Marius Stelzer

Diversity-Management als Dimension kirchlicher Personalentwicklung


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      Es ist zu konstatieren, dass die derzeitigen Modelle kirchlicher Gemeinden mit hoher Wahrscheinlichkeit eine hohe Anziehungskraft auf religiös-gläubige junge Frauen und Männer ausüben. Diese Gruppe des kirchlichen Mainstreams befindet sich gesamtgesellschaftlich jedoch in der Minderheit. Es besteht die Gefahr, dass die Reproduktion konventioneller kirchlicher Vollzugs- und Vergemeinschaftungsformen (Stichwort: Pfarrfamilie) ungefiltert weiterlaufen wird. Vor dem Hintergrund des Forschungstitels „Diversity Management als Dimension kirchlicher Personalentwicklung“ muss hier in besonderer Weise interveniert bzw. investiert werden.

      Daher muss genau betrachtet werden, wie die Muster der beruflichen Motivation in der Zielgruppe aussehen, auf welche Leitidee junge Frauen und Männer Seelsorgende werden möchten.

      Ein Kennzeichen gegenwärtiger Hauskulturen in den Ausbildungsstätten ist ein Rollen- und Beziehungssystem, das autoritative und hierarchische Merkmale aufweist. Subkutan haben wir es in vielen Fällen mit infantilisierten Bildungsund Erziehungsmustern zu tun, die sich in entsprechenden Interaktionen aller Akteure (Studierende, Hausleitung, usw.) niederschlagen. Mit Blick auf die Entwicklungsaufgaben junger Männer und Frauen müssen die Hauskulturen sich von den überkommenen, nachtridentinischen Mustern seelsorglicher Ausbildung verabschieden und sich zum Ziel setzen, autonome, freie und reife Persönlichkeiten zu erziehen.

      Es ist unerlässlich, im Rahmen der gesamten derzeitigen Ausbildung das Thema der Persönlichkeitsentwicklung und der menschlichen Reife sehr genau und kontinuierlich in den Blick zu nehmen. Die Ausbildungshäuser dürfen nicht Komfortzonen mit einem sehr komfortablen, bekömmlichen Ausbildungssetting sein. Dies gilt auch für studienbegleitende kirchliche Institutionen (Studierendengemeinden, Kollegs, Wohnheime). Ausbildungsinstitutionen bieten ein höchst produktives Reizklima als Lern –und Reifungsklima an.

      Der gesamte Ausbildungsbereich der Persönlichkeitsentwicklung nimmt daher die Vitalitätsthemen menschlicher Entwicklung in den Blick. Aus unserer Erfahrung speilen hier Leitung, Macht, Spiritualität, Sexualität, Sein und Haben in der gesamten Interaktionsbreite eine fundamentale Rolle. Dazu zählt auch der konstruktive und produktive Umgange mit Homosexualität. Die konstruktive Bearbeitung dieser Themen ist in der Phase der Postadoleszenz nicht nur unvermeidlich, sondern mit Blick auf die gesunde und ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung mit dem Ziel einer umfassenden psychosozialen Beziehungsfähigkeit unerlässlich. Diese Themen dürfen weder spiritualisiert noch marginalisiert werden noch andere Themen zum Oper fallen. Das heißt genau: diese Themen sind nur bedingt im Forum internum zu bearbeiten, sondern haben ihren sinnvollen Ort im Forum externum; auch in entsprechenden Studienfächern. Es geht um die zentrale Frage der individuellen psychosozialen Befähigung zum pastoralen Dienst, der in vielfacher Hinsicht Beziehungsarbeit ist.

      Die einzelnen Etappenwechsel im Rahmen pastoraler Ausbildung müssen formal (Studienabschlüsse, Prüfungsleistungen usw.) und informell (Übergänge, Ortswechsel) deutlich stärker als mögliche Exit-Punkte markiert werden. Dazu gehört entsprechende Gesprächsbegleitung bzw. ein Mentorat/Coaching durch Fachkräfte, um von beiden Seiten zu entsprechenden Zeitpunkten eine Exit-Strategie zu entwickeln.

      Die gesamte Berufungspastoral darf sich nicht ausschließlich auf den Komfortbereich der ohnehin Berufenen verlassen, um hier zukünftig Mitarbeitende zu gewinnen. Der Berufungsbegriff – auch der Berufungsbegriff in der Nachfolge Jesu – muss auf Postmodernität hin variiert und optimiert werden, um das Potenzial der Zielgruppe in der Phase der biografischen Offenheit zu entdecken. Hier muss Berufungspastoral intelligent kampagnenfähig werden. Die gegenwärtigen Ansätze eines freiwilligen sozialen Jahres in der Seelsorge sind begrüßenswert, jedoch ist auch hier genau zu schauen, auf welche Leitidee von Kirche-Sein dieses FSJ inhaltlich, formal (Einsatzbereich) und hinsichtlich der Begleitung junger Frauen und Männer abzielt. Gleiches gilt für die Ausrichtung studentischer Wohnheime in kirchlicher Trägerschaft.

      Das Pastoralbild muss zudem vielfach dekliniert werden, um Seelsorge auch für diejenigen als attraktives Arbeitsfeld anzubieten, die nicht im kirchlichen Mainstream der „Religiös-Gläubigen“ befinden. Hierzu wurden schon im Pilotbericht Hinweise auf den unlängst fälligen Kulturwandel einer diversen, diakonischen Sozialgestalt kirchlicher Orte und Gelegenheiten gegeben. Ein Paradigmenwechsel in der gesamten pastoralen Strategie im deutschsprachigen Katholizismus ist unabdingbar und muss von Kirchenleitung wie –basis gewollt sein und gefördert werden.

      Literatur

      Crottogini, J., Werden und Krise des Priesterberufes. Eine psychologischpädagogische Untersuchung über den Priesternachwuchs in verschiedenen Ländern Europas, Einsiedeln 1955.

      Feeser-Lichterfeld, U., Berufung. Eine praktisch-theologische Studie zu Revitalisierung einer pastoralen Grunddimension, Münster 2004 (Theologie und Praxis 26).

      Oerter, R., Montada, L. (Hgg.), Entwicklungspsychologie. Ein Lehrbuch. Weinheim 1998 (4. Auflage).

      Pollack, D., Müller, P., Religionsmonitor, Religiosität und Zusammenhalt in Deutschland, Bielefeld 2013.

      Schmidtchen, G. Umfrage unter Priesteramtskandidaten. Forschungsbericht des Instituts für Demoskopie Allensbach über eine im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz durchgeführten Erhebung, Freiburg i.Br. 1975.

      Zulehner, P.M., Priester im Modernisierungsstress. Forschungsbericht der Studie Priester 2000©, Ostfildern 2001.

      Tabellen

       Tabelle 2: Lebensstile und Religiosität (Daten: best4planning II 2014)

       Tabelle 3: Konfigurationsfrequenzanalyse: Religion und Wertedimensionen. Quelle: best4planning II 2014

      Zur Erklärung:

      Konfigurationsfrequenzanalysen (KFA): Mit Hilfe der KFA wird anhand der beobachteten (empirical cell counts) und erwarteten (expected cell counts) Zellenbelegungen (zellinternes chi2) analysiert, ob die Häufigkeit eines Merkmals in einer bestimmten Gruppe im Vergleich zu anderen Gruppen signifikant überoder unterrepräsentiert ist und damit kennzeichnend (Type/Antitype) ist oder zufällig. In der Spalte p-value ist das Signifikanzniveau ablesbar. Die auffälligen Werte sind fett gedruckt.

      Berechnet mit SPSS 23 und dem KFA-Dialog für SPSS von Hans Grüner, TU Berlin:

      * Dialog for a configural frequency analysis according to von Eye and Krauth.

      * Notes: 1. A maximum of five controls is possible.

      * 2. The dialog can deal with sampling and structural zeros.

      * Author: Hans Grüner (http://gruener.userpage.fu-berlin.de)

      * Last change: December 17, 2014.

       Tabelle 4: Soziodemografische Daten; Quelle: best4planning II 2014.

       Tabelle 5: Religiosität und Geschlecht im ALLBUS: Maße der zentralen Tendenz. Quelle: GESIS- Datenarchiv, ALLBUS 2012 (Studiennummer 4614).

      1 Crottogini, J., Werden und Krise des Priesterberufes. Eine psychologisch-pädagogische Untersuchung über den Priesternachwuchs