools und interdisziplinäre Zugänge, die auf gesichertem historischen Wissen basieren, motivieren.

      Lehren und Lernen in direkten und ohne direkte Begegnungen mit Zeitzeuginnen und -zeugen