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Lebensbilder aus dem Bistum Mainz


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betrachtete er als wesentlichen Bestandteil des Gottesdienstes und sah ihren Platz unmittelbar im Anschluss an das Evangelium. Lüft lieferte eine Einleitung und eine Gliederung der Liturgik und leistete dabei Pionierarbeit. Wie schon in Gießen nannte er als Zweck des Gottesdienstes die Anbetung Gottes, die Erhaltung des christlichen Glaubens und Lebens und die Vereinigung mit Gott. Seine Konzeption erhob die Liturgik zweifellos zum Rang einer theologischen Disziplin im universitären Rahmen61.

      Als 1844 der erste Band der Liturgik erschien, bezeichnete ihn Karl Josef Hefele (1809–1893) als entschieden das Beste, was im Fache dieser Disziplin bisher in Deutschland geschrieben worden ist62; Hefele freute sich, dass die praktische Theologie nicht länger der Tummelplatz der Unwissenschaftlichkeit und des Dünkels sein sollte63. Die „Liturgik“ bestimmte die Universität Prag, Lüft anlässlich ihrer fünfhundertjährigen Stiftungsfeier zum Ehrendoktor zu promovieren. Lüfts wissenschaftliche Reputation führte auch dazu, dass er des öfteren für eine Professur in Aussicht genommen wurde. Die Tübinger Fakultät verzichtete auf eine Anfrage wegen der Nachfolge Johann Baptist Hirschers (1788–1865) nur, weil man wusste, Lüft werde in Darmstadt bleiben.

      Seine Werke wirken fort: Johann Baptist Lüft als Pfarrer von Darmstadt

      Trotz allen Engagements in Forschung und Lehre hatte sich Lüft in Gießen nicht heimisch gefühlt. Bereits nach den ersten Semesterferien, die er in Mainz verbringen konnte, klärte er Bischof Burg darüber auf, dass es ihm in Gießen wenigstens in der ersten Zeit nicht sonderlich gefiel. Nach seiner Rückkehr brauchte er wieder einige Wochen, um sich in Gießen einzugewöhnen, wo das geistig-gemütliche Element so wenig Nahrung hat. Seine Schwierigkeiten führte Lüft auf seine psychische Struktur zurück: Ich glaube überhaupt, dass bei mir der Verstand seinen Sitz im Herzen hat.64 Als sich 1835 die Gelegenheit bot, Gießen zu verlassen, nutzte er sie. Bis zu seinem Tod wirkte er als Oberschulrat, Pfarrer und Dekan in Darmstadt. Die Pfarrchronik ermöglicht es, die wesentlichen Stationen von Lüfts Wirken zu rekonstruieren.

      Eine wesentliche Rolle spielten dabei Unternehmungen, die zu einer besseren Ausstattung der Pfarrkirche St. Ludwig führen sollten. Für den Einbau eines Chores gelang es Lüft, finanzielle Hilfen durch das großherzogliche Haus zu erlangen. Als Anhänger von Neoromanik und -gotik konnte er dem klassizistischen Bau aber wenig abgewinnen und meinte, das Gebäude mache zwar einen schönen und großen, aber keinen frommen und kirchlichen Eindruck, und das fromme Gefühl ist durch die Bauweise beeinträchtigt65.

      Schon zu Beginn seiner Amtszeit (1837) erreichte Lüft, dass ein katholisches Schulhaus errichtet wurde, und erhielt die Erlaubnis, an den höheren Schulen der Stadt katholischen Religionsunterricht zu erteilen. 1845 gelang die Gründung eines Kirchengesangvereins, 1854 folgte eine „Katholische höhere Töchterschule“. 1840 wurde die Fronleichnamsprozession eingeführt, die freilich auf den Kirchenraum von St. Ludwig beschränkt blieb; noch 1858 scheiterte der Versuch, sie ins Freie zu verlegen. Auf die Initiative Lüfts ging auch die 1859 erfolgte Berufung der Niederbronner Schwestern zurück. Zunächst gab es große Widerstände gegen die Errichtung eines Klosters im evangelisch geprägten Darmstadt. Aber bald erwarben sich die Schwestern allgemeine Sympathien. Sie wirkten in der ambulanten Krankenpflege und der Armenbetreuung, gründeten eine Handarbeitsschule und erlangten schon 1862 die Korporationsrechte. Im Zusammenwirken mit Großherzogin Mathilde (1813–1862), die in diesem Jahr starb und in ihrem Todesleiden von den Schwestern gepflegt wurde, war Lüft die rasche Integration der klösterlichen Gemeinde in das Darmstädter Gemeinwesen gelungen.

      Schon zuvor hatte sich Lüft dem katholischen Vereinswesen angenommen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es einen Kirchenchor zu etablieren, 1857 folgten der katholische Gesellenverein und ein Paramentenverein, im folgenden Jahr der Armenverein, aus dem 1864 der Elisabethenverein hervorging. Bruderschaften wurden gegründet, ein christlicher Mütterverein ebenso.

      Für die mehrheitlich evangelische Landeshauptstadt war Lüft der richtige Mann. In einer anonymen Schrift aus dem Jahr 1839 bekannte er: Es ist meine Sache nicht und nie gewesen, Unduldsamkeit zu nähren und eine polemische Stellung dem Protestantismus gegenüber einzunehmen. Das friedliche Verhältnis unter den Bekennern beider Konfessionen des Großherzogtums war ihm ein Anliegen. In seinen veröffentlichten Predigten werden kontroverstheologische Fragen nicht berührt. Doch sah er sich herausgefordert, eine notgedrungene Ehrenrettung des katholischem Glaubens vorzunehmen66, nachdem der Darmstädter Hofprediger Karl Zimmermann (1803–1877) in einer Predigt zum Reformationsfest der katholischen Kirche Geistes- und Gewissenszwang, mönchischen Aberglauben, Beladung mit äußerem Werk und drückenden Formen vorgeworfen hatte67. Lüft fand es unerträglich, dass die Kirche vor dem Fürstenhaus herabgewürdigt, gelästert wurde68. Auch die Kritik, die zu gleicher Zeit im „Frankfurter Journal“ an seinem Gießener Nachfolger Kaspar Riffel geübt wurde, wies Lüft zurück69 und beklagte Jesuitenriecherei und Verdächtigungssucht70. Demgegenüber habe sich die katholische Geistlichkeit zu Darmstadt […] stets durch hohe Duldsamkeit wahrhaft ausgezeichnet71. Vorbehaltlos würden die Darmstädter Katholiken das Engagement des Großherzogs für sie anerkennen, besonders bei dem Baue ihrer freilich völlig mißlungenen Kirche72. Solche Spitzen und seine herausgehobene Stellung zwangen Lüft, in der Anonymität zu bleiben; für den religiösen Frieden, das Hauptanliegen der Schrift, ist er allerdings stets offen eingetreten.

      Das musste Lüft auch 1845 erfahren, als die deutschkatholische Bewegung in Darmstadt Fuß zu fassen suchte und dabei von der evangelischen Hof- und Stadtgeistlichkeit unterstützt wurde. Lüft bemühte sich, die Katholisch-Theologische Fakultät Gießen für die geistige Auseinandersetzung mit dem Deutschkatholizismus zu gewinnen und trat selbst in mehreren Predigten gegen den Deutschkatholizismus auf: Indem sie der Gemeinde die Entscheidungsvollmacht über die Glaubenslehre anvertrauten und die Autorität der Heiligen Schrift der Vernunft, gar dem Zeitbewußtsein unterwarfen, machten die Deutschkatholiken die jedesmalige Meinungsansicht der Menschen zu ihrem obersten Prinzip: Es kann jeder zu jeder Zeit glauben, was er will. An die Stelle der Göttlichkeit der Religion tritt die Mode der Zeit. Man hat das Christentum, die Offenbarung, die Religion in ihrem Fundamente angegriffen, abgeleugnet und vernichtet und die Menschen so des Leitsterns beraubt, der allein sicher durchs Leben zu führen vermag. Denn die göttliche Offenbarung muss dem Menschen zu Hilfe kommen und den Funken entzünden, die Gottesbeziehung ermöglichen, die die Grundlage allen menschlichen Lebens ist. Die Neuerer aber haben die schwankende, unsichere Meinung der Zeit über die Religion gestellt und den Menschen ermächtigt, die Religion sich und der Zeit anzupassen.73 Die Offenbarungsfeindlichkeit der Deutschkatholiken liegt für Lüft auf der Hand, umso betroffener macht ihn die Unterstützung, die ihnen von protestantischer Seite zuteilwurde und die die Feier eines öffentlichen Gottesdienstes ermöglichte. Lüft sieht darin eine Kränkung der Katholiken, eine öffentliche Verletzung der Gewissensfreiheit; er mahnt seine Gemeinde, dem Glauben und der Kirche treu zu bleiben und in allen Angriffen auf Gott zu vertrauen74.

      Die politisch-religiöse Bewegung des Deutschkatholizismus blieb eine Randerscheinung, doch ließen die revolutionären Unruhen im Großherzogtum Hessen Lüft 1848 Ausschau nach dem Amt des Frankfurter Stadtpfarrers halten. Lüft teilte Linde mit, dass mir das Leben in Darmstadt und damit auch meine Stelle immer mehr zu verleiden anfängt, was ich freilich vorläufig nur Ihnen sagen darf, obschon es mir schwer fällt, das Gesicht des Überdrusses zu verbergen75. Wie viele Glieder des Establishments erschütterten ihn die revolutionären Vorgänge.

      In seiner Neujahrspredigt 1851 blickte Lüft auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück und verurteilte Krieg und Revolution, falsche Aufklärung und Weltweisheit76. Die Wendung zum Besseren schien ihm allerdings gewiss. Wir haben mit Freuden gesehen, wie ein mächtiger Zug der Gnade durch die Herzen geht, und die Religion wieder angefangen hat, innigere und zahlreichere Verehrer zu zählen. Auch das Nachlassen der konfessionellen Reibungen und Kämpfe erfüllte ihn mit Zuversicht77.

      Warf man Lüft im Mainzer Kreis auch vor, er sei allzusehr verdarmstädtert, so suchte Bischof Ketteler doch