Группа авторов

Lebensbilder aus dem Bistum Mainz


Скачать книгу

durch das Königtum, eng an das Papsttum, welches als die alleinige, über allen weltlichen Institutionen und Ansprüchen stehende religiöskirchliche Konstante galt. Dabei wurde die Abhängigkeit von der Gunst Napoleons, dem man sich für die Befriedung der Verhältnisse zu Dank verpflichtet sah, in Anbetracht alles zuvor Erlittenen akzeptiert, ließ er doch genügend Freiheit für diesen innerkirchlichen Erneuerungsprozess.

      Von diesen Erfahrungen waren die Gespräche und Beratungen im Hause Lennig bestimmt, und die Anwesenheit führender kirchlicher Persönlichkeiten in seinem Elternhaus dürfte die frühe Bindung von Adam Franz an die Kirche gefördert haben. So überrascht es auch nicht, dass er 1815 nach dem Besuch der Privatschule des Mainzer Bürgers Joseph Seitz und des französischen Lyzeums, in ein Gymnasium nach Bruchsal geschickt wurde, wo er Unterricht bei dem mit seinem Vater befreundeten ehemaligen Jesuiten Lorenz Doller erhielt. Durch ihn wurde der erst zwölfjährige Knabe bereits in das problematische Verhältnis zwischen Staat und Kirche eingeführt. Allerdings wird er selbst auch schon davon einen Eindruck gewonnen haben, als er 1813 aus nächster Nähe die völlige Verwüstung des Domes durch die Truppen Napoleons erlebte, die nach ihrer Niederlage bei Leipzig auf dem Weg nach Frankreich Mainz geradezu überfluteten. Doller hatte im Jahre 1816 eine Streitschrift herausgegeben, in der er sich gegen die in liberalen Kreisen vertretene Auffassung wandte, dass es den Fürsten des Rheinbundes freistehe, nach eigenem Ermessen Landesbischöfe einzusetzen. Er forderte die Freiheit der Kirche von staatlicher Bevormundung, da sie als Stiftung Jesu ein „unabhängiges Reich“ sei, und verlangte die unabhängige und eigenständige Organisation und Ausübung kirchlicher Amtsgewalt. Die Einsetzung von Bischöfen und Geistlichen in ihre Ämter obliege daher allein der Kirche, weshalb sie auch keine Staatsdiener seien, wie auch dem Staat kein Einfluss auf ihre Ausbildung zustehe und kein Recht auf die Zensur von Büchern zu Religionssachen.

      Diese Bestimmung des Verhältnisses von Kirche und Staat sollte prägend werden für Lennigs ganzen weiteren Lebensweg. 1817 kehrte er in Begleitung seines Lehrers Doller in sein Elternhaus zurück. Mainz war inzwischen zur Hauptstadt der Provinz Rheinhessen im Großherzogtum Hessen-Darmstadt geworden, dem Nachfolgestaat der mit Kurmainz konkurrierenden benachbarten Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Dieser Staat war auch auf Kosten des Kurstaats entstanden. Damit sah sich die katholische Einwohnerschaft der Bischofsstadt und der Gebiete der Provinz, die ehemals zum Kurstaat gehörten, nun einem Landesherrn lutherischen Bekenntnisses gegenüber und ging als Minderheit in dieses neue Staatsgebilde ein. Das Verhältnis vieler Mainzer zu ihrer Regierung war folglich keineswegs spannungsfrei, da sich das katholische Bewusstsein eines großen Teils der Bürgerschaft inzwischen wieder deutlich gefestigt hatte.

       Marktplatz in Mainz mit dem Haus Markt Nr. 9, dem sogenannten Lennighaus (2. Haus von rechts)

      In den Jahren 1818 bis 1820 besuchte Lennig nun das noch als école secondaire eingerichtete Bischöfliche Gymnasium. Dieses war als sogenanntes „Kleines Seminar“ dem Priesterseminar angegliedert, in der Erwartung, dass etliche Absolventen den Weg in das große Seminar nähmen. Dort waren seine Lehrer Nikolaus Weis, ab 1842 Bischof von Speyer, Andreas Räß, ab 1842 Bischof von Straßburg, und Heinrich Klee, der sich in Bonn von 1829 an als Professor für Dogmatik gegen Georg Hermes, den führenden Vertreter einer katholischen Aufklärung, positionierte. Nach dem Abschluss des Gymnasiums folgte Lennigs Eintritt ins Priesterseminar. Hier hörte er Vorlesungen bei Klee zur biblischen Exegese, bei Regens Liebermann zum Kirchenrecht, bei Räß zur Dogmatik und bei dem Mainzer Pfarrer Johann Philipp Kalt zur Moraltheologie. Philosophie und Geschichte zählten zum Fächerkanon des Gymnasiums. Lennigs wichtigste Lehrer gehörten somit zu der später als „Erster Mainzer Kreis“ bezeichneten Gruppe von Theologen, die bestimmt war von einer emphatischen Kirchlichkeit und Wert legte auf eine enge Ausrichtung an der Hl. Schrift sowie eine strenggläubige scholastische Theologie. Als Exponenten der antigallikanischen Richtung orientierten sie sich eng am Papsttum und teilten die von Doller vertretenen Positionen zum Verhältnis von Kirche und Staat in allen Punkten. Zur Verbreitung ihrer Ansichten gaben Räß und Weis 1821 erstmals eine religiöse Zeitschrift zur Belehrung und Warnung mit dem Titel „Der Katholik“ heraus. Zu ihren Mitarbeitern sollte in späteren Jahren auch Lennig zählen. Regens Liebermann hatte den beschriebenen und von ihm in gleicher Weise vertretenen streng kirchlichkonservativen Kurs in seinem 1819 erschienen Lehrbuch „Institutiones dogmaticae“ entfaltet. Somit war die Atmosphäre im Mainzer Priesterseminar von einer starken Gegnerschaft zum Staatskirchentum geprägt. Liebermann führte die Alumnen mit strenger Hand, wobei er sich am Vorbild des Jesuitenordens orientierte.

      Den größten Einfluss auf den jungen Lennig sollte sein Lehrer Räß ausüben, der gleichfalls häufig Gast in seinem Elternhaus war. Da Lennig 1824 nach dem Abschluss seines Studiums für die Zulassung zur Priesterweihe noch nicht das kanonisch vorgeschriebene Alter hatte, setzte er bis 1827 sein Studium in Paris fort, wohin er seinen Lehrer Räß begleitete, der inzwischen Liebermanns Nachfolger als Regens geworden war. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten fand Lennig Aufnahme im Hause des Abbé Martin de Noirlieu. In die orientalischen Sprachen Hebräisch, Syrisch und Arabisch wurde er durch Sylvester de Sarcy eingeführt. Neben seinem Sprachstudium hörte er auch theologische und philosophische Vorlesungen und kam durch Noirlieu mit Abbé Hugo Félicité Robert de Lamennais und mit dem Grafen Charles René Montalambert in Kontakt. Letzterer war ein Wortführer des französischen Katholizismus im Kampf gegen das Staatskirchentum. Inspiriert von der Romantik setzte er sich für eine Koexistenz von Kirche und Staat nach mittelalterlichem Vorbild ein.

      Starken Einfluss übte auf Lennig auch das Werk „Du Pape“ (Lyon 1819) des französischen Staatstheoretikers Joseph Marie de Maistre aus, das er bereits in der Übersetzung durch den Publizisten Moritz Lieber kannte. Lieber war ein Schwiegersohn des aus Mainz stammenden Philosophen Karl Joseph Windischmann, eines Neffen des Mainzer Weihbischofs Joseph Freiherr von Kolborn. De Maistre kritisierte Aufklärung, Volkssouveränität, Staatsvertrag- und Autonomiedenken sowie den Nationalismus. Allein der Papst galt ihm als unübertreffbare Autorität in der Auslegung der göttlichen Vorsehung. Ihm stehe somit letztlich auch die Führung der Menschen zu. Daneben wirkte Abbé de Lamennnais’ Schrift „De la religion considérée dans ses rapports avec l’ordre politique et civil“ (Paris 1825) auf Lennigs Denken. Schon im ersten Band seines Essais „Sur l’indifférence en matière de religion“ (Paris 1817), der ihn europaweit bekannt machte, übte er Kritik an dem in Reformation, Aufklärung und französischer Revolution wirkenden Individualismus. Seine Position wurde, trotz einiger innerkirchlicher Gegnerschaft, zum wichtigen Baustein des Ultramontanismus. Räß und Weis bezogen diese französische „Restaurationsphilosophie und -theologie“ in das Konzept ihrer Zeitschrift ein und verhalfen den Gedanken von Lamennais zu bestimmender Wirkung. Es lässt sich leicht nachvollziehen, welchen tiefen Eindruck die Begegnungen mit diesen Persönlichkeiten bei dem jungen Mainzer Theologiestudenten hinterlassen haben. Die ultramontane Ausrichtung seiner Vorstellung von der Kirche fand hier ihre Vertiefung und bleibende Begründung. Später wird er versuchen, dieses Konzept mit allen ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten in Anwendung auf die Verhältnisse der Mainzer Kirche zu entfalten und es in der Pastoral, in der Kirchenorganisation, im kirchlichen Schul-, Sozial- und Gesundheitswesen sowie in der Politik umzusetzen.

      Als Lennig 1827 nach Mainz zurückkehrte, war der seit dem Tod Bischof Colmars 1818 vakante Bischofsstuhl der neu umschriebenen „hessischen“ Diözese Mainz immer noch nicht besetzt. Daher trat er nun eine Reise nach Rom an, um dort zum Priester geweiht zu werden. Die vier niederen Weihen hatte er bereits 1821 nach dem Abschluss seiner theologischen Studien in Mainz empfangen. 1826 war ihm gelegentlich eines Ferienaufenthalts in seinem Elternhaus am 22. Dezember die Weihe zum Diakon durch den Trierer Weihbischof Heinrich Milz in der Koblenzer St. Castorkirche gespendet worden. Seinen Aufenthalt in Rom nutzte Lennig auch, um hier an der neu eröffneten päpstlichen Universität Gregoriana noch einige weitere Studien zu betreiben. In dieser Zeit machte er die Bekanntschaft mit Graf Karl von Reisach, dem späteren Bischof von Eichstätt, der ihm als Erzbischof von München und schließlich als römischer Kardinal eng verbunden blieb, sowie mit Georg Müller, dem späteren Bischof von Münster in Westfalen. Weiter lernte er den Kunstmaler Philipp Veit kennen und Christian Brentano, den inoffiziellen Mittelsmann für deutsche Angelegenheiten an der Kurie. Auch