Claudia Rossbacher

Drehschluss


Скачать книгу

      »Soll ich mich etwa von ein paar idiotischen SMS einschüchtern lassen?«

      »Das heißt, du ignorierst diese Drohungen und machst einfach weiter, als wäre nichts geschehen?«

      »Wir machen weiter, Clara, als wäre nichts geschehen«, wiederholte Jackie mit süffisantem Grinsen. »Vergiss nicht, dass wir einen Vertrag haben.«

      »Der mir aber nicht verbietet, jetzt ins Bett zu gehen.« Clara schaltete ihr Diktiergerät ab.

      »Geh ruhig. Aber die SMS-Geschichte bleibt unter uns, hörst du?«

      »Wenn du darauf bestehst.«

      »Ja, darauf bestehe ich.«

      »In Ordnung.« Clara gähnte.

      »Schlaf gut.«

      Als ob jetzt noch an Schlafen zu denken wäre, dachte Clara und verschwand in ihr Zimmer, das direkt neben Jackies lag.

      Von der schwarz gekleideten Gestalt, die wenige Minuten später auf Jackies Terrasse auftauchte und sich an ihrer gekippten Glastür zu schaffen machte, bekam Clara nichts mit. Wenngleich sie sich noch immer schlaflos in ihrem Bett wälzte. Wer steckte bloß hinter diesen Drohungen? Wer wollte Jackies Biografie unbedingt verhindern? Wenig überraschend, kamen ihr mehrere Personen in den Sinn. Womöglich war es ein Fehler gewesen, diesen Auftrag anzunehmen. Oder hatte Jackie recht damit, diese Drohungen einfach zu ignorieren? Ja, wahrscheinlich hatte sie recht. Man konnte sich doch nicht so einfach ins Bockshorn jagen lassen und beim erstbesten Widerstand aufgeben.

      ***

      Schlaf gut, du Wunderschöne!

      Im Traum bin ich dir ganz nah.

      So nah, dass ich dich berühren kann,

      dich endlich verführen kann.

      Heute Nacht wirst du mein

      für immer und ewig.

      ***

      8

      »Ich soll den Fall zu den Akten legen? Das ist doch nicht Ihr Ernst?«, fragte Frank Schütte ungläubig. Aus seiner Sicht war der neue Leiter des LKA, in dessen Büro er gerade zitiert worden war, eine glatte Fehlbesetzung. Er hatte den knapp 20 Jahre jüngeren Akademiker von Anfang an nicht ausstehen können. Was auf Gegenseitigkeit beruhte, wie er deutlich spürte.

      »Das ist mein voller Ernst, Schütte«, erwiderte Dr. Peter Wieser und rührte dabei monoton in seiner Kaffeetasse.

      Dieser emotionslose Schnösel ging ihm auf den Geist. Nur weil er studiert hatte, war er noch lange nicht klüger als er. Die meisten jungen Akademiker empfand er als Plage, die sich wie ein Krebsgeschwür ausbreitete. »Hören Sie«, sagte er, »wir können diesen Fall doch nicht einfach auf sich beruhen lassen.«

      »Gibt es denn neue Hinweise, von denen ich noch nichts weiß?«, bohrte Wieser nach.

      »Nein.« Schütte lehnte sich im Besucherstuhl vor dem Schreibtisch seines Vorgesetzten zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

      »Ich habe meine Weisungen von höchster Stelle. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, Herr Schütte, dass Mona Ettinghaus für tot erklärt wird. Der Antrag läuft bereits. Was für ihre Familie recht ist, wird für Sie doch wohl billig sein.«

      Was für ein dämlicher Spruch, dachte Schütte und zwang sich, Wieser nicht in die Augen zu sehen. Er hätte zweifellos bemerkt, was er von seinen Worten hielt. Aber wahrscheinlich ahnte er das auch so.

      »Dieser Fall ist keiner mehr. Haben wir uns verstanden?«

      »Ja«, meinte Schütte zerknirscht.

      »Und, Schütte, noch etwas«, fuhr Wieser fort. »Lassen Sie die Familie Ettinghaus in Ruhe. Die Leute haben genug durchgemacht. Sie haben rein gar nichts gegen sie in der Hand.«

      Ach, daher wehte der Wind! Die ehrenwerte Verlegerfamilie hatte ihren Einfluss geltend gemacht, um nicht weiter mit unangenehmen Ermittlungen belästigt zu werden. Alles klar. Es war ja auch bequemer, Mona Ettinghaus für tot erklären zu lassen. Schon allein aus rechtlichen Gründen. Um Machtkämpfe im Familienunternehmen zu vermeiden, mussten die Positionen neu geordnet werden. Und dafür brauchte es Monas Testament. So gesehen war eine tote Verlagschefin doch viel nützlicher als eine vermisste. Vermutlich lag die privilegierte Mischpoche auch noch richtig. Mona Ettinghaus war längst tot, da war sich Schütte ziemlich sicher. Verdammt noch mal, fluchte er innerlich. In seiner 37-jährigen Polizeilaufbahn war noch niemand dermaßen spurlos verschwunden wie diese Ettinghaus. Und er war noch niemals so frustriert gewesen wie in diesem Moment, als er Wiesers Büro ohne Fall verlassen musste. Noch dazu, wo dieser viel zu mysteriös war, als dass er ungelöst im Archiv verstauben durfte.

      9

      Jackies gellender Schrei hatte die Finca mitten in der Nacht schlagartig mit Leben erfüllt. Jetzt wartete alles auf die Ankunft der Polizei.

      Conny, die Produktionsleiterin, dachte wohl, dass die Beamten schneller eintreffen würden, wenn sie wie ein gefangener Tiger in der Eingangshalle auf und ab lief. Reimann und sein Kameramann Martin Rosen saßen Kette rauchend auf der steinernen Treppe und schmissen mit wilden Theorien um sich, wer da wohl über die Terrassentür in die Räume der Benz eingedrungen war.

      Clara war als Erste in Jackies Suite gewesen, um nachzusehen. Dabei hätte sie die Angst vor einem Verbrecher, der sich möglichweise noch hier aufhielt, beinahe gelähmt. Dennoch schaffte sie es barfuß und mit schlotternden Knien bis ins Schlafzimmer zu gelangen, wo sie die nackte Schauspielerin in ihrem Bett vorfand. Arme und Beine waren an die Bettpfosten gebunden. So viel konnte Clara im fahlen Mondlicht erkennen. Jackie zappelte und zerrte an ihren Fesseln wie ein Fisch, der an Land gezogen worden war. Sie lebte noch, Gott sei Dank! Clara hatte bereits das Schlimmste befürchtet. Als plötzlich das Licht im Zimmer anging, erschrak sie fast zu Tode.

      Reimann stürmte an ihr vorbei ans Bett und riss Jackie die Schlafmaske von den Augen. Jackie blinzelte kurz, warf dann ihren Kopf hin und her.

      »Ruhig, Jackie. So halt doch still!«, sagte Reimann. Mit der Linken griff er sich ihr Kinn, mit der Rechten zog er das lila Seidenhöschen aus ihrem Mund. Bei allem Schrecken konnte er nicht umhin, das Ding zwischen seinen Fingern amüsiert zu betrachten, ehe er es vorsichtig beiseitelegte.

      Jackie hustete und schnappte nach Luft, während Clara versuchte, eine der Fußfesseln aufzuknoten.

      Reimann hatte wohl zu viele Krimis gesehen oder auch selbst gedreht, denn er schlug vor, die Stricke so zu belassen, wie sie waren, bis die Polizei am Tatort eintraf.

      »Du hast sie wohl nicht mehr alle, Reimann? Willst du mich hier allen Ernstes so liegen lassen, bis die Bullen kommen? Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, ich bin verdammt splitterfasernackt!«, schimpfte Jackie. »Mach mich sofort los, Clara!«

      »Warte einen Moment.« Reimann zog ein Taschenmesser aus seiner Hosentasche, während Jackie lauthals weiterschimpfte.

      »Jetzt macht schon! Und ihr dort drüben schert euch zum Teufel! Raus hier! Ruft lieber die Polizei!«, rief sie ihrem Co-Star und der Produktionsleiterin zu, die wie festgenagelt im Türrahmen standen und sie fassungslos anstarrten.

      »Schon erledigt, Jackie. Die Polizei wird gleich hier sein«, antwortete die sonst so resolute Conny Krämer kleinlaut, ehe sie Ben Schlesinger aus dem Zimmer schubste und die Tür von außen schloss.

      »Wird’s jetzt endlich?«, schnauzte Jackie den Regisseur an, der sich an ihrem Handgelenk zu schaffen machte.

      »Du musst schon still halten. Ich kann sonst die Stricke nicht durchschneiden, ohne dich zu verletzen. Und die Knoten will ich auch nicht zerstören. Die könnten, wie gesagt, ein wichtiger Hinweis auf den Täter sein.«

      »Mann, Reimann! Dreh hier keinen Film!«, schrie Jackie ihn an und rieb sich die rot gescheuerten Handgelenke, als diese endlich befreit waren. »Jetzt mach meine Beine los! Worauf wartest du denn?«

      »Was