Группа авторов

Theologie im Kontext des Ersten Weltkrieges


Скачать книгу

Emissäre den Weltenbrand entzündet. Die hier geschilderten Tatsachen sind bekannt. Die subjektive Färbung liegt in ihrer Deutung und Verbindung. Ist sie richtig? […] Als überzeugendes Resultat der bisherigen Darstellung ergibt sich doch wohl das eine, daß Deutschland von seinen Nachbarn eingekreist, isoliert war, gewollt und vollständig. […] Diese beängstigende Isolierung brauchte ja nicht absolut zum Kriege führen; wir konnten uns ja ducken, vorsichtig allen Schwierigkeiten aus dem Wege gehen, wie wir das nach belgischen Zeugnissen ja auch zeitweilig getan haben. Unsere Einkreiser brauchten auch nicht alle und nicht immer den Krieg mit uns im Auge zu haben, unsere Demütigung konnte ihnen ja genügen. Aber alles hat seine Grenzen. Irgend etwas Unvorhergesehenes, eine Katastrophe, mußte den Krieg bringen“104.

      Der französische Versuch, den Krieg als Religionskrieg hinzustellen, als Krieg des protestantischen Deutschland gegen das katholische Frankreich, als Krieg einer religiös degenerierten Nation gegen das wahre Christentum der „ältesten Tochter der Kirche“, wurde von den deutschen Katholiken energisch zurückgewiesen. So betonte Mausbach, die deutschen Katholiken seien „nie Anhänger eines beschränkten Nationalismus“ gewesen105.

      „Man braucht sich gewiß nicht zu wundern, daß in allen kriegführenden Ländern die Katholiken eng mit ihren Volksgenossen zusammenstehen und sich je nach ihrem Temperament von der allgemeinen Kampfstimmung mehr oder weniger hinreißen lassen. Aber neu und unerhört ist es, daß die gläubigen Katholiken eines Landes als solche hervortreten und unter Führung angesehener Kirchenfürsten und Gelehrten die furchtbarsten Anklagen gegen eine andere Nation erheben; schmerzlich und unerträglich ist es für jeden Friedensfreund und Katholiken, daß sie diese Nation, weil sie gegen Frankreich kämpft, vor der ganzen Christenheit als grundsätzlichen Feind aller Sittlichkeit und Religion brandmarken und dabei ausdrücklich die Katholiken des Landes als Mitschuldige hinstellen! […] Wer die Religion als Feldzeichen erhebt und als Waffe gebraucht, um schwankende Freunde aufzurütteln, und den verhassten Gegner desto tödlicher zu treffen, der macht sich verantwortlich für alle entrüstete und zornige Gegenwehr, die bei dem Angegriffenen losbricht und nun gar leicht das heilige Banner in den Staub zieht. […] Inmitten aller Schrecknisse des Krieges war es bisher ein wahrer Trost für jedes fromme und friedliebende Gemüt, daß man bei der eigenartigen Gruppierung der kriegführenden Mächte nicht von einem Religionskrieg sprechen, nicht die finstere Glut eines blutigen religiösen Fanatismus entfachen konnte. Die Verfasser des genannten Werkes haben alles getan, der Menschheit auch diesen Trost zu rauben. Gott sei Dank, die Evidenz der Tatsachen ist zu stark und überwältigend, als daß der Versuch, den Krieg zu einem Religionskriege zu stempeln, gelingen könnte; nie und nimmer wird ein halbwegs vernünftiger Mensch sich einreden lassen, daß in dem von Serbien, Russland, Frankreich und England geführten Kriege ‚der eigentliche Einsatz das Reich Gottes in den Seelen‘ ist!“106.

      Um die Behauptung eines Religionskrieges zu entkräften, ging man auf deutscher Seite auch gegen andere Annahmen vor. So wurde der französische Ehrentitel „älteste Tochter der Kirche“ als Fälschung entlarvt. Der „Katholizismus“ der französischen Kirche wurde auf den Prüfstand gestellt. Um den Versuch einer Spaltung der Deutschen abzuwenden, betonte man gegenüber Frankreich, die Behauptung, die deutschen Katholiken würden unterdrückt, sei völlig falsch. Stattdessen wies man auf die religionsfreundlichen Bedingungen in Deutschland und die Religionsfeindlichkeit des französischen Staates hin. Dabei verkannte man freilich, dass die französischen Katholiken ihrerseits den Krieg als einzigartige Chance sahen, aus der Isolation durch den Laizismus herauszukommen.

      4. Eine katholische „Kriegsprogrammatik“? – Vorschläge eines Theologen (1916)

      Wir haben bisher – keineswegs vollständig107 und auch eher eklektizistisch – Bausteine und auffällige Argumentationsmuster zusammengetragen, die im „katholischen“ Kriegsdiskurs während des Ersten Weltkriegs eine Rolle spielten. Abschließend sei noch beispielhaft zumindest ein Entwurf einer katholischen „Kriegsprogrammatik“ vorgestellt. Er stammt von Ludwig Baur (1871–1943), Professor für scholastische Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen, und erschien 1916 in der Paderborner Zeitschrift Theologie und Glaube108. Baur verfasste seine Gedanken wohl im Herbst 1915 als Feldgeistlicher der 54. Reserve-Division, konnte also – bei ausgewiesener philosophisch-theologischer Kenntnis – auch auf eigene Kriegserfahrungen sowie auf Erfahrungen im Umgang mit den Soldaten zurückgreifen109.

      Baur konstatiert noch für die Kriege von 1866 und 1870 das Fehlen einer eigentlichen „Kriegstheologie“ oder „Kriegsphilosophie“. Die homiletische Literatur – wo man eine solche am ehesten sucht – habe sich nicht wirklich eingehend mit „den durch den Krieg aufgeworfenen Problemen“ befasst. Und die Predigten, die man im gegenwärtigen Krieg „frisch fabriziert ins Feld liefert“, litten an dem Fehler, dass sie „aus einer Überhitze patriotischer Aufwallung heraus gedacht und geschrieben“ seien, was auf die Dauer „hohl und posiert“ klinge110. Demgegenüber sei es jedoch Aufgabe der Kriegspredigt, die erschütternden Erfahrungen des Krieges „mit den Wahrheiten und dem sittlichen Pflichtenkreis des katholischen Glaubens in die richtige Verbindung“ zu bringen. Denn der Krieg „schleudere“ jedem denkenden Menschen „die ernstesten Zweifel an der Leitung der Menschheitsgeschichte durch die göttliche Vorsehung, an der Vatergüte Gottes, ja an dem Dasein eines persönlichen Gottes selbst“ in die erschütterte Seele111. Scharf wendet sich Baur gegen eine Kriegspredigt, die von (noch so edlen) Stimmungen, von Sympathie und Antipathie, von Affekten und Leidenschaften ausgeht. Im Zentrum habe vielmehr – neben seelsorgerlicher Weisheit – die theologische Kenntnis zu stehen.

      Und diese setze vor allem voraus, „daß der Prediger selbst innerlich mit dem Problem des Krieges als einer in Gottes Vorsehung und Leitung des Menschengeschlechts liegenden furchtbaren Tatsache fertig geworden sei und seine Stellung fest und bestimmt an den Grundsätzen des katholischen Dogmas und der katholischen Moral über den Krieg, seine Berechtigung, die Grenzen seiner Berechtigung orientiere“112.

      In einem ersten Punkt geht es dem Theologen um die Rechtsbegründung des Krieges, die doppelt erfolgen kann: naturrechtlich und ethisch. Nach Baur hält die katholische Lehre „die weise Mitte zwischen einer Apotheose des Krieges einerseits und einer idealistischen völligen Ablehnung anderseits“113. Zurückgewiesen werden „Lobredner“ des Krieges, aber auch Vorstellungen, die den Krieg als Kulturschöpfer (wie Nietzsche), als Quelle einer sittlichen (wie der Sozialist Proudhon) oder religiösen Wiedergeburt und Neugestaltung sehen; solches will Baur nur „mit kritischer Reserve und vorsichtig abwägender Einschränkung“ gelten lassen. Die Sicht des Krieges als „Gottesdienst“ weist er ebenso zurück114 wie die Rede vom „heiligen Krieg […], wie die mohammedanischen Mullachs tun“. Es genüge, vom „gerechten Krieg“ zu sprechen115. In gleicher Weise lehne die katholische Lehre aber auch die Vorstellung ab, „die den Krieg unter allen Umständen als absolut sittlich verwerflich, als Verbrechen und Sünde“ kennzeichnet116.

      Zur naturrechtlichen Begründung des Krieges zitiert Baur einen Satz des Kardinals János Kardinal Csernoch (1852–1927):

      „Wenn es Pflicht der Leiter des Staates ist, den Staat, die Gerechtigkeit, den Frieden und die Sicherheit der Bürger zu schützen, dann ist in Ermangelung anderer Mittel zuletzt der physische Zwang, der Kampf, die Verteidigung mit Waffengewalt die sittlich zulässige Art des Rechtsschutzes“117.

      Dieser naturrechtliche Grundsatz schließe einen „mit einem Rechtsbruch belasteten, vom Zaun gebrochenen Angriffskrieges aus bloßer Kampflust und Eroberungssucht“ aus. Allerdings hält Baur ein Schlupfloch offen, denn „nicht jede Form des Angriffskrieges dürfte verboten sein; denn es kann Kriege geben, welche zwar äußerlich die Form des Angriffskrieges haben, ihrem Sinn und Wesen nach aber bloße Verteidigungskriege sind“118. Also: der Krieg ist ein durch Notzwang herbeigeführtes Übel: „bellare non voluntatis sed necessitatis est“; „pacem habere debet voluntas, bellem necessitas“.

      Mit der naturrechtlichen Begründung des Krieges hängt seine ethische zusammen. Die Zielbestimmung des Krieges ist „die Erhaltung und Stärkung jenes sittlichen Gutes, des Vaterlandes, und die dauernde Herstellung, Verteidigung,