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Theologie im Kontext des Ersten Weltkrieges


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1914:

      „Der einzelne Mensch darf zur Notwehr schreiten, um sich und andere vor Mordlust zu schützen. Der Staat darf zu den Waffen greifen, wenn die höchsten nationalen Güter dies fordern, wenn es gilt, für den Sieg der Gerechtigkeit und Vollkommenheit zu streiten. Denn das ist das höchste Ideal des Christentums, und in diesem Siege der gerechten Sache liegt die wahrste und tiefste Rechtfertigung des Krieges“56.

      Das war nun ganz naturrechtlich argumentiert. Der Staat hatte die Pflicht, Bedingungen herbeizuführen, die die zeitliche Wohlfahrt des einzelnen und der im Staate enthaltenen Familien und Berufsklassen nach allen Seiten hin fördern57. Zentral für Mausbachs Argumentation war das Augustinuswort „Pacem habere debet voluntas, bellum necessitas“, das er – bezeichnend – folgendermaßen übersetzte: „Der Friede ist ein Gut an sich, das wir erstreben müssen, der Krieg ist ein furchtbares Übel, das die Not uns aufzwingt“. Der gegenwärtige Krieg ist deshalb ein gerechter, weil Deutschland dem Ideal des Friedens lange mit ehrlichem Willen gedient hat, bis der Krieg zur Notwendigkeit wurde. Die Argumentation Mausbachs funktioniert allerdings nicht mehr angesichts des Einmarsches in Belgien, weshalb er auch in eine allgemeine Propagandaterminologie abgleitet58.

      Die Lehre vom gerechten Krieg passte sehr gut zu der von der Reichsregierung vorgegebenen Formel vom aufgezwungenen Krieg und zu der vom Kaiser nach Bekanntwerden der russischen Mobilmachung am 31. Juli gebrauchten Wendung, Deutschland werde zur „gerechten Verteidigung“ gezwungen: „Man drückt uns das Schwert in die Hand“59. Mitunter wurde der Krieg nicht nur als „gerecht“60, sondern sogar als „heilig in seinem Zwecke“ bezeichnet, insofern „wir nichts anderes erstreben, als die Freiheit und Sicherheit des Vaterlandes, einen dauerhaften Frieden für die Welt, bei dem nicht bloß die menschliche Kultur, sondern auch das Reich Gottes blühen und gedeihen kann“61. Die Kurzformel lautete:

      „Unser Kampf ist ein heiliger, ein gerechter Kampf für geheiligtes Recht, für geheiligte Ordnung. Es gilt die Verteidigung des Vaterlandes, die Verteidigung unserer Güter. Es gilt die Sicherung der eigenen Grenzen. Fürwahr, das ist ein heiliger Kampf um Gottes willen“62.

      Allerdings wurden in der katholischen Publizistik durchaus auch die Bedingungen und Grenzen des „gerechten Krieges“ benannt, nämlich: „Wenn also diplomatische Verhandlungen, Repressalien, Vermittlung, Warenboykott und dergleichen Mittel genügen, um dem Staate zu seinem Rechte zu verhelfen, so darf nicht zum Kriege gegriffen werden, der doch immer das größere Übel bleibt“63. So etwa Ende Oktober 1914 im Fuldaer Bonifatiusboten. Damals stand angesichts dessen, was in Belgien geschehen war (Krieg gegen die Zivilbevölkerung, Politik der Verbrannten Erde, Zerstörung Löwens, die Verteidigung Deutschlands auf fremdem Territorium), die Anwendung der Lehre vom gerechten Krieg unter einem massiven Rechtfertigungsdruck64.

       Nationale Vereinnahmung Gottes – religiös begründet

      Eng mit der Frage nach dem gerechten Krieg verbunden war die Frage nach dem Standort Gottes. Er musste auf der Seite der Gerechten stehen. Auch die nationale Vereinnahmung Gottes war kein konfessionsspezifisches Argumentationsmuster, wurde aber von katholischer Seite übernommen. Denn es bot die Möglichkeit, den offenen Zwiespalt zwischen Katholizismus und Nationalismus zu überwinden.

      Mitunter wurde aus dem Krieg ein im Namen Gottes geführter Krieg. So predigte der Maria Laacher Prior 1914:

      „Den Krieg selber, insofern in ihm materielle Gewalten und Massen aufeinanderstoßen und durch eine mehr oder minder physische Kraftprobe die Entscheidung in einem an und für sich doch geistigen Rechtsstreit herbeiführen – den Krieg, so verstanden, nimmt die Kirche als eine gegebene Tatsache hin, die in der notwendigen Unvollkommenheit aller irdischen Institutionen, zu großen Teil aber auch in der mangelhaften Erfassung des christlichen Ideals begründet ist. Sieht man aber von der so traurigen materiellen Seite des Krieges ab und faßt man ihn von der ethischen Seite, insofern er nun einmal doch von den kämpfenden Parteien als das Ringen zwischen Recht und Unrecht aufgefaßt wird, dann ist der aus dem Willen zum Recht unternommene Defensiv- und Offensivkrieg für die Kirche nichts anderes als ein im Namen Gottes geführter Kampf. Jeder Krieg steht sogar in einem geheimnisvollen Zusammenhange mit dem blutigen Drama auf Golgotha. Er ist eine Fortsetzung, er ist tatsächlich ein Stück des Kampfes, den unser Erlöser geführt hat. Wie Christus seinen Sieg mit seinem Blute erkauft hat, so ist es auch heute nicht selten denen, die auf Christi Seite stehen, beschieden, ihr Recht mit dem Blute zu erkaufen“65.

      Die nationale Vereinnahmung Gottes im Sinne der Bitte um Gottes Hilfe in der kriegerischen Auseinandersetzung ist freilich eine Sache, die heilsgeschichtliche Deutung von Kriegsglück aber eine andere.

      Ich führe hier nur eine derart legitimierende Stimme an: Im September 1914 hieß es in der Fuldaer Zeitung: „Der Allmächtige hat unsere Truppen von Sieg zu Sieg geführt, all unseren Feinden hat er offenbar gemacht, daß er mit der gerechten Sache ist und mit dem Volk, das in Demut um seinen Schutz und Segen fleht“66. – Im Umkehrschluss hätte dieses Argumentationsmuster, spätestens 1918, bedeutet: die deutsche Sache war eben doch nicht die gerechte Sache und schon gar nicht die Sache Gottes, denn der Sieg war auf Seiten des Gegners.

      Dieser logische Rückschluss wurde freilich nicht gezogen. Stattdessen finden sich selbst noch im Juli 1918 Spuren desselben Musters, wenn sie auch nicht mehr ganz so vollmundig klingen: Gottes Wille habe zumindest den Krieg „vom Boden unseres Vaterlandes, von seinen Fluren, Städten und Dörfern fern gehalten“67.

      Hier offenbart sich eine primitive Pseudotheologie, die in weiten katholischen Kreisen bis hin zu höchsten kirchlichen Würdenträgern zu finden war. Man hätte 1918 ja auch mit ganz anderen Interpretamenten argumentieren können. Etwa mit biblischen Aussagen wie: „Der Gerechte muß viel leiden“ (Ps 34,20), oder: „Wen der Herr liebt, den züchtigt er“ (Spr 3,12). Solche Dinge sucht man in diesem Zusammenhang jedoch vergebens.

      Allerdings, und damit komme ich zur verbreitetsten Rechtfertigung des Krieges, wurde der Krieg als Instrument der Strafe, der Züchtigung, der Erziehung Gottes interpretiert – bezeichnenderweise aber nicht auf eine – deshalb – zu erwartende kriegerische Niederlage bezogen.

       Krieg als Gottesstrafe und Aufruf zur Läuterung

      Dort, wo dem Krieg – neben der prinzipiell negativen Erfahrung des Leids – eine positive religiös-sittliche Dimension abgerungen wurde, traten die Motive der Läuterung und Buße sowie des „Opfers“ auf68.

      Der Krieg sei eine Prüfung, „die Gott will, die zu Gott führt“69. Ein Freiburger Pfarrer formulierte das so: „Nur der Schmerz und das Leid weiß ja das Edelste und Tiefste im Menschen zu erlösen und zu befreien“70. Erhofft wurde also – frei nach dem Motto: „Not lehrt beten“ – eine neue Hinwendung zu Gott, zum Glauben, zur Kirche. Der erkannte Sinn des Krieges war, jene, die sich vom Glauben abgewandt haben, zurückzuführen, jenen aber, die glaubten, die Gelegenheit zur Bewährung zu geben. In der Kölnischen Volkszeitung schrieb ein Pfarrer im September 1914: „Der Ruf des Kaisers an die wehrfähigen Männer Deutschlands bedeutete für das katholische Volk in Wahrheit zunächst eine Herzensmobilmachung71. So wurde der Krieg in katholischen Verlautbarungen allenthalben legitimiert.

      Die Antwort, weshalb eine Läuterung überhaupt nötig sei, lautete: Wohlstand und Kultur, der Genuss der irdischen Güter, Eigenliebe und Stolz haben die Werteordnung vertauscht und Gott als das höchste Gut überlagert. So hieß in einem Zeitungsartikel:

      „Woher nun der Krieg? Von der Verkehrtheit der Menschen sagst du. Freilich, darin liegt die nächste Ursache. […] Mitten hinein in den immer mehr zunehmenden Unglauben und den Abfall von der Kirche und dem Christentum, mitten hinein in die hochgehenden Fluten der Sittenlosigkeit, die weite Kreise und Schichten der menschl. Gesellschaft erfaßt hat, schwingt der gerechte Gott die Zuchtrute. […] Der maßlose Aufwand, der unsinnige Luxus, die alle Schranken niederreißende Genußsucht, der sittliche Verfall, wie er sich in der wachsenden Häufigkeit der Ehescheidungen, dem Geburtenrückgang, der horrenden Zunahme der öffentlichen Unsittlichkeit kundgab, vor