Claudia Rossbacher

Drehschluss


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      Jackie nickte. »Doch. Genau der. Wieso denn nicht?«

      »Darius ist hier auf Mallorca? Er wollte sich doch nur noch um sein Lokal in Berlin kümmern.«

      »Er hatte wohl Lust, wieder einmal aus seiner Promikneipe rauszukommen und ein bisschen Filmluft auf Mallorca zu schnuppern. Back to the roots.« Jackie drückte die Sprechtaste auf dem Walkie-Talkie, das eben vor ihr auf dem Holztisch gelegen hatte. »Sarah!«

      »Ja, Jackie?«, schepperte es prompt aus dem klobigen schwarzen Gerät.

      »Sag Darius bitte, er soll Tapas für zwei in meine Suite bringen lassen.«

      »Tapas für zwei. Verstanden, Jackie.«

      Sieh einer an! Darius’ Catering. Der Auftrag gefiel Clara immer besser. Sie lächelte ihr perfekt geschminktes Gegenüber an.

      »Wie wär’s mit einem Gläschen Cava?«, schlug Jackie vor.

      »Aber wirklich nur ein klitzekleines Schlückchen.«

      »Ja, klar. Schließlich sind wir zum Arbeiten hier.« Jackie verschwand in der Suite, um mit zwei Gläsern eisgekühltem spanischen Schaumwein zurückzukehren. »Auf unser Buch!«, prostete sie Clara zu.

      »Auf unseren Bestseller!«, erwiderte Clara lächelnd. Die beiden Gläser stießen klirrend aneinander. Der erste Schluck prickelte ihre Kehle hinunter, als es an der Tür klopfte.

      »Herein!«, rief Jackie.

      Darius betrat mit einer Karaffe Wasser, das mit Minzblättern und Zitronenscheiben aromatisiert war, die Terrasse.

      Der junge Spanier in seinem Schlepptau balancierte ein Tablett voller Köstlichkeiten auf seiner muskulösen Schulter. Ein kleiner Teller nach dem anderen landete vor ihnen auf dem Tisch.

      »Wünsche den Damen wohl zu speisen.« Darius verbeugte sich galant.

      »Wie lieb von dir, Darius. Danke schön«, meinte Jackie überschwänglich. »Du kennst doch Clara Bodenstein von der UP? Sie wird meine Memoiren schreiben.« Jackie warf dem zierlichen Mann mit den glatten pechschwarzen Haaren, die ihm fast bis zum Kinn reichten, einen verführerischen Blick zu.

      Darius sah Clara an.

      »Grüß dich, Darius! Was für eine Überraschung«, kam Clara seiner Antwort zuvor. Ihre Sprache veränderte sich augenblicklich, als sie ihren Landsmann begrüßte.

      Darius verbeugte sich und nahm ihre Hand. »Grüß dich Gott, liebe Clara! Gestatte mir bitte, dir meinen Dank für die Erwähnung in deiner Kolumne auszusprechen«, sagte er mit der ihm eigenen Höflichkeit, die stets etwas unterwürfig wirkte. Dazu verlieh das Schönbrunner Deutsch, das er sprach, seinen Worten einen altmodischen Charme.

      »Bitte gerne. Das war hochverdient.« Clara lächelte ihn an. Sie konnte sich nicht erinnern, den zurückhaltenden Mann jemals lachen gesehen zu haben. War es deshalb so schwierig, sein Alter zu schätzen? War er Mitte 30? Oder doch schon 40 plus? Nur, wenn er über seine kulinarischen Kreationen sprach, blitzte Leidenschaft aus seinen dunklen Augen, und der Anflug eines Lächelns lag auf seinen schmalen Lippen. In solchen Momenten fand sie ihn durchaus attraktiv. Auf eine eigenartige Art und Weise. In ihrer letzten Kritik hatte sie Darius Schneyder mit einem Wiener Adeligen aus dem 19. Jahrhundert verglichen, über den sie kurz zuvor ein Buch gelesen hatte. Der Name war ihr mittlerweile entfallen. Darius hatte ihr den Vergleich offenbar nicht übel genommen.

      »Es freut mich, dass dir das Carpaccio vom Wagyu-Rind gemundet hat«, fügte er hinzu.

      »Das sieht ja auch alles wieder sehr lecker aus«, lobte Jackie die kleinen, duftenden Portionen, die darauf warteten, ihre verwöhnten Gaumen zu erfreuen und die hungrigen Mägen zu füllen. »Ich danke dir vielmals, mein Lieber.« Mit einem »Gracias y adios« entließ sie die Männer aus ihrer Pflicht.

      »Schräger Vogel«, murmelte Clara.

      »Darius?« Jackie pflückte mit ihrer Gabel eine Scheibe Serranoschinken vom Teller.

      Clara nickte. »Findest du nicht?«

      »Er ist außergewöhnlich, ja. Mit durchschnittlich kommst du heutzutage auch nicht sehr weit«, meinte Jackie.

      Damit hatte sie nicht unrecht, überlegte Clara und lud sich frittierte Sardinen auf ihren Teller.

      »Du weißt doch, dass alle erfolgreichen Menschen mehr oder weniger durchgeknallt sind. Du kennst sie doch am besten, die ganze prominente Mischpoche.«

      Und das aus dem Mund der erfolgsverwöhnten Diva. Clara hielt Jackies prüfendem Blick stand. Ihre blauen Augen erinnerten sie nicht nur auf der Leinwand und auf dem Fernsehschirm an Veilchen. Ob sie farbige Linsen trug? »Nun ja, ich kenne die Masken, die ihr so in der Öffentlichkeit aufsetzt, die Rollen, die ihr spielt.« Clara schob sich eine Sardine in den Mund.

      Jackie nickte. »Du kennst die, die wir vorgeben zu sein.«

      »Oder die, die ihr gerne wärt.« Clara war nun doch ein wenig überrascht über dieses Gespräch. Jackie gab sich kein bisschen abgehoben.

      »Und dir macht es Spaß, uns zu entlarven, nicht wahr?«

      »Das gehört zu meinem Job«, meinte Clara.

      »Ach, komm schon, Clara! Es ist doch mehr als das. Sonst wärst du nicht so gut, in dem, was du tust«, unterstellte ihr Jackie grinsend.

      Wer führte dieses Interview eigentlich? Irritiert griff Clara zur Wasserkaraffe. Warum sollte sie nicht zugeben, dass sie diesen Moment am meisten liebte? Diesen Moment, in dem die prominente Maske fiel. Wenn sie sich Jackie jetzt offenbarte, würde sie vielleicht rascher Vertrauen zu ihr fassen. Für ihr gemeinsames Projekt konnte das nur von Vorteil sein. »Du hast recht, Jackie«, sagte sie. »Es ist ein geiles Gefühl, wenn so ein Star aus seiner einstudierten Rolle fällt. Wenn plötzlich das wahre Gesicht hervorblitzt. Das hinter der perfekt geschminkten Maske. Und sei es auch nur für einen kurzen Moment. Das hat was. Ja, das hat fast etwas Heiliges.«

      »Wunderbar, meine Liebe! Dann wirst du dich in den nächsten Wochen wie im Himmel bei mir fühlen«, versprach Jackie und schenkte Clara ihr berühmtes kehliges Lachen.

      ***

      Deine Augen, sie funkeln wie Sterne.

      Zwei strahlende Sterne in finsterer Nacht,

      die mir leuchten den Weg.

      Den Weg zu dir, den ich gehen muss.

      Deine Musik begleitet mich,

      dein Lachen, die zauberhafteste Melodie.

      ***

      6

      »Dieses Drecksbuch bringt mich in Teufels Küche!«, fluchte das männliche Ex-Model, das mittlerweile als Hauptdarsteller in einer der quotenstärksten Daily Soaps im Fernsehen glänzte. Zur großen Freude seiner weiblichen Fans. Es gab kaum eine Frau in Deutschland, die Steffen Wolke nicht toll fand. Entweder war er ihr Traummann oder aber der perfekte Schwiegersohn. Doch jetzt stand dem Sunnyboy der Nation der Angstschweiß auf der faltenfreien Stirn.

      »Du bist beileibe nicht der Einzige, dem Jackies Biografie einen erheblichen Imageschaden bescheren dürfte. Du befindest dich in prominenter Gesellschaft.« Mark Konrad saß Steffen gegenüber an einem der hinteren Tische im Darius.

      »Aber mich machen sie alle. Wenn die rausbekommen, dass ich sie damals verpfiffen hab, bin ich dran. Die finden mich, ganz egal, wo ich mich verstecke. Du musst dieses Buch unbedingt verhindern, Mark«, flehte Steffen seinen Agenten an.

      »Entschuldigung, kann ich ein Autogramm haben?«, fragte die Blondine am Nebentisch und reichte einen Zettel herüber. Steffen hätte die grell geschminkte, mittelalterliche Frau am liebsten sonst wohin gejagt, doch das hätte so gar nicht zu seinem Image gepasst. Stattdessen rang er sich ein professionelles Lächeln ab, zeigte seine perfekt aneinander gereihten, frisch gebleichten Zähne und unterschrieb das Papier.

      »Vielen Dank, Steffen. Ich