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Theologie im Kontext des Ersten Weltkrieges


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sie Kumpane Alexanders VI. gewesen?“38 – Die größten Deutschen: das waren selbstverständlich Protestanten. Dass Friedrich der Große, Ranke und Kant auf den römischen Index verbotener Bücher gesetzt worden waren, demonstrierte für Lehmann einmal mehr die Deutschfeindlichkeit des Katholizismus überhaupt.

      Solch antikatholische Polemik mit nationalem oder gar nationalistischem Einschlag hatte inzwischen eine eigene Evidenz. Das Schimpfwort von der „katholischen Internationale“ – mit allen negativen Assoziationen – machte in national aufgeladenen Zeiten die Runde. Später war gar von der „schwarz-rot-goldenen Internationale“ die Rede – bestehend aus Katholizismus, Kommunismus und Judentum. Und doch wurde der Terminus „Katholische Internationale“ auch als Selbstbezeichnung verwendet39.

      Anders der Protestantismus, der sich als Träger der deutschen Nation verstand. Dies zeigt die Erforschung von Lutherbild und protestantischer Erinnerungskultur40. Während für den Katholizismus „Nation“ und „Glaube“ weitgehend Konkurrenzbegriffe und die dahinter stehenden Ideen und Wirklichkeiten konkurrierende Größen waren, kam es im Protestantismus – wie Forschungen der letzten Jahrzehnte zeigen – zu einer „Sakralisierung der Nation“. Der Nationalismus wurde „eines der mächtigsten, wenn nicht das mächtigste soziale Glaubenssystem des 19. und 20. Jahrhunderts“41, für viele gar ein Religionsersatz.

      Obwohl die Ausgangslagen, in denen sich katholische und protestantische Kirchen vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs befanden, also durchaus sehr verschieden waren, führten sie beide sehr stringent in den Krieg hinein. Für die einen war er eine nationale Bewährungsprobe, für die andern selbstverständliche religiöse, nicht nur nationale Pflichterfüllung.

      3. Faktoren katholischer Kriegsbejahung

      Auf einige Faktoren, die für die Bejahung des Krieges durch die Katholiken eine Rolle spielten, möchte ich etwas näher eingehen. Zunächst:

       Nationale Begeisterung – Verteidigung gegen protestantisches Misstrauen

      Es gab – wie gesagt – schon vor 1914 im Katholizismus eine gewisse Kriegsbereitschaft. Das Zentrum trug die Rüstungspolitik der Regierung teilweise mit. In den ersten Kriegswochen und Monaten wurde in der katholischen Presse vielfach – und zu Recht – betont, wie weit der nationale Gedanke in die verschiedenen katholischen Lebensbereiche eingedrungen war. Tatsächlich hatte eine „Nationalisierung“ breiter Schichten sowohl im deutschen als auch im europäischen Katholizismus überhaupt stattgefunden42. Betroffen war vor allem auch der akademische Bereich, in dem die Katholiken den stärksten Aufholbedarf hatten. In der katholischen Studentenschaft etwa lässt sich die Kriegsbegeisterung darauf zurückführen, dass man – allen Verdächtigungen von protestantischer Seite zum Trotz – auch ohne Duell und Mensur gut kämpfen könne. Es ging also um eine „nationale Bewährungsprobe“43.

      Für die nationale Begeisterung lassen sich zahllose Beispiele anführen. Allerdings wird man in der Betonung des nationalen Gedankens, der als festes Repertoire in die Kriegspredigten und Hirtenbriefe Eingang fand, wohl auch und vor allem eine Verteidigung gegenüber anderslautenden Stimmen zu sehen haben. So wurden etwa Berichte über vaterlandsverräterische Aktionen katholischer Priester im Elsass ge streut, außerdem in protestantischen und konservativen deutschen Blättern Gerüchte über Gräueltaten belgischer katholischer Geistlicher gegen die deutschen Truppen. Offenbar sollte im ersten Siegestaumel Kapital gegen den „Milieufeind“ geschlagen werden. Die Katholiken verwahrten sich gegen diese „schmutzige Katholikenhetze“44, indem sie darauf hinwiesen, die deutschen Katholiken ließen sich „an vaterländischer Gesinnung und Opferfreudigkeit“ von keinem übertreffen45. Ebenfalls von protestantischer Seite kam der Vorwurf, der katholische Klerus beteilige sich nicht angemessen am Krieg. Auch dieser Vorwurf wurde zurückgewiesen: Die blutigen Kriegshände vertrügen sich nicht mit dem priesterlichen Amt, weshalb die Geistlichen vom Waffendienst befreit seien. Doch übernähmen viele Geistliche „mit Freuden“ den seelsorgerlichen Dienst im Feld46. Und selbst die deutsche Ordensprovinz der Jesuiten habe sich schon im August 1914 komplett dem Heer und der Flotte zur Verfügung gestellt, und zwar mit Angabe der jeweiligen Sprachbeherrschung, um gezielt im Kriegsgebiet eingesetzt werden zu können47. Nota bene: damals standen die Jesuiten noch unter der repressiven deutschen Kulturkampfgesetzgebung!48

      1917 brachte der Rottenburger Bischof Paul Wilhelm von Keppler (1852–1926) im Geleitwort zu Sankt Michael, dem Kriegsbuch der deutschsprachigen Katholiken, das Dilemma ins Wort, in dem die Katholiken sich befanden: „Von der einen Seite sind wir verdächtigt worden, als hätte ein übertriebenes Nationalgefühl unser katholisches Christentum verkümmert und durchsäuert. Von der anderen Seite hegte man den Argwohn, ob nicht unser katholisches Christentum unsere Vaterlandstreue und Kriegstüchtigkeit schwäche und in Frage stelle“49. Keppler stellte klar:

      „Manche andersgläubige Stammesbrüder konnten auch im Kriege ein gewisses Mißtrauen gegen uns nicht überwinden, oder sie verrieten durch eine Belobigung unserer Kriegshaltung, die uns mehr wehe als wohl tat, daß sie uns nicht viel Gutes zugetraut hatten. […] Man mache sich keine unnötigen Sorgen um die deutschen Katholiken. Wir haben unsere Pflicht getan und werden sie tun. Wir sind nicht Deutsche zweiter Güte, nicht Vaterlandsfreunde zweiter Klasse. Aber Mißtrauen und Argwohn führt zu Abneigung und Anfeindung und stört das friedliche Zusammenleben und einträchtige Zusammenwirken“50.

      In der katholischen Presse tauchten auch grundsätzliche Artikel auf, die den Vorwurf nichtkatholischer Gruppen zu entkräften suchen, Katholizismus und nationale Interessen seien nicht vereinbar. Da wurde mit statistischem Material gearbeitet, da tauchten immer wieder Floskeln auf wie: „Neben den Pflichten gegen Gott kennen sie keine höheren als die Pflichten gegen Kaiser und Reich“51.

      Allerdings wurden durchaus auch differenzierende Töne laut: Die deutschen Katholiken betrieben „mit dem Wort ‚national‘ keinen Kultus, wie gewisse Kreise, die die Vaterlandsliebe für sich allein in Anspruch nehmen und jeden Mitbürger als Reichsfeind verschreien, der nicht in ihren Hurrapatriotismus einstimmt“. Sie hielten stattdessen „die goldene Mitte […] zwischen jener Richtung, die einseitig und übertrieben alles nur vom nationalen Gesichtspunkt betrachtet und jener anderen Richtung, die von keinem engeren Vaterlande etwas wissen will“52. Und schließlich gab es auch eine dezidiert katholische Kritik am Nationalismus. So, wenn der Jesuit Stanislaus von Dunin-Borkowski (1864–1934) vor der nationalen „Vergewaltigung“ der Religion warnte und prophezeite:

      „Die Phrasen der nationalistischen Schreier werden im Kanonendonner verstummen. Das ist ihr wohlverdientes Schicksal. […] was aber leider bleiben wird, das ist das Unglück der Reiche, denen die Staatsmänner einen nationalistischen Kurs gaben, die religiöse Not der Völker, die jetzt Nationalismus und Religion zum Bund zwingen wollten. Was bleiben wird als Denkmal ewiger Schande, das ist das unselige Schlagwort ‚Krieg und Katholizismus‘ im Sinne jener, die es nicht als Sammelwort der Liebe und Versöhnung, sondern als Kampfwort der Zwietracht und des Hasses erfunden haben. Daß sie die Weltkirche in die Glut der Leidenschaften zerren wollten, ist ein Frevel an der Religion und der Kultur“53.

       Sicherheit, Freiheit, Schutz fürs Vaterland – der „gerechte Krieg“

      Klar ist, dass durch die „gefühlte“ – propagandistisch zur Realität erhobene – Bedrohung von außen ein qualitativ neues Einheitsbewusstsein vom „deutschen Vaterland“ entstand. Das Bestreben, die Heimat vor dem Einfall feindlicher Armeen zu schützen und seinen Bestand zu wahren, war nicht konfessionsspezifisch, aber der Topos wurde auch von den Katholiken rezipiert. So hieß es etwa in einem Presseartikel:

      „Vier Jahrzehnte lang hat Deutschland sich in eine arge Unsicherheit gefügt. Wir waren fortwährend bedroht von links und rechts […]. Der Krieg soll uns die Sicherheit bringen, die wir in den verflossenen Jahrzehnten des sog. Friedens so sehr vermisst haben“54.

      Das hier angeführte Motiv wurde nun aber nicht nur aufgegriffen, sondern auch theologisch weitergeführt und legitimiert durch die alte „Lehre vom gerechten Krieg“55. In der katholischen Moraltheologie