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Theologie der Caritas


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das Sanfte und das Gute kommt,

      weiß es auch heute nicht und muß nun gehen.29

      Das Recht, selbsthaft Mensch zu sein, das sich im Recht auf Reich- und Arm-, Stark- und Schwachsein spiegelt, kann vor keinem Gericht erstritten werden. Um zu bestehen und wirksam zu werden, bedarf es Kräfte im Menschen, die in der Kraft zum Guten geeint sind. Menschliche und göttliche Güte – ja, das ist die Grundlage für alles, was der Mensch für sich als sein Gelingen bestimmen und erfahren kann. Wie jüdische und christliche Religiosität das Humanum als Divinum deutet, verdankt sich dieses den Menschen übersteigende Gelingen der Güte Gottes. Für diese Güte steht in Seputaginta und Neuem Testament das Wort für Mitleid und Erbarmen. Doch diese Güte kommt nicht aus einem absoluten Gemüt, sondern aus einem mit den Gläubigen verbundenen, da sie sich als Antwort versteht auf das Gebrauchtsein ihrer selbst. Dazu erhält sie in beiden Religionen eine Metapher, die sich auf Menschliches stützt: Die mitleidige, barmherzige, gnädige, liebende Güte ist die des Vaters zu seinen Kindern.30 Dem entnehme ich einen höchst bedeutsamen Hinweis: Güte, wie sie für ein gelingendes rechtliches Divinum und auch Humanum Grundlage ist, hat ihren Ursprung im Familiären: im Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern. Diese Güte ist Praxis, keine einseitige Regung. Wie Gott die Sünder braucht, um Gnade erweisen zu können, und die Sünder den von Sünden erlösenden Gott, so die Eltern die Kinder, um ihre Elternliebe entfalten zu können, und die Kinder die Elternliebe, um ins Leben zu finden.

       IV.

      Ist Arm und Reich die dominante gesellschaftlich gewachsene Ungleichheit, dann Mann und Frau die dominante durch Natur gegebene. Die Ungleichheit des Geschlechts ist es, die den Menschen unrevidierbar, die geringen Ausnahmen bestätigen es, die eine und die andere Natur sein lässt. Doch diese natürliche Zweiheit läßt sich nicht isoliert festhalten. Bereits prähistorisch ist die Ungleichheit von Mann und Frau immer auch eine gesellschaftlich gewachsene. Wieder geht es um Herrschaft: um die Ungleichheit von Herrschenden und Beherrschten. Sind im Verhältnis von Arm und Reich die Reichen in der Regel die politisch und gesellschaftlich Herrschenden, dann im Verhältnis von Mann und Frau die Männer, sei es in familiärer Gemeinschaft, sei es in der Gesellschaft. Hat im gesellschaftlichen Leben der Reiche, wie er sich selbst versteht, das bessere Leben, so im gemeinschaftlich geteilten der Mann, wie er sich selbst versteht, die höhere Verantwortung. Arme, die sich nicht ideologisch um ihren bon sens bringen lassen, halten ihr Leben für schlecht, Frauen, wie sie die kulturelle Entwicklung der Gemeinschaft prägt, halten sich für subaltern. Bereits die Genesis nimmt sich der gesellschaftlich gewachsenen Ungleichheit von Mann und Frau an und bestimmt die Frau als Hilfe (boêthos) für den Mann.

      Paulus geht einen entscheidenden Schritt weiter, wenn er von der kulturellen Entwicklung der Gemeinschaft absieht, und den von Natur gegebenen Unterschied theologisch überhöht: „Der Mann ist Abbild und Abglanz Gottes, die Frau aber ist der Abglanz des Mannes. Denn der Mann stammt nicht von der Frau ab, sondern die Frau vom Mann. Der Mann wurde auch nicht für die Frau geschaffen, sondern die Frau für den Mann.“31 Wäre Paulus der anderen Version der Schaffung des Menschen in der Genesis gefolgt, hätte er feststellen müssen, dass beide gleicherweise Menschen sind: „und er schuf den Menschen (auton), und er schuf sie (autous) männlich und weiblich.“32 Doch er geht noch einen Schritt weiter in die falsche Richtung, wenn er den Mann mehr teilhaben lässt am Göttlichen als die Frau. Entsprechendes findet sich noch bei Kant, wenn er dem Mann Erhabenheit zuspricht, der Frau nur Schönheit, die nicht zureicht, um das Sittengesetz praktizieren zu können.

      Die gesellschaftlich gewachsene Ungleichheit von Mann und Frau setzt die Frau, mit oder ohne ideologische Unterstützung, ins Unrecht. Gendertheoretiker nutzen diese Ungleichheit, um eine natürliche für nicht gegeben zu erklären. Der biologische Unterschied würde sich nicht auf Kognition, Fühlen und Verstehen auswirken, so dass die Ungleichheit der Geschlechter eine rein künstliche sei. Doch Einebnung des Unterschieds ist nach Jahrtausenden der praktischen und theoretischen Erniedrigung der Frau durch den Mann genau die falsche Antwort. Für die auf Lebensteilung gerichtete Anthropologie ist der Mensch nicht die Zweiheit von Vernunft und Trieb, Kopf und Geschlecht, sondern die Zweiheit von Mann und Frau. Beider gelingendes Verhältnis ist das erste Humanum.

       V.

      Denken wir über menschliches Gelingen nach, dann zeigt sich, dass fürsorgende Liebe (agapê) und geschlechtliche Liebe (erôs) zusammengehören: Sie bedingen einander. Das der Zeit nach Erste für einen Menschen ist die erfahrene fürsorgende Liebe. Der Neugeborene, soll er leben, braucht die natürliche Güte der Eltern. Das der Sache nach Erste ist die geschlechtliche Liebe: Ihr verdankt sich das Leben, wie es Menschen hervorbringen, wobei ich bewusst außer Acht lasse, dass längst Wege beschritten sind, menschliches Leben ohne Intimität zu reproduzieren. Philosophie, die dem Humanum eine Chance in künstlerisch erhöhter Wirklichkeit gibt, hat einen anderen Weg gewählt als den, der zu einem Menschenglück führen soll, das sich aus wirklichen und vermeinten Erleichterungen der Lebensbewältigung addiert.

      Die natürliche Ungleichheit von Mann und Frau lässt ihr Verhältnis nicht in Balance sein. Damit zeigt es ein grundständiges, allem Normativem vorausliegendes Unrecht. Dieses in Recht überzuführen, indem sich das männliche und weibliche Geschlecht als gleicherweise im Recht erfahren, ist einzigartig die Mann und Frau vereinende Liebe. Im höchsten Wirken der Ungleichheit ist die volle Balance erreicht.

      Ist auslösendes Moment caritativer Liebe die Hilfsbedürftigkeit des Anderen, dann das der erotischen Liebe die Schönheit des Anderen, die der liebende Blick ihm verleiht. Im Hohelied der Liebe und Gegenliebe, nicht von ungefähr das „Lied der Lieder“ genannt, beginnt der Mann:

      Siehe, du bist schön, meine Geliebte,

      siehe, du bist schön.

      Und die Frau antwortet ihm:

      Siehe, du bist schön, mein Geliebter,

      so lieblich …33

      In der reinen Gegenseitigkeit gibt es keine Vorbehalte, hat kein Abwägen statt. Das einander Preisen ist ein vollkommenes:

      Du bist ganz und gar schön, meine Freundin, ein Makel ist nicht an dir.34

      Der schaffende Blick der Liebe ist nicht idealisierend. Er sieht Realität – es versteht sich: in erhöhter Wirklichkeit. Die Freundin ist holê kalê, ist ganz und gar schön. Auch der Geliebte zeigt sich der Liebenden ganzheitlich:

      … und ganz Begehren (kai holos epithymia). Das ist mein Geliebter.35

      Das lebenskünstlerisch gesteigerte Verhältnis beider ist ganz uti et frui geworden: Sie brauchen einander, sie erfreuen einander:

      Ich gehöre meinem Geliebten und er ist mir zugewandt.36

      So ist erotische Liebe Ursprung und Urbild menschlichen Gelingens. Jetzt ist der Leib mit im Spiel, von dem anfangs als Bedingung menschlicher Selbstwerdung die Rede war. Der Leib, wie er von Lebens- und Liebeskünstlern geschaut und gefühlt wird, ist von höherer Wirklichkeit. Die Rede philosophischer Vernunftoptimisten, dass geschlechtliche Liebe eine Tierheit im Menschen hervorkehre, entlarvt das Unvermögen introvertiert-solipsistischer Anthropologie, dem Menschen gerecht zu werden.

      Fürsorgende Liebe in der Gestalt christlicher Caritas, die in religiöser Bewegtheit im Hilfsbedürftigen den Geist Christi wahrnimmt, ist auch Lebenskunst, ist auch schöpferisch, hebt auch das Verhältnis von Helfenden und Hilfsbedürftigen auf eine höhere Ebene, der Banalität des Lebens entrückt. In ihr tritt etwas zutage, das die unübertreffliche Nähe zum Anderen, wie sie den in Liebe Vereinten eigen ist, spiegelt. In der fürsorgenden Liebe, die den Anderen mit Selbsthaftigkeit belehnt, findet die in äußerster Selbsthaftigkeit ausgetragene Liebe von Mann und Frau ihren schönsten Widerschein. Fragen wir nach menschlichem Gelingen, fragen wir nach dem Humanum, dann müssen wir Eros und Agape nachgehen als den Vorbildern alles lebensteiligen Gelingens in überhöhter Wirklichkeit.

       Bibliographie

      Benn, Gottfried, Gesammelte Gedichte, Wiesbaden 1956.

      Gilgameschepos