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Zentrale Aspekte der Alten Kirchengeschichte


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Rom und Italien (vgl. die Karte von Abb. 5)

      Wer als Erster die Frohe Botschaft nach Rom brachte, ist nicht bekannt. Sein Name wird durch die glanzvollen Gestalten der Apostel Petrus und Paulus überdeckt. Diese begeben sich zwar erst später nach Rom und sind sicher nicht Gründer der römischen Gemeinde, doch hütet die Kirche von Rom ihre Gräber als kostbaren Schatz. Offensichtlich ist die schon im ausgehenden 1. Jahrhundert beobachtbare Hochschätzung der römischen Gemeinde (vgl. 1 Clem.) untrennbar mit der dortigen Petrus- und Paulustradition verknüpft bzw. mit dem Besitz der beiden Apostelgräber. Denn die Wertschätzung und die erstrangige Bedeutung der beiden Apostelfürsten für die neutestamentliche Überlieferung überträgt sich nach Schatz „in schwer faßbarer Weise auf die römische Gemeinde“17. Auch aus diesem Grund bildet der Glaube der Römer den Maßstab, an dem man sich im Rahmen der seit der Mitte des 2. Jahrhunderts aufkommenden Unterscheidung zwischen Orthodoxie und Häresie orientiert. So gehen wahrscheinlich sowohl das Apostolische Glaubensbekenntnis als auch der Rekurs auf die apostolische Nachfolge der Bischöfe, die Idee der so genannten successio apostolica, auf römischen Brauch zurück. Diesem hohen Ansehen entspricht auf römischer Seite eine besondere geschwisterliche Verantwortung und Mitsorge für andere Kirchen, wie sie schon Bischof Dionys von Korinth um 170 bezeugt. Im Rahmen der römischen Synode des Jahres 251/53 teilt Bischof Cornelius von Rom einem Briefadressaten schließlich mit, dass zu seiner Zeit in Italien mehr als 100 von Bischöfen geleitete Gemeinden existieren. Die italienische Kirchenorganisation befindet sich damals also bereits in einem beachtlichen Ausbaustadium.

      HOFMANN, Antike und Christentum (wie S. 15) 78-84 (mit Quellen und Literatur).

      1.6 Soziologische, politische, kulturelle und religiöse Gegebenheiten für

      die Mission: günstige und ungünstige Bedingungen

      Natürlich spielen die gesellschaftlichen Verhältnisse auch in den ersten Jahrhunderten der Kirche eine bedeutende Rolle. In der Regel sind die Menschen der hellenistischen Welt in eine stabile Großfamilie eingebunden, die vom Hausvater (pater familias), d.h. vom ranghöchsten männlichen Familienmitglied, geleitet wird. Dieser Familie (familia) gehört allerdings nicht nur die gesamte Verwandtschaft des Hausvaters an, also seine Gattin und seine Kinder, sondern auch die Sklavinnen und Sklaven sowie die Freigelassenen seines Hauses (oikos oder domus). Auf dieser Basis besitzt eine bedeutende Familie nicht selten Hunderte von Mitgliedern. Aufgrund eines starken hierarchischen Gefälles vom Hausvater abwärts werden dem einzelnen Familienmitglied Entscheidungen sozialer und religiöser Art weitgehend von der obersten Instanz, vom pater familias, abgenommen. Individuelle Entscheidungen sind unter diesen Umständen kaum möglich und kommen daher nur äußerst selten vor. Für die christliche Mission bringt diese Sozialstruktur Konsequenzen mit sich. Entweder gelingt es den Missionaren, was im Neuen Testament und auch später wiederholt berichtet wird, dass ein Hausvater „zum Glauben kam mit seinem ganzen Haus“ (Apg 18,8). In diesem Fall trifft das Familienoberhaupt die Glaubensentscheidung nicht nur für sich, sondern auch für seine sämtlichen Angehörigen, Freigelassenen und Sklaven. Die Christianisierung vollzieht sich hier also schlagartig innerhalb einer Generation (vgl. 1 Kor 1,16; Apg 11,14; 16,15.31-33). Freilich gilt diese Missionsphänomenologie besonders für jüdische Häuser.

      In heidnischen Häusern kommen dagegen häufiger Einzelkonversionen vor, etwa, dass zuerst einige Frauen und Kinder für den christlichen Glauben gewonnen werden, oder dass die Sklaven Christen werden, oder dass das Haus sukzessive, bisweilen allerdings nur unvollständig, christianisiert wird. Hier erweist sich der antike Familienverband als eine Missionsbarriere, da der Einzelne erhebliche Hindernisse zu überwinden hat, wenn er aus diesem Verband ausscheren möchte. Viele frühchristliche Schriften schildern daher eindringlich, welche Schwierigkeiten christliche Ehefrauen seitens ihrer heidnischen Gatten, gläubige Söhne und Töchter von ihren ungläubigen Vätern und Sklaven von ihren Herren zu erwarten haben. Trotzdem gibt es auch unter den Heiden Familienbekehrungen (vgl. Irenäus von Lyon bei Eusebius von Cäsarea, h. e. 5,21,1; Clemens von Alexandrien, str. 6,167,3). Wie Aristides Mitte des 2. Jahrhunderts bezeugt (apol. 15,6), dürfen Sklaven allerdings nicht zum Übertritt gezwungen werden. Ganz gegen den zeitgenössischen Brauch macht sich hier also ein kostbares Element katholischer Glaubensüberzeugung bemerkbar: die Unantastbarkeit des individuellen Gewissens.

      Wie schon erwähnt, kommt das Christentum besonders bei heidnischen Frauen sehr gut an. Oft findet es gerade durch Frauen einen ersten Zugang in die oberen Gesellschaftsschichten. Das ist kein Zufall. Denn die Christen bekennen sich, im Unterschied zur paganen Welt, zur Gleichheit von Mann und Frau. Schon in einer urchristlichen Schrift steht außerdem die Weisung, dass ein Ehemann seine Frau mit der gleichen Liebe und Rücksicht behandeln soll, wie Christus seine Kirche (vgl. Eph 5,25). Ebenso bietet die christliche Lehre von der Heiligkeit der Ehe verheirateten Frauen einen wirksamen Schutz. Aber auch die christliche Sexualethik unterscheidet sich von den Normen der heidnischen Gesellschaft, da sie eheliche Untreue beim Mann als einen nicht geringeren Vertrauensbruch betrachtet als bei der Frau. Die Lehre des Apostels Paulus, dass es in Christus nicht Mann noch Frau gibt (Gal 3,28), ist freilich nicht als ein Programm der politischen Emanzipation der Frau zu verstehen. Andererseits durchbricht das Christentum – gerade im Hinblick auf das Verhältnis von Mann und Frau – radikaler als jede andere antike Religion die gängigen sozialen Vorstellungen und Ordnungen und fördert den Gedanken der persönlichen moralischen Entscheidung und Verantwortung in ganz außergewöhnlicher Weise.

      Wie aber verhält sich eine Christin oder ein Christ in einer noch nicht völlig christianisierten Familie? Bei der Abgrenzung vom paganen Kult ist man im antiken oikos zu Kompromissen genötigt. Selbst der strenge Tertullian vertritt die Meinung, dass ein Christ bei heidnischen Familienfeierlichkeiten anwesend sein dürfe, wenn er dabei auch heidnische Opferhandlungen zu unterlassen habe. Tatsächlich ist das Leben einer heidnischen Familie so stark von heidnischen Riten geprägt, dass ein Christ – will er ihnen entgehen – alle familiären und verwandtschaftlichen Bande zerreißen müsste. Gerade das hält die Alte Kirche aber nicht für wünschenswert. Vielmehr muss der Christ in seinen alten Lebenszusammenhängen verbleiben, wenn er sie umgestalten und missionieren will. Dieser Haltung dürfte es unter anderem auch zu verdanken sein, dass die heidnische römische Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert so schnell christianisiert wird. Denn einzelne Christen und christliche Familienverbände sind es vor allem, die durch ihre Attraktivität den Prozess der Christianisierung erfolgreich unterstützen.

      Eine sehr intensive missionarische Wirkung scheint auch die praktische Liebestätigkeit der frühen Christen zu erzielen. Die heidnische Äußerung „Seht, wie sie [die Christen] sich untereinander lieben“ (apol. 39,7), die Tertullian für das späte 2. Jahrhundert bezeugt, ist keineswegs ironisch gemeint. Die christliche Nächstenliebe, die auch heidnischen Kreisen nicht verborgen bleibt, äußert sich beispielsweise in der bisweilen recht gut organisierten Fürsorge für Arme, Witwen und Waisen, in Besuchen der Mitchristen im Gefängnis oder bei denen, die zu Zwangsarbeit in den Bergwerken verurteilt sind, ferner in sozialen Hilfsaktionen in Katastrophenzeiten, bei Hungersnot, Erdbeben, Seuche oder Krieg. Ein besonderer Dienst, den die Gemeinden armen Mitgliedern leisten, besteht ferner in der Sorge um ihr Begräbnis. Zu diesem Zweck erwerben etwa die Gemeinden von Rom und Karthago bereits Ende des 2. Jahrhunderts Begräbnisplätze für ihre Mitglieder. Einer der ältesten liegt übrigens südlich von Rom an der Via Appia an einem Platz namens Ad Catacumbas. Nach ihm führen diese in Form von unterirdischen Gängen angelegten Friedhöfe bis auf den heutigen Tag den Namen Katakomben (vgl. Abb. 7). Daneben spielt die Gastfreundschaft eine wichtige Rolle. Ein Christ muss sich lediglich als Bruder ausweisen, dann kann er in der Fremde bei seinen Mitchristen mit einer Unterkunft rechnen.