Heinz Gebhardt

Die Lola-Montez-Story


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die Geschichte, über die sogar Fürst Metternich ausführlich Bescheid gewusst haben soll, in einer anderen Version: Der König hätte demnach »mit einer Visite der oberen Körpertheile begonnen, welche weiter zu verfolgen das Corsett verhindert habe. Der König habe nun verlangt, dass dieses Hindernis entfernt werde, worauf Lola Montez versicherte, das könne nicht sein, weil sie es ohne Hilfe einer Kammerjungfer weder ablegen noch wieder anlegen könne.« Ludwig soll versichert haben, dass er »alle nötige Übung und Geschicklichkeit besitze«, eine Frau zu entblättern und »begann Gewalt zu gebrauchen«. Nachdem sich die »Localinspection« über die Kniebänder hinaus stets noch weiter und weiter sich habe erstrecken wollen, habe sie der Sache ein Ende gemacht: »En voila assez Sire, le reste pour une autre fois!« auf gut deutsch: »Genug, den Rest ein anderes Mal!« Ob bei der Audienz ein Brieföffner oder eine Schere im Spiel war oder ob sich der König als Miederfachmann outete: »Die Unterredung war nicht ganz kurz, und ich bemerkte wohl, dass mir diese Audienz sehr rasch Freunde und Feinde geschaffen hatte«, wie Lola in ihren Memoiren die delikate Begegnung beschrieb. Bald nach der Audienz kursierte ein Gedicht, »Lolitas Busen«, das die Schönheit der Lola aufs wohlwollendste beschrieb, und man vermutete, es stamme vom König selbst. Er hatte es auch nie dementiert.

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       König Ludwig I., Gemälde von Carl Wollenweber, um 1840

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       König Ludwig I. bei der »Visite der oberen Körperteile« während der Audienz von Lola Montez in einer zeitgenössischen Karikatur.

      Lola im Königlichen Hoftheater

       Auf Befehl des Königs: Lola tanzt im Hoftheater

      Lolas Audienz bei Ludwig I. war erfolgreich: Noch am 8. Oktober erging die schriftliche Anweisung des Königs an August Freiherr von Frays (1790–1863), den Intendanten des Königlichen Hoftheaters, sich mit Lola Montez über die Gage und die Art der Auftritte zu einigen. Der König empfahl, sie in den Zwischenaufzügen spanische Tänze in spanischer Tracht tanzen zu lassen. Nachdem bisher in München nicht viel über die »spanische Tänzerin« bekannt war, hatte sich Frays bei Kollegen und Künstlern natürlich erkundigt, mit wem er es hier zu tun hatte und den König vorgewarnt, dass sie schon mal »öffentlich Anstoß erregt hätte« und aus Berlin ausgewiesen worden wäre, weil sie einem Offizier ein Champagnerglas an den Kopf geworfen und danach einen Polizisten mit ihrer Reitpeitsche misshandelt hätte. Der König schrieb die Handgreiflichkeiten eben dem Temperament der Spanierin zu und gab Anweisung für ihren ersten Auftritt: »Genehmige, dass Lola Montez nächsten Samstag im Zwischenakt tanzt gegen der Hälfte der Netto-Einnnahme. Das weitere will ich dann beschließen. Noch heute ihr die Antwort eröffnen mit der Bemerkung, dass ich mich darauf freue sie tanzen zu sehen.« Am Samstag den 10. Oktober stand der Schwank »Der verschwundene Prinz« von Johann von Ploetz (1786–1856) auf dem Programm. Der Drucker des Theaterzettels war in Gedanken scheinbar schon bei der »Demoiselle Lola Montez aus Madrid« und merkte gar nicht, dass er in der Titelzeile ein paar Buchstaben durcheinanderbrachte und schrieb: »Der Verschwunschene Prinz«. Lolas Auftritt wurde besonders hervorgehoben: »In den beiden Zwischenakten tanzt Demoiselle Lola Montez aus Madrid spanische Tänze«.

      Luise von Kobell (1827–1901), die Tochter des Mundartdichters und Mineralogen Franz von Kobell hatte von ihrer Mutter eine Eintrittskarte für die Vorstellung bekommen: »Ich ging also Samstag den 10. Oktober ins Hoftheater. Weil ich viel zu frühe in die Loge kam, las ich erwartungsvoll den Zettel: ›Der verwunschene Prinz. Schwank in 3 Akten von J.v.Plötz. In den beiden Zwischenakten tanzt Demoiselle Lola Montez aus Madrid spanische Nationaltänze.‹ Dann sah ich voll Ungeduld den Vorgang an, lauschte dem ersten Akte des Lustspiels, nun fiel der Vorhang. Jetzt erhob er sich, da erschien meine Fee von gestern, Lola Montez. Im Parterre klatschte und zischte man; das Letztere »wegen verschiedener Gerüchte«, erklärte meine Nachbarin, »denn Lola Montez soll eine Missionärin der englischen Freimaurer sein, eine Feindin der Jesuiten – eine Coquette, die schon Liebesabenteuer in allen Weltteilen erlebt hat, nach den Berichten der Zeitungen«. Lola Montez stellte sich in die Mitte der Bühne, nicht in Trikots mit dem üblichen kurzen Ballettröcklein, sondern in spanischer Tracht, mit Seide und Spitzen angetan, da und dort schimmerte ein Diamant. Sie blitzte mit ihren wunderbaren blauen Augen, und verbeugte sich wie eine Grazie vor dem Könige, der in seiner Loge saß. Dann tanzte sie Nationaltänze, wobei sie sich in den Hüften wiegte, und bald diese, bald jene Haltung einnahm, voll unerreichter Schönheit. So lange sie tanzte fesselte sie alle Zuschauer; die Blicke hafteten an ihren geschmeidigen Körperwendungen, an ihrer Mimik, die oft von der glühendsten Leidenschaft in die anmutigste Schalkhaftigkeit überging, erst als sie aufhörte sich rhythmisch zu bewegen, war der Bann gebrochen, und ›der Spektakel ging wieder los‹, wie mein Onkel trocken bemerkte. Aber ich ging ganz verzückt nach Hause.«

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       Auch der Drucker des Theaterzettels hatte nur noch Augen für die sexy Lola und machte aus dem »verwunschenen« einen »verschwunschenen« Prinz.

      Weniger verzückt waren dagegen die Münchner Zeitungen, so schrieb der »Bayerische Volksfreund«: » Der uns gebotene sogenannte Fandango aber näherte sich nur in ein paar frivolen, um nicht zu sagen indezenten Figuren oder Berührungen dem wirklichen Fandango und konnte keinen großen Eindruck auf uns machen. Beifall und Missfallen kämpften gegeneinander, ohne dass sich der Sieg entschieden auf eine Seite geneigt hätte«. In Kollegenkreisen dagegen war sie ganz durchgefallen, wie der Tänzer Michael Laroche schrieb: »Lola Montez, eine spanische Tänzerin so schlecht, wie es keine zweite gibt, betrat unsere Bühne zweimal und wurde ausgezischt und gerufen. Sie trat von der Bühne ab, um im Privatleben eine Rolle zu spielen, von der ganz Bayern spricht.«

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       Drei Tage nach ihrer Audienz bei König Ludwig I. in der Residenz (links) hüpfte Lola »wie ein Känguru« über die Bühne des Königlichen Hoftheaters Die heutige Maximilianstraße rechts neben der Oper wurde erst nach Ludwigs Abdankung von seinem Sohn König Max II. angelegt.

      Am 14. Oktober 1846 trat Lola zum zweiten und letzten Mal im Hoftheater auf. Sie tanzte nach dem Lustspiel »Der Weiberfeind von Venedig« die Cachucha und im Zwischenakt des Schwanks »Müller und Miller« den Fandango. Für den Fall, dass es nicht genügend Applaus geben könnte, hatte sie vorsichtshalber eine Gruppe von Studenten als Claqueure organisiert, unter denen auch Leo von Klenzes Sohn Hippolyt war. Vater Leo von Klenze notierte: »Die Tänzerin hatte einige junge Leute, welche sie aus Paris kannte, aufgefordert, ihr bei ihrem ersten Auftreten eine Ovation zu bereiten, zu klatschen, Herauszurufen und Kränze zu werfen. Diese hatten die Mission angenommen und 8–10 ihrer Freunde – alles ehrenhafte junge Leute aus den ersten Familien – so wie auch meinen Sohn aufgefordert, dazu mitzuwirken, welches auch angenommen wurde, indem man beschloss, sie nach der Vorstellung zu einem Souper einzuladen. Die Vorstellung fand statt; die jungen Ritter taten, was sie, ohne den Anstand zu verletzen, konnten; aber das Publikum entschied gegen sie, und bei den wahrhaft kängeruartigen Sprüngen der Schönen hatten namentlich die, welche übernommen hatten, die erbetenen Kränze zu werfen, nicht den Mut, dieses gegenüber der Ungunst des ganzen Publikums ins Werk zu setzen. Das Einzige, was bei diesem ersten Tanzversuche auffiel, waren die lasziven Hurenblicke, welche die Tänzerin ununterbrochen und mit der größten Affektation auf den König warf, welcher in