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Lebensbilder aus dem Bistum Mainz


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„multo utilior“ wirken konnte, bat Ketteler den Papst um die Erlaubnis, Lüft zum Ehrendomherrn erheben zu dürfen. Der Zustimmung des Großherzogs war er sich von vornherein gewiss. Pius IX. erhob keine Einwände und Lüft wurde 1852 Mainzer Ehrendomherr. Als Darmstädter Pfarrer hatte Lüft zeitweilig Ketteler in der Ersten Kammer der Landstände zu vertreten. 1862 bat er, aus gesundheitlichen Gründen von dieser Aufgabe entbunden zu werden. In dieser Zeit nahm Lüft auch nicht mehr an den Sitzungen der Darmstädter Oberstudiendirektion teil; Klagen über die mangelnde Vertretung kirchlicher Interessen in diesem Gremium waren die Folge.

      Politisch dachte Lüft großdeutsch. 1858 kam es deshalb zum Eklat; denn Lüft schlug die Bitte des französischen Gesandten in Darmstadt, zum Napoleonstag 1858 eine Messe zu feiern, rundweg ab; aus seinen pro-österreichischen Gefühlen machte er keinen Hehl. Die hessen-darmstädtische Regierung gab sich indigniert.

      In den Jahren 1862/63 stand Lüft in Briefwechsel mit dem resignierten bayerischen König Ludwig I. (1786–1868); dieser hatte enge Beziehungen zu Darmstadt; denn seine Tochter Mathilde war die Gattin Großherzog Ludwigs III. Lüft nahm in seinen Schreiben Stellung zu Heiratsplänen des Königs. Die Auserwählte war die um Jahrzehnte jüngere Darmstädter Hofdame Carlotta von Breidbach-Bürresheim (1838–1920). Lüft betätigte sich als Postillion d’amour, war dann aber vor allem damit beschäftigt, den König von seinen Plänen abzubringen. Als die Freiin sich vermählte, spendete er dem „Unterlegenen“ Trost und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass bei Euer Majestät bald die Periode eintritt, wo die freundliche Erinnerung ohne schmerzliche Beimischung ist78.

      Am Todesleiden Lüfts nahm auch Bischof Ketteler Anteil; schon im Januar 1869 fragte man sich, ob Lüft den Winter überlebt79. Lüft erholte sich nochmals, starb aber am 23. April 1870. In einem Nachruf der „Darmstädter Zeitung“ hieß es, Lüft erfreute sich durch die Reinheit, Geradheit und Unwandelbarkeit seines Charakters sowie durch seine echt christliche Toleranz der Achtung und Liebe aller, die mit ihm in Berührung kamen, in reichstem Maße80. Kettelers Urteil war zwiespältiger. Unsern alten Lüft werden wir noch oft entbehren, schrieb er an Johann Baptist Heinrich vom Vatikanischen Konzil, wenn auch für die Seelsorge unendlich viel mehr und Besseres geschehen kann wie bisher81. Lüfts „Rolle“ auf der diplomatischen Bühne spiegelte sich auch in der Verleihung des Ritterkreuzes des Großherzoglich Hessischen Ludwigsordens I. Klasse und des Königlich Bayerischen Verdienstordens I. Klasse.

      In Johann Baptist Lüft begegnet uns ein Theologe von Rang. Ihm verdankt die Liturgik ihre wissenschaftliche Grundlegung. Doch vermochte die Universität für ihn nicht zur eigentlichen Heimat zu werden. Der Professor für Pastoral strebte nach der pastoralen Praxis. 35 Jahre lang hat er sich ihr in Darmstadt gewidmet. Zeit seines Darmstädter Wirkens ist es ihm gelungen, trotz des forschen Vorgehens eines Bischofs wie Ketteler für ausgeglichene Beziehungen zwischen Staat und Kirche zu sorgen. Dabei hat er den katholischen Standpunkt nicht verschwiegen, viel weniger aufgegeben.

      Lebensdaten

30.03.1801geb. in Hechtsheim bei Mainz als Sohn des Tagelöhners Jakob Lüft und seiner Frau Klara, geb. Strohm
07.04.1824Priesterweihe in Speyer
1829Professor für Moraltheologie am Mainzer Priesterseminar
30.11.1830Professor für Moral- und Pastoraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät und Pfarrer in Gießen
1835Pfarrer, Dekan und Oberschulrat in Darmstadt
1852Ehrendomkapitular
23.04.1870gest. in Darmstadt

      Quellen

      Archivio Segreto Vaticano, Rom (ASV):

      ANM 80 pos. 87

      Bundesarchiv Außenstelle, Frankfurt a.M. (BAF):

      FN 10/32

      Bayerische Staatsbibliothek, München (BayStB):

      Ludwig I., Archiv

      Dom- und Diözesanarchiv, Mainz (DDAMz):

      Generalakten 1/I; Pfarrakten Dekanat Gießen; Pfarrakten Gießen 2; Generalakten 1/IIk; Generalakten 1/III; Generalakten 4; Domkapitel C. 1.8a

      Freies Deutsches Hochstift, Frankfurt a.M. (FDHF):

      Hs. 24691

      Pfarrarchiv St. Bonifatius, Gießen (PfAGi):

      [J. B. Rady], Chronica Parochiae Catholicae Giessen 1880

      Schriften

      Die Bedürfnisse der Kanzelberedsamkeit in ihrem Verhältnisse zu den Anforderungen der Zeit und der Kirche. In: Kirchenzeitung für das katholische Deutschland 3 (1832) S. 137–144, 153–158, 209–215, 225–232.

      Der Glaube. Sein Wesen, sein notwendiger Zusammenhang mit dem Wesen des Menschen und seine unmittelbarsten Äußerungen. Eine praktisch-theologische Abhandlung in Anlehnung an Matthäus 8,1–13. In: Religiöse Zeitschrift für das katholische Deutschland 1 (1833) S. 268–297.

      Rez. F. S. Häglsperger, Skizzierte Themata zu Homilien und Predigten für einen fünffachen Cyklus auf alle Sonn- und Festtage des katholischen Kirchenjahres. Landshut 1833. In: ebd., S. 322–328.

      Rez. F. X. Schmid, Liturgik der christkatholischen Religion, 2 Bde. Passau 1832. In: ebd., 1 (1833) S. 328–335 und 2 (1833) S. 314–319.

      Über die Parusie. Eine exegetische Abhandlung über Matthäus 24. In: ebd., 2 (1833) S. 147–166.

      Prinzipien über Cultus und Liturgie. In: Jahrbücher für Theologie und christliche Philosophie 1 (1834) S. 55–96.

      Rez. H. Hoffmann, Geschichte des deutschen Kirchenliedes bis auf Luthers Zeit. Ein literarisch-historischer Versuch. Breslau 1832. Deutsche katholische Gesänge aus älterer Zeit. Eine Anthologie. Frankfurt a. M. 1833. In: ebd., S. 204–214.

      Rez. J. B. Hirscher, Betrachtungen über sämtliche Evangelien der Fasten mit Einberechnung der Leidensgeschichte. Tübingen 31832. In: ebd., S. 229–237.

      Rez. J. B. Hirscher, Katechetik. Oder der Beruf des Seelsorgers, die ihm anvertraute Jugend im Christentum zu unterrichten und zu erziehen. Tübingen 1831, 21832. In: ebd., S. 373–405.

      Über Konstruktion und Behandlung der theologischen Moral. In: Jahrbücher für Theologie und christliche Philosophie 2 (1834) S. 76–131.

      Rez. H. Schreiber, Lehrbuch der Moraltheologie, Bd. 1–2. Freiburg i. Br. 1831–1834. In: ebd., S. 413–445.

      Rez. H. J. Vogelsang, Lehrbuch der christlichen Sittenlehre, Bd. 1. Bonn 1834. In: ebd., S. 446–455.

      Rez. W. M. de Wette, Lehrbuch der christlichen Sittenlehre und der Geschichte derselben. Berlin 1833. In: ebd., S. 455–457.

      Rez. F. X. Schmid, Liturgik der christkatholischen Religion, 2 Bde. Passau 1832–1833. In: Jahrbücher für Theologie und christliche Philosophie 3 (1834) S. 229–237.

      Rez. H. Klee, Die Ehe. Eine dogmatisch-archäologische Abhandlung. Mainz 1833. In: ebd., S. 266–276.

      Rez. A. F. S. Rost, Religionswissenschaftliche Darstellung der Ehe. Wien 1834. In: ebd., S. 277–279.

      Rez. F. X. Massl, Le Maistre de Sacys Erklärung der heiligen Schriften des neuen Testaments nach den heiligen Vätern und andern bewährten Schriftstellern der Kirche, 3 Bde. Straubing 1831–33. In: ebd., S. 294–298.

      Kritische Übersicht der katholischen Predigtliteratur vom Jahre 1833 bis zur Hälfte des Jahres 1834. In: ebd., S. 426–470.

      Predigt, gehalten am Neujahrstage 1839 in der katholischen Kirche zu Darmstadt. In: Predigt-Magazin 2 (1839) Anreden, Betrachtungen, Homilien, Predigten, Predigtentwürfe und Reden, S. 327–334 (Dazu: Der Katholik 19, 1839, Bd. 73, S. CXXIVf).

      [anonym], Betrachtungen über die neuesten Angriffe auf die Ehre der katholischen Kirche. Eine Epistel an Herrn Generalsuperintendenten Röhr zu Weimar und