Группа авторов

Zentrale Aspekte der Alten Kirchengeschichte


Скачать книгу

Überzeugung der ersten Christen, dass sich im Glauben an Jesus Christus für jeden Menschen das alleinige Heil eröffne, bildet die Basis und den Motor der ersten christlichen Missionswelle. Dabei steht die frühe Kirche aufgrund ihrer Erwartung der baldigen Wiederkunft Christi unter dem Druck, dass ihr für die vollständige Verbreitung des Evangeliums die Zeit zu kurz werden könne (vgl. Mt 10,23), oder dass die Weltmission eben deshalb möglichst schnell abgeschlossen werden müsse, weil erst dann das Ende kommen könne (vgl. Mt 24,14). Von solchen und ähnlichen Naherwartungen her erklärt sich der enorme Ausbreitungsdrang der frühen Kirche. In diesem Licht wird aber auch ihr außerordentliches Sendungsbewusstsein und der erstaunliche Erfolg ihrer Mission verständlich. Denn es steht fest: Die frühchristlichen Schriften bezeugen nicht nur eine theoretisch angezielte weltweite Ausbreitung des Christentums (vgl. z.B. Röm 10,18; Mt 28,19; Offb 7,9); vielmehr verwirklichen die frühchristlichen Missionare diese Zielsetzung in einem religionsgeschichtlich einmaligen Ausmaß. Die Anfänge dieser Ausbreitung lassen sich historisch am stetigen Wachstum der palästinischen Gemeinden festmachen. Freilich sollte man die dazu gemachten hohen Zahlenangaben der Apostelgeschichte (vgl. z.B. Apg 2,41; 4,4) nicht zu wörtlich nehmen, sondern als symbolische Aussagen angemessen interpretieren.

      Förderlich für die Verbreitung der christlichen Lehre wirkt sich auch die im Stephanus-Martyrium greifbare Vertreibung der christlichen Hellenisten aus Jerusalem aus.12 Träger dieser die Grenzen Palästinas überschreitenden Mission der ersten Christengeneration sind Persönlichkeiten wie Philippus, Barnabas und Paulus. Doch ist mit vielen weiteren Missionaren der ersten Stunde zu rechnen, deren Namen nicht überliefert sind.

      Die schnelle Ausbreitung der Kirche dokumentieren jene Orte, in denen sich erste christliche Gemeinden bilden. Tatsächlich existieren bereits Ende des 1. Jahrhunderts an die sechzig entsprechende Städte oder Landschaften. So bezeugen die neutestamentlichen Schriften christliche Gemeinden in Palästina, Syrien, Zypern, Kleinasien, Mazedonien und Kreta. In Italien kommen Puteoli (Apg 28,13f.) und Rom hinzu. Markus erwähnt Cyrene in der Pentapolis (Mk 15,21) und Paulus plant schließlich eine Spanien-Mission (Röm 15,24.28). Im 2. Jahrhundert gibt es Nachrichten über weitere Gemeinden in Griechenland, Kleinasien, Syrien und weiter östlich in Edessa und Mesopotamien, im Westen ergänzt durch Überlieferungen über Gemeinden in Dalmatien, Illyrien, Süditalien, Germanien, Gallien und Spanien. Schließlich fügen sich in dieser Ära im Süden noch Gemeinden im westlichen Nordafrika und in Ägypten zum Orbis Christianus (vgl. Abb. 5).

      Da diese Gemeinden in den meisten Orten allerdings sehr klein gewesen sein dürften, sollte man die damalige Zahl der Christen nicht überschätzen. Sie bleiben bis zum 4. Jahrhundert eine zum Teil verschwindende Minderheit. Tertullian († nach 220) spricht allerdings von vielen Tausenden von christlichen Frauen und Männern, die sich vor dem Tribunal eines heidnischen Prokonsuls hätten versammeln können, und er behauptet gar:

Image

      Doch dürfte es sich bei dieser Behauptung um eine rhetorische Übertreibung handeln, die lediglich mit Nachdruck klarstellen will, dass inzwischen in allen Städten und an allen Orten Christen anzutreffen sind. Origenes († um 253) gibt sich wenige Jahrzehnte später in seinen diesbezüglichen Äußerungen wesentlich bescheidener. Ein für unsere Fragestellung repräsentatives Beispiel liegt aber vielleicht in der pontischen Provinzhauptstadt Neocäsarea vor. Als Gregor der Wundertäter dort um 240 sein Bischofsamt antrat, sollen in der Stadt und ihrer Umgebung nur siebzehn Christen gelebt haben; nach seinem Tod konnten alle Bewohner dieser Gegend als Christen bezeichnet werden. Natürlich sollte man diese Angaben nicht zu wörtlich nehmen. Aber wahrscheinlich spiegeln sie doch zweierlei überlokale Gegebenheiten wieder: einerseits die Mitte des 3. Jahrhunderts noch recht geringe Zahl der Christen und andererseits ihr Anwachsen im ausgehenden 3. Jahrhundert. Dassmann bleibt freilich vorsichtig. „Statistische Angaben über die Zahl der Christen [… in altkirchlicher Zeit] machen zu wollen, ist nicht nur schwierig, sondern schier

      Abb. 5 Die christlichen Gemeinden im zweiten Jahrhundert.

      unmöglich. [… Selbst] relative Zahlen lassen sich auf das ganze Imperium bezogen nur schwer angeben und schwanken entsprechend für die diokletianische Zeit [, also für das ausgehende 3. Jahrhundert,] zwischen fünf und zwanzig Prozent der Gesamtbevölkerung.“13 Die entscheidende Expansion des Christentums dürfte daher erst nach Kaiser Konstantin (306-337) erfolgt sein. Bis dahin bilden die Christen eine Minderheit, wenn ihr Einfluss in der römischen Gesellschaft auch wesentlich größer ist, als ihre Zahl. Denn ansonsten könnte man sich die feindlichen Maßnahmen des Staats und die im ausgehenden 2. Jahrhundert einsetzende Kritik der heidnischen Philosophen nicht erklären. Nicht nur die Christen, sondern auch ihre Gegner betrachten die Kirche offensichtlich als eine aufstrebende und dynamisch wachsende religiöse Gemeinschaft.

      HOFMANN, Johannes, Antike und Christentum – eine fruchtbare Begegnung an der Wiege Europas, in: KRIMM, Stefan / SACHSE, Martin (Hg.), Wenn Kulturen aufeinandertreffen – europäische Begegnungen in Vergangenheit und Gegenwart (= Acta Hohenschwangau 2007) München 2008, 74-95; hier 74-77 (mit Quellen und Literatur).

      1.5 Die Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten

      Nach dieser allgemeinen Skizze stellt sich die Frage nach der frühchristlichen Expansion in den einzelnen Regionen und Zentren der damaligen Welt. Denn sowohl im Ausmaß als auch im Tempo der Glaubensverbreitung zeichnen sich in den verschiedenen Gebieten des Römischen Reichs jeweils recht unterschiedliche Verhältnisse ab.

      1.5.1 Palästina und Syrien (vgl. die Karte von Abb. 5)

      Nachdem die christlichen Hellenisten schon zur Zeit des Stephanusmartyriums aus Jerusalem vertrieben wurden, müssen um 66/67 auch die christlichen Hebräer unter jüdischem Druck kurzfristig nach Pella bzw. ins Ostjordanland ausweichen.14 Von dort aus missionieren diese noch stark dem mosaischen Gesetz verpflichteten Christen das syrisch-arabische Gebiet zwischen dem Ostufer des Toten Meers und Beröa, einer Region östlich von Antiochien und Damaskus. Wahrscheinlich ziehen sie sich auch deshalb nach Pella zurück, weil sie neben Jerusalem vor allem in Galiläa verwurzelt sind, in der Heimat der Familie Jesu, die an der nach Nordosten ausgreifenden Mission maßgeblich beteiligt ist. Auch nach dem Tod des Herrenbruders Jakobus leitet mit Simon ben Klopas ein Vetter Jesu die Jerusalemer Gemeinde, wie überhaupt die Verwandten des Herrn, wie sie in den Quellen heißen, von Nazaret und Kochaba aus missionieren. So kann z.B. die noch vor dem Stephanusmord erfolgte Gründung der Gemeinde von Damaskus nur von Galiläa aus erfolgt sein, wie auch die östlich des Jordan gelegene Dekapolis altes judenchristliches Missionsgebiet gewesen sein dürfte.

      Im benachbarten Syrien blühen schon sehr bald die Gemeinden von Damaskus, Tyrus und Sidon auf, während sich das syrische Antiochien aufgrund seiner Größe und aufgrund des kurzfristigen Wirkens des Apostels Petrus und des Märtyrerbischofs Ignatius († um 110) schon früh eines höheren Ansehens erfreut. Bereits im Laufe des 2. Jahrhunderts können dort Mitglieder der heidnischen Oberschicht für das Christentum gewonnen werden. Mitte des 3. Jahrhunderts macht sich der hohe kirchliche Rang dieser Metropole deutlich bemerkbar, denn dort versammeln sich um 251/53 unter dem Vorsitz des Bischofs Demetrianus von Antiochien eine Reihe von bedeutenden kleinasiatischen Bischöfen zu einer Synode.

      Ein wichtiges Missionszentrum stellt auch das ostsyrische Edessa dar. Die Legende, dass der dortige König Abgar mit Jesus