A. F. Morland

Extra Krimi Paket Sommer 2021


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gut, Frau Simon.« Unwillkürlich lächelte er, sie war eine fröhliche Frau mit viel Humor, die wahrscheinlich verhindert hatte, dass aus ihrem ernsten Ehemann ein mürrischer Muffel wurde.

      Die Villa in Steinfurth hatte Rogge schon bei seinem ersten Besuch voller Neid betrachtet. Der Bauherr hatte es großzügig geliebt, aber offenbar mit Hilfe eines guten Architekten vermieden, dass der Bau großkotzig ausfiel. Inzwischen verbarg sich das Haus hinter dichten Sträuchern und hohen Bäumen; unten auf der Straße, am Tor, das mit einer Fernsehkamera gesichert war, erkannte man nur die Auffahrt und die Doppelgarage. Um den riesigen Garten zogen sich hohe Mauern und Zäune, und Rogge hatte Grems zynischer Interpretation zugestimmt: Ein Mann wie Schönborn musste sich vor seinen zahlreichen Feinden schützen, die er aufs Kreuz gelegt hatte. Oder betrogen, wie immer wieder gemunkelt wurde, aber gerichtsfeste Beweise dafür waren nie gefunden worden. Für Schönborns Ehrlichkeit und Integrität wollte sich keiner verbürgen, aber die hässlichen Gerüchte hatten sich nie bis zu einem konkreten Verdacht, geschweige denn zu einem Ermittlungsverfahren verdichtet.

      Rogge klingelte und schaute zur Kamera hoch. Nach dreißig Sekunden fragte eine Männerstimme: »Ja, bitte?«

      »Guten Tag, mein Name ist Rogge, Kriminalpolizei, Ich möchte gerne mit Frau Weber sprechen.«

      Nach einer halben Minute knackte der Lautsprecher wieder: »Kommen Sie.«

      Zwei Riegel schnurrten mechanisch zur Seite und Rogge stieß das Tor auf. Das hellgrau gestrichene Haus mit den weiß lackierten tiefen Fenstern lag höher als die Straße und er erinnerte sich von seinen früheren Besuchen, dass der Garten auf der Rückseite des Hauses den ganzen Südhang der kleinen Erhebung einnahm. Achim Schönborn stand in der Tür und lächelte spöttisch: »Wir haben Sie schon früher erwartet.«

      »Guten Tag«, erwiderte Rogge nur.

      Schönborn war Mitte vierzig, ein mittelgroßer, kräftiger, sportlicher Typ mit einem kantig hässlichen Gesicht, das viel Härte, aber auch Charme zeigen konnte. Wenn Schönborn wollte, brachte er seine männlichen Gesprächspartner mit arroganter Überheblichkeit in null Komma nichts auf die Palme und wickelte Frauen regelrecht um den Finger, Rogge war sich nie klar geworden, was an Schönborn echt und was Schauspielerei war. Als Gegner durfte man Schönborn nicht unterschätzen, er wusste sich zu wehren und warnte selbst, dass er nachtragend sei. Wer sich von ihm einschüchtern ließ, hatte schon verloren.

      »Inge muss jeden Moment kommen.«

      »Ich würde auch gern mit Ihnen sprechen.«

      »Das überrascht mich nicht.«

      Das Wohnzimmer war ein Traum aus Weiß und Goldgelb. Vier Fenstertüren gingen auf die Veranda, und als Rogge beim ersten Mal sein Erstaunen über die Größe des Raumes und die spärliche Möblierung nicht verbergen konnte, hatte Schönborn seltsam scheu erklärt: »Miriam bekam keine Luft.« Damals hatte Rogge ihn sofort verstanden. Diesen Drang, sich zu bewegen und doch in einem geschützten Areal zu bleiben, keinem anderen Menschen zu begegnen, verspürte er selbst oft genug. Schönborns kurzer Satz hatte Rogges Antipathie nicht gemindert, aber den Verdacht gegen den Ehemann abgeschwächt.

      Jetzt lag ein großer Teppich auf dem Parkett und Rogge murmelte: »Viel verändert hat sich nicht.«

      »Nein«, stimmte Schönborn zu und deutete auf einen Tisch. »Trinken Sie einen Kaffee mit mir?«

      »’Gerne.«

      »Was wollten Sie mich fragen?«

      »Sie sind ein reicher Mann.«

      »Behauptet das Finanzamt.«

      »Würden Sie mir verraten, was Sie unternommen haben, um Inge Webers Identität festzustellen?«

      Schönborn sah ihn ausdruckslos an: »Habe ich etwas unternommen?«

      »So wie ich Sie einschätze - ja.«

      »Was hätte ich unternehmen können oder sollen?«

      »Zum Beispiel eine große Belohnung für sachdienliche Hinweise aussetzen. Oder eine ganze Kompanie von Privatdetektiven engagieren.«

      »An beides habe ich gedacht«, bejahte Schönborn und hockte sich auf eine Sessellehne. »Aber ich habe es nicht getan.«

      »Und warum nicht, Herr Schönborn?«

      »Sie kennen doch Rolf Kramer, den Privatdetektiv?«

      »Ja.«

      »Kramer hat einige Aufträge für mich erledigt und natürlich wollte ich ihn auf Inges Identität ansetzen. Er hat sich ihre Geschichte angehört, etwas herumgehorcht und dann den Auftrag abgelehnt. Mit der Begründung, dass ich nur viel Geld für eine aussichtslose Sache ausgeben würde.«

      »Für einen Einzelkämpfer wie Kramer ist es in der Tat aussichtslos.«

      »Natürlich habe ich nichts hinter Inges Rücken eingefädelt. Sie war bereit, mit Kramer zu reden, hat es auch getan, aber sie wollte nicht, dass eine Hundertschaft von mehr oder weniger seriösen Detektiven hinter ihr herschnüffelt.«

      »Ja. Und die Belohnung?«

      »Die hat Ihr Kollege Grembowski verhindert.«

      »Das verstehe ich nicht.«

      »Als ich Grem wegen einer Belohnung ansprach, sprang er unter die Decke. Das verbitte er sich, er habe keine Lust, hinter den Märchen der Spinner und Geldgierigen und berufsmäßigen Halbidioten herzurecherchieren.«

      »Die Gefahr besteht wirklich.«

      »Das bezweifele ich auch nicht. Trotzdem hätte ich die Belohnung ausgesetzt, aber Inge hat mich gebremst.« Schönborns Blick wurde hart. »Die Menschen sind verschieden, Herr Rogge, mich schüchtert ein Grembowski nicht ein, aber Inge hatte zum Schluss richtig Angst vor ihm.«

      Was Rogge sich nur zu gut vorstellen konnte. Angst war sicherlich nicht der richtige Ausdruck, sie hatte auf ihn nicht den Eindruck gemacht, als fürchte sie andere Menschen, erst recht nicht mit dem Geld und dem Einfluss eines Achim Schönborn im Rücken. Aber Grem hatte nie lernen wollen, dass er mit seiner Art die Menschen verschreckte, zumindest dazu veranlasste, nicht freiwillig mit ihm zusammenzuarbeiten.

      »Kollege Grembowski hat den Fall abgegeben.«

      »Ich weiß.« Schönborn schnitt eine Grimasse, »Inge hat’s mir erzählt und daraufhin habe ich ihr gebeichtet, dass und wie wir uns kennen gelernt haben.«

      »Das wäre meine nächste Frage gewesen.«

      Schönborn runzelte die Stirn, zuckte aber schließlich die Achseln: »Ich habe nie bestritten, däss ich das Morphium illegal beschafft habe. Es ist nämlich nicht schön, einer Frau, die man liebt, nach so kurzer Ehe nur noch ein halbwegs friedliches Sterben ermöglichen zu können.« Weil er danach die Lippen zusammenpresste, schwieg Rogge. Wenn Inge Weber erfahren hatte, unter welchen Umständen Miriam Schönborn gestorben war, und trotzdem bei ihm blieb, hatte Rogge diese Entscheidung nicht zu kritisieren. Und für Schönborns Geschäfte trug Inge Weber keine Verantwortung.

      »Da kommt sie«, murmelte Schönborn und stand auf. Rogge hatte das Geräusch des Schlüssels schon gehört.

      »Oh - Hallo, Herr Rogge.«

      »Guten Tag, Frau Weber.« Er war ebenfalls aufgestanden und sie gab ihm die Hand, etwas neugierig und eine Spur besorgt, dann küsste sie Schönborn flüchtig, der sich wieder auf der Sessellehne niederließ.

      »Gibt’s was Neues?«

      »Nein. Leider nicht.«

      »Sie sind doch nicht extra vorbeigekommen, um mir das zu sagen.«

      »Das nicht. Ich würde gern ein kleines Experiment mit Ihnen anstellen.« Über ihre süßsaure Miene musste er lachen. »Nichts Schlimmes. Ich nenne Ihnen jetzt ein paar Namen und Sie sagen mir, ob einer der Namen irgendeine Erinnerung auslöst.«

      »Also haben