haben«, fuhr sie fort und unterstrich ihr eindeutig zweideutiges Angebot mit einem Augenzwinkern. Als hätte das Objekt ihrer Begierde sie nicht auch so schon verstanden.
Steffen wandte sich voller Unbehagen ab, sah Hilfe suchend zu Mark.
»Ich möchte nicht unhöflich erscheinen. Aber wir haben eine geschäftliche Besprechung«, ging Mark dazwischen. Es war einfach unmöglich, sich mit Steffen in der Öffentlichkeit zu treffen, ohne dass eine dieser notgeilen Tussen oder eine Horde kreischender Teenies hinter dem Jungen her waren. Nicht einmal im letzten Winkel eines überteuerten Promilokals war man vor Steffens Fans sicher. Das nächste Mal würden sie sich wieder in der Agentur treffen, beschloss Mark, der für sein Einschreiten einen giftigen Blick vom Nebentisch kassierte.
»Ich kann es mir nicht leisten, dass Jackie auspackt«, fuhr Steffen leiser fort. »Verdammt, Mark. Wir reden hier von der Mafia. Die Typen sind richtig gefährlich. Enzo hetzt mir seine Killer an den Hals«, flüsterte er in Panik und zündete sich mit zittrigen Händen eine Zigarette an.
Mark fragte sich einmal mehr, wann Verstöße gegen das Rauchverbot in Berliner Lokalen endlich geahndet werden würden. Da waren die Italiener doch um einiges voraus. Mafia hin oder her. »Enzo? Ist das der Dealer, der dich in Mailand mit Koks versorgt hat?«, fragte er.
Steffen nickte und blies den Rauch aus seinen Lungen. »Wenn Jackie in ihrem Buch erwähnt, dass ich ein Junkie war, der selber mit dem Zeug gedealt hat, wäre das schon schlimm. Aber wenn sie schreibt, dass ich nur davongekommen bin, weil ich meine Hintermänner verraten habe, bin ich geliefert. Enzo hat mir damals geschworen, dass er meine hübsche Visage aufschlitzen lässt, sollte er jemals herausfinden, dass ich es war, der gesungen hat.«
»Jetzt beruhige dich.«
»Beruhigen? Ich werde nie wieder vor einer Kamera stehen können. Und das ist noch das Mindeste, was mir blüht«, meinte Steffen verzweifelt.
»Nicht so laut«, warnte Mark, sich umblickend. »Ich fürchte, ich kann das Buch nicht verhindern. Ich habe schon alles versucht, was in meiner Macht steht. Du kennst doch Jackie. Sie hat sich diese Biografie nun mal in ihren sturen Kopf gesetzt.«
»Tja. Das war’s dann wohl mit dem erotischsten Mann des Jahres«, spielte er auf das letzte Wahlergebnis der UP-Leserinnen an. »Die Weiber werden sich nach ’nem neuen Lustobjekt umschauen müssen. Und du dich nach ’nem neuen Klienten. Hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Mark.« Mit bitterer Miene hob Steffen sein Bierglas.
»Moment mal, Steffen. Warum glaubst du eigentlich, dass Jackie ausgerechnet dich fertigmachen will? Immerhin hat sie dich doch mal abgöttisch geliebt. Das hat sie zumindest behauptet.«
Steffen lachte gekünstelt auf. »Jackie liebt doch niemanden außer sich selbst.«
»Auch wieder wahr.«
»Ich war bloß ihr junger Lover, der es ihr anständig besorgt hat. Dafür hat sie mir ein paar Türen geöffnet. Mehr war’s doch nicht«, meinte Steffen weinerlich und nahm erneut einen tiefen Zug von seiner Zigarette.
Mark sah schweigend in die blauen Augen seines verzweifelten Gegenübers. In diesem Gemütszustand strahlten sie noch heller als sonst, fiel ihm auf.
»Bitte, Mark. Du musst Jackie verbieten, diese alte Geschichte aufzuwärmen. Du bist doch ihr Agent. Auf dich hört sie doch«, nahm Steffen einen letzten Anlauf.
Alberner Junge! Als ob sich Jackie von irgendjemandem etwas verbieten lassen würde. »In diesem Fall hört sie eben nicht auf mich. Rede doch selbst mal mit ihr. Setz deinen unwiderstehlichen Charme ein. Der zieht doch bei den Frauen, vielleicht auch bei Jackie«, schlug Mark vor.
»Früher mal, ja. Jetzt spricht sie kein Wort mehr mit mir«, gestand Steffen kleinlaut.
»Hat das einen Grund?«
Steffen nickte schuldbewusst, starrte in sein Bierglas. »Sie hat mich mit Eve beim Vögeln erwischt.«
Mark schluckte und sah Steffen mit ernster Miene an. »Mit Eve de Angeli?«, hakte er nach. »Du hast Jackie ausgerechnet mit Eve betrogen? Du Vollidiot! Das verzeiht sie dir nie und nimmer.« Mark nahm einen Schluck von seinem Bier.
»Deshalb musst du ja mit ihr reden. Ich flehe dich an.«
»Na schön«, seufzte Mark. »Ich rede mit ihr. Aber erwarte dir nicht allzu viel davon. Immerhin stecken sie und Clara Bodenstein bereits mittendrin in der Arbeit.«
»Sie werden mich fertigmachen.«
Mark zuckte mit den Achseln. »Nicht, wenn ich es verhindern kann.« Er würde es nicht zulassen, dass dieses selbstgefällige Miststück seine Klienten skrupellos zu Fall brachte. Es ging ja nicht nur um Steffen Wolke. Mark war sich sicher, dass Jackie auch Ben Schlesinger nicht verschonen würde. Sie hatte schon anklingen lassen, dass sie Bens homophobe Neigung thematisieren würde. Und wer wusste schon, wen sie sonst noch alles der Öffentlichkeit zum Fraß vorwerfen wollte? Womöglich würde Mark ebenfalls sein Fett abbekommen. Eine Leiche hatte er schließlich auch im Keller, von der Jackie wusste. Das Finanzamt würde seine helle Freude an ihrer Aussage haben. Nein, dieses unselige Werk durfte niemals erscheinen. Warum hatte er es Jackie bloß nicht ausgeredet, sondern auch noch seine Kontakte für sie spielen lassen, ärgerte er sich über die eigene Schwäche. Ja, er hatte der Benz seinen Durchbruch als Staragent zu verdanken. Aber schließlich auch teuer dafür bezahlt, damit ihr Glanz weitere Stars anlockte. Mark musste sich mit fünf Prozent von Jackies Gagen begnügen, anstatt mit den üblichen zehn Prozent, was einen stattlichen Verdienstentgang für ihn bedeutete. Aber jetzt reichte es ihm. Er hatte endgültig die Schnauze voll von ihr.
»Trinkst du auch noch ein Bier?« Steffen drückte seine Kippe aus, um gleich nach der nächsten zu greifen. Mark warf ihm einen weiteren besorgten Blick zu.
»Du möchtest wohl unbedingt in der Klatschpresse lesen, dass du nicht nur ein Nikotin-, sondern auch ein Alkoholproblem hast.«
»Ist doch völlig schnurz, ob sie mich morgen oder erst in einigen Monaten fertigmachen.« Steffen winkte den Kellner herbei.
»Okay. Eines trinken wir noch. Aber dann lass uns von hier verschwinden. Ich kann diesen Promischuppen nicht leiden.«
»Mich werden sie hier künftig eh nicht mehr reinlassen. Mit einer Fresse, die von der Mafia poliert wurde«, meinte Steffen mit säuerlichem Grinsen.
»Dir passiert schon nichts.« Mark lächelte zuversichtlich. Wäre doch zu schade um den talentierten Jungen gewesen.
7
Donnerstag, 28. Juni 2007
Clara nippte an dem ausgezeichneten Rioja, den sie zum abendlichen Interview tranken. Im Laufe der letzten Wochen hatten die Gespräche mit Jackie beinahe freundschaftlichen Charakter angenommen. Clara hatte eine humorvolle, sensible und verletzliche Frau hinter der glamourösen, oftmals kapriziösen Fassade kennengelernt. Die Rolle der zickigen Primadonna mimte die begnadete Schauspielerin nur dann, wenn sie sich Aufmerksamkeit und Respekt verschaffen wollte. Clara glaubte verstanden zu haben, wie Jackie tickte. Sie hatte ihre Ausdrucksweise drauf und dazu reichlich Stoff für einen Beststeller, der gehörig Staub aufwirbeln würde. Manche von Jackies Erinnerungen waren sehr intim.
So hatte sie ihr etwa gestanden, als Schauspielschülerin von ihrem damaligen Freund geschwängert worden zu sein. Kaum hatte der Jungschauspieler vom unerwünschten Nachwuchs erfahren, hatte er das Weite gesucht. Vor Arschlöchern war auch ein Superstar nicht gefeit, wenngleich Jackie damals noch völlig unbekannt gewesen war. Aus Angst, ihre Tochter nicht ernähren zu können, hatte sie diese schweren Herzens nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Eine Entscheidung, die täglich von vielen verzweifelten Frauen getroffen wurde. Die Tatsache, dass sich auch eine Jackie Benz einmal in einer solchen Lage befunden hatte, würde anderen vielleicht Mut machen, glaubte sie. Wie es aussah, würde ihre Geschichte sogar ein glückliches Ende nehmen. Unmittelbar vor Jackies Abreise nach Mallorca war ihre nunmehr erwachsene Tochter überraschend bei ihr aufgetaucht, um sie kennenzulernen. Jenny hatte nicht nur das gute Aussehen ihrer Mutter geerbt, sondern anscheinend auch ihr Talent. Erst kürzlich