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Lebensbilder aus dem Bistum Mainz


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der keine geistliche Bruderschaft, sondern ein nach weltlichem Recht organisierter Verein sein sollte und eine prioritär politische Zielsetzung verfolgte. Die Wahl des Namensgebers, des seit 1846 amtierenden Papstes Pius IX., stand für die Ausrichtung: papsttreu-ultramontan. Bei der konstituierenden Sitzung waren den ersten 24 Mitgliedern schon 300 weitere beigetreten. Lennig übernahm, unterstützt von Himioben, Riffel, seinem Neffen Christoph Moufang sowie Domkaplan Johann Baptist Heinrich, das Präsidium und hielt selbst regelmäßig Vorträge zu aktuellen Fragen. Auch mit dem neuen Verein zielte Lennig vordringlich auf einen aktiven Zusammenschluss der katholischen Bevölkerung und ihre Mobilisierung als politisch selbstbewusste Partei im sich verändernden Staats- und Gesellschaftssystem. Da der Verein sich gegen die radikaldemokratischen Forderungen stellte, die von Franz Zitz, Ludwig Bamberger und ihren Anhängern erhoben wurden, schlug ihm in der Öffentlichkeit bald auch Ablehnung entgegen. Dagegen empfahl Bischof Kaiser seinem Klerus den Pius-Verein als Einrichtung, in der Laien die Kirche durch ihr Engagement unterstützen konnten.

      Rasch zog das Mainzer Beispiel die Gründung zahlreicher gleichartiger Vereine in ganz Deutschland nach sich. Dem Mainzer Verein kam dabei die Stellung des Zentralvereins zu. Um den neu gewonnenen Organisationsgrad zu festigen, trat auf Lennigs Anregung vom 3. bis 6. Oktober 1848 in Mainz die erste Generalversammlung der Katholiken Deutschlands zusammen. Nach der Eröffnung der Zusammenkunft mit einer hl. Messe in St. Peter versammelte man sich unter Lennigs Leitung im Akademiesaal des benachbarten kurfürstlichen Schlosses. Da zur gleichen Zeit in Frankfurt auch die Nationalversammlung tagte, hatte man Delegierte des „Katholischen Klubs“, zu dem sich die etwa 60 Katholiken unter den 560 Abgeordneten am 14. Juni 1848 zusammengeschlossen hatten, zur Teilnahme an der Generalversammlung in Mainz eingeladen. Dieser Einladung waren am 4. Oktober 23 Mitglieder des Klubs gefolgt, unter ihnen auch Pfarrer Wilhelm Emmanuel von Ketteler aus Hopsten. Ort der Zusammenkunft war das Haus „Zum Römischen König“. Ketteler machte mit seinen Ausführungen über die sich zuspitzende soziale Frage erstmals in Mainz auf sich aufmerksam. Der gleichfalls unter den Abgeordneten anwesende Münchner Theologieprofessor Ignaz Döllinger berichtete über die dezidiert staatskirchlich ausgerichteten Beschlüsse des Verfassungsausschusses des Frankfurter Parlaments, die eine völlige Unterordnung der Kirche unter die Staatsgesetze vorsahen sowie die volle staatliche Schulaufsicht und das Verbot geistlicher Orden. Auf maßgebliches Betreiben Lennigs verabschiedete die Versammlung hierauf als „geistiges Parlament des katholischen Volkes“ am 5. Oktober ein Protestschreiben gegen die von der nationalliberalen Mehrheit getragenen Beschlüsse der Nationalversammlung. Diese „Verwahrung an die Frankfurter Nationalversammlung“ hatte den Erfolg, dass im Entwurf der Reichsverfassung von 1849 nur noch eine Unterordnung der Kirche unter die allgemeinen Staatsgesetze vorgesehen war und der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen der Aufsicht der Geistlichkeit unterstellt blieb.

      In Mainz wurde der Pius-Verein auch zum Impulsgeber für das kirchliche sozialkaritative Leben in den 1850er Jahren. So ging etwa der Vinzenz- und Elisabeth-Verein, dem Lennig ebenfalls angehörte, auf seine Initiative zurück, sowie die Gründung des noch heute bestehenden Vinzenz- und Elisabeth-Hospitals. Daneben unterstützte er unter Ausnutzung der politischen Umbruchsituation die Ansiedlung der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul. Diese wurden in der Krankenpflege tätig, zunächst nur in ihrem eigenen Hospital, seit 1852 außerdem im Rochusspital und seit 1854 im Invalidenhaus (heute städt. Altersheim).

      Zur Entschlossenheit, mit der Lennig die Kirche aus ihrer Lethargie gegenüber dem Staatskirchentum herauszureißen gedachte, gehört es selbstverständlich auch, die Bischöfe zu mobilisieren. Sie sollten die Gunst der Stunde nutzen und endlich aus der Vereinzelung heraustreten, in der sie gegenüber ihren zumeist protestantischen Landesherrn gefangen waren. Unter erheblichem persönlichem Einsatz drängte er daher auf die Einberufung einer Versammlung der deutschen Bischöfe. Es gelang ihm dafür den zunächst noch widerstrebenden Kölner Erzbischof Johannes von Geissel als Initiator zu gewinnen. Dieser war ihm aus gemeinsamen Mainzer Seminartagen der Jahre 1815–1818 freundschaftlich verbunden. 1842 war Geissel die Leitung des Kölner Erzbistums übertragen worden. Mit der Unterstützung durch den Limburger Bischof Blum, der Geissel ebenfalls die Notwendigkeit einer gemeinsamen Beratung des deutschen Episkopats verdeutlichte, gelang es Lennig dann doch, den entscheidenden Anstoß zur Einberufung der deutschen Bischofsversammlung durch Erzbischof von Geissel zum 21. Oktober 1848 nach Würzburg zu geben. Lennig war überzeugt, dass es dem Episkopat nach entsprechenden gemeinsamen Beratungen eines von ihm vorbereiteten Themenkatalogs, den er Geissel unterbreitet hatte, am ehesten möglich sei, durch ein untereinander abgestimmtes geschlossenes Auftreten gegenüber den Regierungen ihre uneingeschränkte Handlungsfähigkeit als Leiter ihrer Diözesen zu erlangen. Da eine schon längere Zeit andauernde Krankheit die Teilnahme Bischof Kaisers nicht mehr zuließ, wurde Lennig, der ihn nach Würzburg begleiten sollte, schließlich als Vertreter des Bischofs entsandt. Unter den 24 anwesenden Bischöfen vertrat der Erzbischof von München, Graf Reisach, der zu Unrecht eine nationalkirchliche Absonderungsbewegung befürchtete, einen strikt an den Interessen der römischen Kurie orientierten Kurs und geriet damit zunächst in Gegensatz zur Mehrheit der Teilnehmer. Lennig sprach sich dagegen nachdrücklich für einen besseren Zusammenschluss der Bischöfe aus. Nur so könnte Angriffen des Staates wie etwa seinerzeit der Verhaftung Erzbischofs von Droste-Vischering in Köln wirksam vorgebeugt und begegnet werden. Damit stellte er die Abwehr staatskirchlicher Eingriffe in den Vordergrund. Gleichwohl sah auch er die Notwendigkeit, gegenüber Rom den Eindruck einer nationalkirchlich ausgerichteten deutschen Sondersynode zu vermeiden. Man einigte sich schließlich darauf, dass die bis zum 14. November tagende Versammlung offiziell nur als freiwillige Nationalberatung betrachtet wurde.

      Der Oktober und die erste Hälfte des Novembers 1848 waren ein neuer Höhepunkt in Lennigs kirchenpolitischem Wirken, der ihm in der dichten Abfolge der Ereignisse jedoch auch einen außerordentlichen persönlichen Einsatz abverlangte. Danach sollte aber für den rastlos und erfolgreich vorwärts Strebenden eine Krise folgen. Diese bahnte sich nach dem Tode des schwer erkrankten Bischofs Kaiser an, der am 30. Dezember 1848 verstarb. Am 5. Januar würdigte Lennig in seiner Trauerrede ausdrücklich die vielfältigen Verdienste des Verstorbenen.

      Zwar war es Lennig gelungen, bei jenen Gläubigen, die die Lage der Kirche in Staat und Gesellschaft ähnlich wie er beurteilten, für sein Engagement viel Anerkennung zu erfahren. Doch stimmten längst nicht alle Katholiken mit ihm und seinen Anhängern darin überein, wie sich das kirchliche Leben künftig gestalten sollte. Es gab auch eine beträchtliche Gruppe, zu der neben einigen Theologieprofessoren etliche Kleriker der Diözese auch aus den höchsten Rängen zählten, die sich für eine demokratisch-konstitutionell verfasste Kirche einsetzten und eine Wiederbelebung der Synoden als konstitutives Element des kirchlichen Lebens forderten. Diese unüberbrückbare Differenz im Klerus wurde nach Bischof Kaisers Tod dadurch offenbar, dass nicht Tobias Höfer, ein Parteigänger Lennigs und als Domdekan das ranghöchste Mitglied des Kapitels, sondern Kaspar Grimm, der älteste Domkapitular, zum Bistumsverweser gewählt wurde. Grimm war 1811 in Aschaffenburg zum Priester geweiht worden, wo Erzbischof Karl Theodor von Dalberg 1807 ein Priesterseminar gegründet hatte, dessen Ausbildungsgang an einer gemäßigten Aufklärung orientiert war. Das Staatskirchentum wurde hier nicht grundsätzlich abgelehnt.

      Die Bischofswahl der Jahre 1849/1850

      Nach den gravierendenden politischen Umwälzungen des Jahres 1848 war der Darmstädter Regierung mittlerweile daran gelegen, den mit der Kirche erreichten Zustand nicht durch die Wahl eines eigenwilligen Bischofs wieder zu gefährden. Der Großherzog machte daher von seinem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch, indem er beabsichtigte, Johann Baptist Lüft, den katholischen Pfarrer seiner Residenzstadt, als Stellvertreter des Bischofs in die Erste Kammer zu berufen. Lüft galt zwar allgemein als ein Mann des Ausgleichs, war aber auch ein Sympathisant Lennigs und lehnte ab. Nun berief Ludwig III. am 10. Januar 1849 Prof. Leopold Schmid. Dieser, ein gebürtiger Schweizer, war zunächst Regens am Limburger Priesterseminar gewesen und erhielt 1839 den Lehrstuhl für Dogmatik an der Gießener Fakultät. In seinem Denken war er geprägt vom Deutschen Idealismus und galt als Vertreter eines friedlichen Ausgleichs zwischen den Konfessionen. Daher waren Konflikte mit Kaspar Riffel zu dessen Gießener Zeit nicht ausgeblieben. Die Berufung Schmids durch den Großherzog konnte von den Mitgliedern des Domkapitels durchaus als Signal verstanden werden. Als sie am 20. Januar zur Erstellung der Kandidatenliste