Hermann Pius Siller

Letzte Erfahrungen


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de facto bezüglich des Geltungsanspruchs von Argumenten immer einen gewissen Zwang aus. Nicht einmal in einer Seminarsitzung wird dieses Ideal erreicht.45 Im Ernstfall kann es also durchaus so etwas wie eine moralische Pflicht zur Anwendung von Gewalt als „Anti-Gewalt-Gewalt“, von „Strategie-Konterstrategie“ geben. Allerdings wären deren Grenzen streng einzuhalten, denn angewendet werden darf Gewalt nur, um soweit möglich die ideale Kommunikationsgemeinschaft herzustellen. Deren Regeln sind also nicht schlechthin außer Kraft.46 Apel fasst zusammen: „Alles, was … über die normative, moralische Rechtfertigung der Zwangsbefugnisse des Rechtsstaats gesagt wurde, gilt ja nur unter der Voraussetzung, dass der Rechtsstaat wirklich funktioniert (und zwar im Weltmaßstab funktioniert); und selbst dann gilt es nur in dem Teilbereich der Lebenswelt, dessen Regelungsbedarf sich verrechtlichen lässt. Somit bleibt in wesentlichen Lebensbereichen immer noch auch der von mir … thematisierte Problembestand der politischen bzw. politisch relevanten Verantwortungsethik. Er bleibt schon deshalb bestehen, weil, wie ich eingangs betonte, jeder von uns heute im Sinne einer postkonventionellen, planetaren Makroethik jenseits aller schon bestehenden Institutionen (und Sozialsysteme) mitverantwortlich ist für die Folgen unserer kollektiven Aktivitäten. In diesem Zusammenhang sind wir z. B. auch mitverantwortlich für die – möglichst durch Konferenzen und nicht durch Gewalt – herbeizuführende Institutionalisierung einer weltbürgerlichen Rechtsordnung im Sinne Kants.“47

       Schicksal und Vorsehung

      Durch die Rede von der Vorsehung machen Kant und Lessing in der Zeit, in der die Vernunft sich anschickt, sich aus dem Schicksal zu emanzipieren, darauf aufmerksam, dass das sich selbst bestimmende Subjekt und die ideale Kommunikationsgemeinschaft auch einen Ort leer zu halten haben, den ihre Ideale nicht auszufüllen vermögen.