Hermann Bauer

Rachemokka


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Monika vor. »Und jetzt freue ich mich schon auf Ihren Unterricht!«

      Nett ist sie auf jeden Fall, die Besucherin aus Heidelberg, dachte Korber. Ausgesprochen nett!

      *

      »Hier trinkst du also immer deinen Kaffee?«, wollte Monika Aberle wissen, als Korber mittags mit ihr auf einen Imbiss im Café Heller saß.

      Korber nickte. »Das ist stark untertrieben. Ich gehe hier sozusagen ein und aus. Die Nähe zum Gymnasium ist dabei recht praktisch.« Beide duzten sich bereits und ließen sich einen Salat mit Hühnerstreifen schmecken. Korber hätte das Essen am liebsten mit einem Glas Bier hinuntergespült, begnügte sich aber mit Apfelsaft, um bei Monika, die am Mineralwasser nippte, keinen schlechten Eindruck zu hinterlassen.

      »Ein schönes Kaffeehaus! Genial schlampig und unkompliziert. Wie ist es denn hier so am Abend?«, fragte seine Begleiterin.

      »Wir können uns das gerne zusammen ansehen«, stellte Korber in den Raum.

      »Oh fein«, war Monika hocherfreut. »Erwin, mein Kollege, ist leider etwas langweilig. Ich hatte schon Angst, dass ich mir niemanden zum Ausgehen finde. Und zu besprechen hätten wir wegen unseres gemeinsamen Projekts ja eine ganze Menge. Wie schaut’s morgen aus? Heute werde ich wohl ein wenig müde sein, denke ich.«

      »Morgen passt ausgezeichnet«, freute Korber sich über Monikas Angebot. »Da wirst du auch meinen besten Freund, den Oberkellner Leopold, näher kennenlernen, der im Augenblick so geschäftig herumläuft.«

      Leopold, der die letzten Worte gehört hatte, eilte herbei, um abzuservieren. »Darf ich dir meine Kollegin Aberle aus Heidelberg vorstellen? Ich habe ihr gerade von dir erzählt«, teilte Korber ihm mit. »Vergiss morgen Abend bitte deine Vorbehalte gegen alles, was Deutsch spricht und nicht aus Österreich kommt. Da möchte ich mit ihr hier nämlich ein paar unbeschwerte Stunden verbringen.

      »Und was ist mit den anderen acht?«, fragte Leopold erstaunt.

      »Was meinst du?«

      »Du hast morgen um 19.30 Uhr für zehn Leute reserviert«, erinnerte Leopold seinen Freund.

      Einmal mehr verfluchte Korber seine gestrigen Exzesse. Wie hatte er bloß vergessen können, dass ihn Marion um diese Gefälligkeit gebeten hatte? »Dann nimmst du eben zwei Plätze dazu«, trug er Leopold auf.

      »Also insgesamt zwölf.«

      »Nein! Einmal zehn und einmal zwei!«

      Jetzt schaute Leopold Korber ganz verständnislos an.

      »Du reservierst uns einen schönen Tisch für zwei Personen und setzt uns in einen kleinen Abstand zu den restlichen zehn«, erläuterte Korber ihm seine Absicht. »Ist das denn so schwer?«

      »Nein, aber ungewöhnlich. Und schön langsam gehen mir die Plätze bei den Kartentischen aus«, informierte Leopold ihn. »Die Chefin hat dort nämlich selbst eine Besprechung. Sie möchte deshalb, dass es kein Gedränge gibt. Und möglichst ruhig soll es auch zugehen.«

      »Glaubst du etwa, dass wir beide randalieren?«, fragte Korber. »Das ist ja lächerlich!«

      Leopold ging darauf nicht weiter ein und entfernte sich mit der Gewissheit, dass sein Freund im Augenblick eine schwierige Phase durchmachte, wo man ihn besser in Ruhe ließ.

      »Wir können es auch bleiben lassen, wenn es unangenehm für dich ist«, sagte Monika Aberle, die keine Ahnung hatte, worum es ging, höflich lächelnd.

      »Auf keinen Fall«, lehnte Korber ihr Angebot entschieden ab. »Die andere Reservierung ist für eine Bekannte aus meiner Studienzeit. Sie kommt zufälligerweise auch aus Heidelberg und ist jetzt in Wien … Das heißt, das weiß ich nicht so genau, sie unterrichtet jedenfalls in Korneuburg, das ist gleich die nächste Stadt an der Donau nach Westen zu. Sie kommt mit einer größeren Gruppe, und der Einfachheit halber habe ich für sie auf meinen Namen reserviert«, setzte er Monika Aberle daraufhin umständlich auseinander.

      Die wirkte so, als verstünde sie immer noch Bahnhof. »Ach so«, nickte sie andächtig.

      »Es wird dich wahrscheinlich nicht interessieren, aber es geht ihnen darum, einen touristischen Ausbau der Eichendorff-Höhe auf unserem Hausberg, dem Bisamberg, zu verhindern«, fuhr Korber ungeniert fort. Er merkte jedoch gleich, dass er das besser nicht gesagt hätte.

      Monika Aberle war sofort ganz Ohr. »Eichendorff? Meinst du etwa den Eichendorff, nach dem unser Gymnasium benannt ist?«, fragte sie.

      »Ich meine den Romantiker Eichendorff«, antwortete Korber ausweichend. »Der war wohl in erster Linie Schlesier, hat aber Teile seiner Studienzeit in Heidelberg und Wien verbracht.« Er ließ dabei unerwähnt, dass der Dichter sein Jurastudium in Wien abgeschlossen hatte.

      »Des isch doch klasse«, platzte es aus Monika heraus. »Und er war bei euch auf dem Bisamberg?«

      »Pssst«, bat Korber sie, etwas leiser zu sein. »Er ging dort während seines Wien-Aufenthaltes öfters spazieren. Deshalb hat man ihm nach dem Zweiten Weltkrieg ein Denkmal gesetzt. Im Augenblick wird allerdings an eine kommerzielle Nutzung des Platzes gedacht, und das ist zum Streitpunkt geworden. Es geht hin und her, verstehst du? Vorderhand soll niemand wissen, dass diesbezüglich morgen hier ein Treffen geplant ist. Darum läuft die Reservierung auch über mich.«

      »Alles klar«, versicherte Monika.

      »Ich habe mit der Besprechung nichts zu tun«, erklärte Korber. »Wir können uns also entspannt daneben hinsetzen, plaudern und vielleicht sogar ein wenig zuhören.«

      »Klingt spannend«, freute Monika sich. »Wir werden uns einfach in Ruhe über unser Projekt unterhalten. Eichendorff ist doch schon einmal ein blendender Ansatz, oder? Sicher fällt uns rasch etwas dazu ein, was die Direktoren beider Schulen glücklich macht. Ich brauche das dann nur entsprechend auszuformulieren. Das kann ich, glaube ich, recht gut. Du brauchst dir also keine Sorgen machen, dass allzu viel Arbeit auf dich zukommt.«

      Ausgezeichnet, befand Korber. Seine neue Kollegin wurde ihm immer sympathischer. Sicher würde er mit ihr morgen nicht nur über Eichendorff und die Schule sprechen.

      *

      Leopold hatte sich angewöhnt, an seinen freien Abenden ein kleines Nachtmahl für Erika und sich zuzubereiten. So stand bereits etwas Köstliches auf dem Tisch, wenn sie müde von der Arbeit nach Hause kam. Dafür war sie ihrem Schnucki dankbar. Beide genossen daraufhin eine entspannte Stunde mit einem guten Glas Wein, kleinen Neckereien und Gesprächen über belanglose Dinge. Diesmal schnitt Erika allerdings ein ernstes Thema an. »Ich möchte, dass wir morgen bei unserer Besprechung wirklich ungestört sind«, stellte sie dezidiert fest.

      »Warum betonst du das so?«, wollte Leopold wissen. »Und vor allem, warum in meine Richtung?«

      »Weil ich genau weiß, wie du zu dem Projekt stehst«, machte sie ihm klar. »Dir stoßen die neuen Entwicklungen gewaltig auf, du gibst es nur nicht zu. Aber denk bitte ausnahmsweise auch einmal an mich. Das ist eine ideale Möglichkeit, meinen Umsatz sprunghaft zu verbessern.«

      Obwohl Leopold daran lag, einen Disput vor dem Schlafengehen zu vermeiden, konnte er Erikas Behauptungen nicht gelten lassen. »Inwiefern?«, fragte er vorsichtig.

      »Da sieht man, dass du keine Ahnung vom Unternehmertum hast, Schnucki. So eine neue Sehenswürdigkeit schafft Kaufanreize«, belehrte Erika ihn. »Eichendorff am Bisamberg, Eichendorff in Floridsdorf, Eichendorff überall und in aller Munde. Die Leute werden mehr über ihn wissen wollen, sind neugierig, was er geschrieben hat. Wer ›in‹ sein will, muss sein Buch Aus dem Leben eines Taugenichts gelesen haben, in dem die Reise des Helden nach Wien und seine Tätigkeit als Gärtner im Schloss Seebarn beim Bisamberg genau beschrieben wird.«

      »Diese Menschen kommen dann in Scharen ausgerechnet zu dir und kaufen dieses kleine Büchlein«, konnte sich Leopold eines gewissen Sarkasmus nicht enthalten.

      »Das und noch viel mehr«, ereiferte sich Erika. »Was glaubst du, welche Möglichkeiten sich erst eröffnen, wenn ich den Begriff ›Romantik‹ gezielt einsetze?