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Theologie im Kontext des Ersten Weltkrieges


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Dogmatik zu und lenkt vom Beispiel Karl Adams aus den Blick auf die Motivlagen der theologischen Erneuerung. Die kritische Würdigung der Ekklesiologie Karl Adams als „prekäres Modernisierungsphänomen“ will zum Aufweis von Ambivalenzen und Gefahren im katholischen Modernisierungsprozess der Zwischenkriegszeit beitragen.

      Wir danken den Herausgebern der Erfurter Theologischen Schriften Prof. Dr. Josef Römelt und Prof. Dr. Josef Pilvousek für die Aufnahme in die Reihe. Für die Gewährung von Druckkostenzuschüssen danken wir herzlich dem Bistum Erfurt, dem Katholischen Militärbischofsamt für die Deutsche Bundeswehr sowie der Pax-Bank Erfurt.

Lea Herberg und Sebastian HolzbrecherErfurt im Januar 2016

       DIE KATHOLIKEN UND DER ERSTE WELTKRIEG.

      Legitimationen – Argumente – Rechtfertigungen

      Dominik Burkard

      Die Bilder von begeistert in den Ersten Weltkrieg ziehenden Soldaten sind uns aus Schul- und Geschichtsbüchern vertraut. In unserem Gedächtnis haben sie sich zu jener merkwürdigen Gewissheit verfestigt, die Ankündigung des Krieges habe 1914 zu einer Euphorisierung der deutschen Gesellschaft – natürlich nicht nur der deutschen, aber auch und gerade der deutschen Gesellschaft – geführt, zu einer patriotischen Trunkenheit, einem patriotischen Taumel, vielleicht gar zu einem „nationalistischen Suff“, dem „man“ sich nicht entziehen konnte, und zwar quer durch alle Bevölkerungsschichten und gesellschaftlichen Milieus hindurch.

      Auch wenn das „Augusterlebnis“ inzwischen durchaus differenzierter gesehen wird1, bleibt die Frage nach dem „Warum“, auf so provozierende Art gestellt in dem Klassiker Im Westen nichts Neues mit jenem absurden Dialog, den die Soldaten in einer Verschnaufpause während ihres Heimaturlaubs führen, und der nur aporetische Antworten gibt, die Lösung also schuldig bleibt.

      Im Folgenden geht es nicht um die Vorgeschichte und die historischen Koordinaten, innerhalb derer sich dieser Krieg vollzog, und die uns – vielleicht nicht verstehen, aber nachvollziehen lassen, warum es zu diesem Krieg kam, obwohl es dazu nicht hätte kommen müssen. Ich möchte den Blick stattdessen stärker fokussieren. Die Perspektive, der Blick wird enger – und damit ein Detail (vielleicht) größer. Ich frage nach der Haltung der Katholiken in diesem und zu diesem Krieg2.

      1. Vorüberlegungen

      Zunächst einige Vorüberlegungen. Der Katholizismus war, so jedenfalls die seit etlichen Jahrzehnten vorherrschende Sicht, von der allgemeinen Kriegsstimmung, mit der wir uns beschäftigt haben, nicht ausgeschlossen. Das „Augusterlebnis“ ergriff die Katholiken ebenso wie die anderen Deutschen3. Dafür lassen sich tatsächlich viele Belege anführen. Ob man nun auf die zahllosen patriotischen Feiern sieht, die landauf, landab – auch in geschlossen katholischen Gebieten – initiiert und zelebriert wurden4, oder ob man in die öffentlichen Stellungnahmen, Hirtenbriefe und Kriegspredigten5 hineinliest: Überall treten einem ähnliche Bilder, ähnliche Reaktionen, auch ähnliche Begrifflichkeiten und Worthülsen entgegen6.

      Ob diese nun bereits das Produkt einer allgemeinen, auch medialen und öffentlichkeitssteuernden „geistigen Mobilmachung“ waren, ob die genuine Eruption eines (mehr oder weniger stabilen) mentalen Bewusstseins7, oder ob nur Ausdruck eines spontanen Empfindens, sei einmal dahingestellt. An der Tatsache selbst ist kaum zu rütteln. Selbst in den Ausbildungsstätten des Klerus, in den Priesterseminaren, wurden derart patriotische Reden (wie etwa durch den „Pauker“, mit dem „Im Westen nichts Neues“ beginnt) gehalten, wurden entsprechende Lieder gesungen, wurde – von geistlichen Vorgesetzten – zum freiwilligen Dienst an der Waffe aufgerufen8. Tausende von Theologiestudenten wurden eingezogen, von ihnen meldeten sich tatsächlich etwa 500 freiwillig zum Kriegsdienst (insgesamt waren es wohl bedeutend mehr, die aber zurückgewiesen wurden). Sie übten ihr Kriegshandwerk aus – ob mit innerer Verve, wer weiß es, jedenfalls durchaus mit Erfolg. Bis 1916 waren immerhin ca. 150 Theologiestudenten zu Offizieren befördert worden9. Also: von mentalen oder gar religiösen Vorbehalten der Katholiken gegen den Krieg ist wenig bis nichts sichtbar.

      Auch die Katholiken ließen sich – so hat schon 1971 Karl Hammer resümierend festgestellt – im Sommer und Herbst 1914 „in einen Taumel des Nationalismus fallen“, der „dem der übrigen Deutschen in nichts nachstand“10. Der Unterschied habe, so es ihn denn überhaupt gab, allenfalls in der Nuance gelegen.

      Wäre es tatsächlich so einfach, könnte man unser Thema getrost ad acta legen. Stattdessen aber enthält der mir zugedachte Vortrag ja implizit bereits eine vorgefasste These, die freilich zu hinterfragen ist. Die These nämlich, die Katholiken hätten in ihrem Verhältnis zum Krieg eben doch eine Sonderrolle eingenommen, seien mit den übrigen Deutschen also nicht in einen Topf zu werfen.

      Für eine derartige Ausgangsthese sind nun doch sehr konträre Beweggründe denkbar. Vereinfachend gesagt: Der These von der andersgearteten Haltung der Katholiken in der Kriegsfrage könnte eine kritische, vielleicht gar eine katholikenfeindliche Einstellung zugrunde liegen, ähnlich jener, wie sie nach dem Weltkrieg laut wurde, eine Art „Dolchstoßlegende“ also, der Vorwurf, die Haltung der Katholiken im Ersten Weltkrieg sei nicht aufrichtig und echt, im Grunde nicht national gewesen. Der exponierte Zentrumspolitiker und Katholik Matthias Erzberger (1875–1921) wurde aufgrund (auch) dieser Anklage, nämlich Deutschland verraten zu haben, Opfer einer medialen Kampagne und eines damit motivierten Attentats11. Der Vorwurf der nationalen Unzuverlässigkeit und des Vaterlandsverrats wurde nicht erst nach dem Krieg, sondern bereits in diesem vielfach erhoben und mit angeblichen Beweisen oder Indizien untermauert12.

      Für die Ausgangsthese von der Andersartigkeit der katholischen Haltung zum Krieg ist aber auch eine apologetische Motivation denkbar. Etwa nach dem Muster: Im Katholizismus sei die Kriegsbegeisterung aus inneren, religiösen und weltanschaulichen Gründen weitaus verhaltener gewesen als in anderen gesellschaftlichen Gruppen. Der Nationalismus und Militarismus, aus denen sich der Weltkrieg speiste, sei nicht die eigene Überzeugung, sondern (und zwar schon längst vor 1914) die „Religion“ der anderen gewesen, Ausdruck einer germanisierten Gottesvorstellung liberaler Protestanten à la Adolph Harnack (1851– 1930), und säkularisierter Gesellschaftsschichten. Den Katholiken habe nur eine sekundäre, gewissermaßen akzidentielle „Verpflichtung der Nation gegenüber“ geeignet. Das ist eine Position, die – wenn ich das recht sehe – von der jüngeren Forschung stärker in den Vordergrund gehoben wird. Tatsächlich wird man allerdings fragen müssen, wer mit „den Katholiken“ denn überhaupt gemeint ist. Der Episkopat13, die Zentrumspartei als politischer Arm der Kirche14, die katholischen Vereine und Verbände, katholische Intellektuelle15, der Klerus, die Gläubigen, nicht zuletzt der Hl. Stuhl? – Sie alle sind keineswegs als Einheitskatholizismus homogener Überzeugungen anzusehen. Im Blick gerade auf den Hl. Stuhl und die anhaltenden Friedensinitiativen Benedikts XV. (1914–1922) wäre das näher aufzuzeigen16.

      Bereits diese ersten Vorüberlegungen dürften andeuten, dass wir es mit einem durchaus komplexen Thema zu tun haben. Und dass die naheliegende Antwort: Die deutschen Katholiken hätten sich im Krieg einfach wie alle Deutschen verhalten, weder links noch rechts zu befriedigen scheint.

      Bei der – zunächst einmal rein hypothetischen – Suche nach Motiven der Katholiken nach Motiven für den Krieg scheinen mir folgende denkbar:

      1. Ein instinktives, naturalistisches, vielleicht auch naturrechtlich hinterlegtes, verteidigungspolitisches Motiv: Nämlich die Einsicht in die Notwendigkeit der Verteidigung, im Falle der Deutschen einer „Vorwärtsverteidigung“ angesichts einer – vielleicht weniger tatsächlich als doch „gefühlt“ – zunehmenden Aggressivität von außen; es gab offenbar ein psychologisches „Eingekreist-Sein“.

      2. Damit eng verbunden ist ein Motiv, das man vielleicht als außenpolitisches bezeichnen könnte: Die Verteidigung des Landes gegen revolutionäre, die bestehende Ordnung gefährdende und Angst machende Aggressionen panslavistischer Art.

      3.