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Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten


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zur Geltung zu bringen und bekennen sich, wie die deutsche Bundesregierung, zu einem „weichen“, „undogmatischen“, „pragmatisch gehandhabten“ Menschenrechtsansatz in der Entwicklungszusammenarbeit. Dabei hapert es allerdings noch bei der konsequenten und kohärenten Umsetzung solch hehrer Verlautbarungen. Zudem stößt selbst die beste Menschenrechtsförderung in der Entwicklungszusammenarbeit an ihre Grenzen, wenn nicht auch die internationalen Rahmenbedingungen menschenrechtskonform ausgestaltet werden.

       Menschenrechtsschutz als Querschnittsaufgabe

      Die Politik muss sich daher auch solcher menschenrechtlichen und entwicklungspolitischen Probleme annehmen, die aus unzureichend geregelten globalen Märkten, Wirtschafts- und Finanzkrisen, Handels- und Patentrechten, Rohstoffabbau, Ressourcenkonflikten, land grabbing, Nahrungsmittelkrisen und Umweltzerstörungen resultieren. Dies verweist auf den Querschnittscharakter einer jeder Politik, welche die Menschenrechte hierzulande und in anderen Ländern fördern möchte. Bei allem commitment der deutschen Regierung zur Achtung, zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte kommt der Querschnittscharakter der Menschenrechtspolitik in der Praxis jedoch nur ungenügend zum Tragen. Noch immer werden menschenrechtliche Forderungen in vielen Politikbereichen (Sicherheit, Migration, Außenwirtschaft, Energie, Umwelt etc.) nicht konsequent zur Geltung gebracht – oder stoßen dort als „sachfremde Anliegen“ auf Irritationen, Unverständnis und Widerstände. Vielfach fehlen bereits die Kapazitäten, um die menschenrechtlichen Folgen politischen Handelns – sowohl in der Entwicklungszusammenarbeit als auch in anderen Politikfeldern – seriös abschätzen, beobachten, analysieren und bewerten zu können.

      Eine letzte Bemerkung: Obwohl die Hauptverantwortung für den Schutz und die Erfüllung der Menschenrechte bei den Staaten liegt, kommt zugleich auch nicht-staatlichen Akteuren eine menschenrechtliche Verantwortung zu. Die fortschreitende wirtschaftliche Globalisierung hat den wirtschaftlichen und politischen Einfluss und Gestaltungsspielraum von Unternehmen, insbesondere von transnationalen Konzernen, erheblich erweitert. Da unternehmerisches Handeln direkt oder indirekt – im Positiven wie im Negativen – die bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte von Abermillionen Menschen beeinflusst, dürfen sich Unternehmen nicht ihrer – völkerrechtlich noch unzureichend verankerten – menschenrechtlichen Verantwortung entziehen. Zu fordern ist daher, dass Wirtschaftsunternehmen innerhalb ihres Tätigkeits- und Einflussbereichs menschenrechtliche Verantwortung übernehmen und ihnen national wie international effektive Regeln auferlegt werden.

      Mein kurzes Fazit lautet: Wer Menschenrechte in Entwicklungsländern fördern möchte, sollte nicht nur negative Sanktionen erwägen, sondern auch und gerade die vielfältigen positiven Möglichkeiten der Menschenrechtsförderung ergreifen und zugleich Menschenrechte konsequenter als Querschnittsaufgabe in der Entwicklungszusammenarbeit und in anderen Politikfeldern zur Geltung bringen.

      1 Überarbeitete Fassung eines Vortrags zur Eröffnung der Ausstellung im Caritas-Pirkheimer-Haus in Nürnberg am 18. 11. 2010.

      1 Vortrag auf der „Internationalen Konferenz zur Lage der Menschenrechte in der Republik Guinea“, gehalten am 2. Oktober 2010 in Nürnberg.

      1 Überarbeiete Fassung des gleichnamigen Vortrages in der Akademie CPH.

      1 Vortrag auf der „Internationalen Konferenz zur Lage der Menschenrechte in Guinea. Ein Jahr nach dem ‚Blutigen Montag‘ vom 28. September 2009“ (Nürnberg, 2. Oktober 2010).

3.

       Matthias S. Fifka

       Scientology in Deutschland und den USA

       Die unterschiedliche Wahrnehmung und Behandlung einer kontroversen Organisation1

      Es ist still geworden um Scientology in Deutschland. Lediglich wenn prominente Mitglieder wie Tom Cruise oder John Travolta in einer Talkshow auftreten oder ein Spielfilm ausgestrahlt wird, der sich des Themas annimmt, steigt für kurze Zeit das Interesse der Öffentlichkeit. Anders verhielt es sich in den 90er Jahren, als ununterbrochen von den deutschen Medien – zumeist sehr negativ – über Scientology berichtet wurde und sich nahezu eine hysterische, kollektive Angst gegenüber der Organisation2 herausbildete. Der Religionswissenschaftler Hubert Seiwert befand in diesem Kontext treffend, dass Scientology in jenem Jahrzehnt wahrgenommen wurde „als ernsthafte Bedrohung für die innere Sicherheit und als sonderbare, aber mächtige Vereinigung, die ihre Mitglieder in ferngesteuerte Zombies verwandelte.“3

      Der öffentlichen Meinung folgend ergriff auch die Politik Maßnahmen gegen die als subversiv eingeschätzte Organisation. 1997 befand die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren, dass „tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“4 vorlägen. Scientology wurde unter Beobachtung des Verfassungsschutzes gestellt, was in den USA große Empörung hervorrief. Das US-Außenministerium kritisierte in seinem International Religious Freedom Report das als Einschränkung der Religionsfreiheit perzipierte Vorgehen. Scientology selbst initiierte – auch mit Unterstützung zahlreicher prominenter Nicht-Scientologen – eine Anzeigenkampagne gegen das Vorgehen der deutschen Behörden. So wurde im International Harald Tribune eine Anzeige unter dem Titel „An Open Letter to Helmut Kohl“ geschaltet, in dem die Behandlung der Scientologen in Deutschland mit der Verfolgung der Juden während der nationalsozialistischen Herrschaft verglichen wurde:

      „In the 1930s, it was the Jews. Today it is the Scientologists […] And – like the book burning of the 1930s – your party organized boycotts (Anmerkung: Die Junge Union hatte Boykottaufrufe gegen den Film „Mission Impossible“ mit Tom Cruise gestartet.). […] We implore you to bring an end to this shameful pattern of organized persecution. It is a disgrace to the German nation.“5

      Bereits hier wird eine grundsätzlich andere Wahrnehmung und Behandlung Scientologys auf beiden Seiten des Atlantiks deutlich. Doch wie äußeren sich diese Unterschiede konkret und welche Ursachen können für den gänzlich anderen Umgang mit der Organisation ausgemacht werden? Diesen zentralen Fragen soll sich der folgende Beitrag annehmen. Bevor sie näher erörtert werden, wird jedoch zunächst ein kurzer einführender Überblick über die Entstehung und Glaubensinhalte Scientologys gegeben.6

       Scientology – Entstehung und Glaubensinhalte

      Die Entstehung und das Wesen Scientologys ist untrennbar mit der Person L. Ron Hubbards verbunden, der nicht nur ihr Gründer ist, sondern bis heute auch als geistiger „Übervater“ der Scientologen gesehen werden kann. Er wurde am 13. März 1911 in Nebraska geboren und begann im Jahr 1930 mit einem Studium des Ingenieurwesens in Washington, D. C. Ob er dieses jemals erfolgreich zu Ende gebracht hat, ist ungewiss und die Quellen gehen hier auseinander. Während Scientology selbst von einem erfolgreichen Abschluss spricht,7 schreiben andere Autoren, Hubbard hätte die Universität ohne einen solchen verlassen.8 Diese Anekdote soll zeigen, dass die wissenschaftliche Annäherung an Hubbard und Scientology aufgrund divergierender Quellen teilweise ein schwieriges Unterfangen darstellt.

      Unumstritten ist, dass sich Hubbard zwischen 1933 und 1950 mit durchaus großem Erfolg als Schriftsteller betätigte und Erzählungen, Drehbücher und Science-Fiction-Romane schrieb. Darunter war das 1950 erstmals erschienene Werk Dianetics – The Modern Science of Mental Health, das Erkenntnisse und Methoden beinhaltet, auf die Scientology unter anderem gründet, und bis heute einen elementaren Bestandteil der Basisliteratur eines jeden Scientologen darstellt. Wie der Buchtitel verrät, handelt es sich dabei um einen Ratgeber, der psychologische