Jörg Alt

Wir verschenken Milliarden


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um die Rettung eben dieser Banken ging, sondern um das Vermögen der Anteilseigner und Kredite, die deutsche und andere Großbanken vergeben haben. Das kann natürlich aufs selbe hinauskommen, ändert aber nichts am Faktum, dass private und betriebliche Vermögen auf Kosten des Steuerzahlers gerettet wurden. Eine weitere Ironie ist sodann, dass sich die Regierungen das Geld zur „Banken-“ und „Eurorettung“ genau dort holten: Bei Banken und anderen Institutionen der „Kapitalmärkte“, denen wiederum Zinsen gezahlt werden, die ebenfalls aus Steuergeldern finanziert werden. Schaut man beispielsweise auf die „Bietergruppe Bundesemissionen“ zum Stand 1. Januar 2016, so findet sich dort alles, was im nationalen und internationalen Banken-, Fonds- und Finanzgeschäft Rang und Namen hat. All dies rechtfertigt die Aussage, dass hier eine ‚Umverteilung von unten nach oben‘ stattfindet.

      Aufgrund der Staatsschulden ist im Bundeshaushalt die „Bundesschuld“ der drittgrößte Einzelposten nach den Ausgaben für Verteidigung sowie Arbeit und Soziales, mit (2016) 25,2 Milliarden Euro. Diese Ausgaben werden weiter fällig, bis die Schulden zurückgezahlt und abgetragen sind, wovon noch lange nicht ausgegangen werden kann. Dieses Geld würde anderswo, auch und gerade angesichts der aktuellen Weltkrisen, mit Sicherheit dringender gebraucht und die Absicht, über die „Schuldenbremse“ weitere Verschuldung zu vermeiden, bedeutet im Umkehrschluss, dass anderswo Ausgaben gekürzt werden müssen.

      Freilich ist auch dieser Punkt nicht so einfach, wie es klingt: Wie bei großen privaten und betrieblichen Vermögen ist es auch für Staaten sinnvoll, Schulden zu machen. Mehr noch: Deutschland als Zielland für Auslandskapital und die Bereitschaft von Anlegern, sogar Negativzinsen in Kauf zu nehmen, macht aktuell mit Schulden sogar Gewinn! Das muss aber nicht so bleiben!! Entsprechend teilt dieses Forschungsprojekt die Meinung jener, die Schulden in aktueller Höhe im Hinblick auf künftige Generationen für unverantwortlich halten. In aller Regel nicht thematisiert werden die desaströsen Folgen der Niedrigzinspolitik für die Sparvermögen der Bevölkerung sowie Rücklagen, die für die Alterssicherung benötigt werden – ein weiteres Anzeichen für eine gravierende Nachhaltigkeitslücke, welche die Summe aus expliziten und impliziten (d. h. heute noch nicht sichtbaren) Staatsschulden bezeichnet: Diese liegt aktuell bei 212% des BIP (6,2 Billionen Euro) und wird aufgrund der alternden Gesellschaft deutlich ansteigen (Stiftung Marktwirtschaft, 2016).

      Ungleichheit hat in Deutschland ‚Armutsschwerpunkte‘ im Osten und Norden des Landes, während die südlichen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern die wohlhabendsten Regionen sind. Auch innerhalb von Bayern gibt es ein Nord-Süd-Gefälle mit München/Oberbayern als herausragendem ‚Reichtums-Hotspot‘. Regierung und Nichtregierungsorganisationen stimmen überein, dass ein großer Teil des Vermögens Immobilien- und Firmenbesitz zuzurechnen ist und dass Vermögen am oberen Ende überproportional zunimmt. Wie groß Reichtum wirklich ist, ist nicht präzise bekannt, da die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die die Bayerische Staatsregierung ihrer Berichterstattung zugrunde legt, Unternehmensvermögen nicht berücksichtigt. Entsprechend gibt es widersprüchliche Angaben über die Anzahl vermögender Personen in Bayern:

      – Laut einer Statistik des Bayerischen Finanzministeriums leben 2013 in Bayern 2.512 „Personen mit bedeutenden Einkünften“, d. h. solche, deren jährliches Einkommen 500.000 Euro oder mehr beträgt (die früheren „DM-Millionäre“) (Bayerischer Landtag Drs. 17/2380, 2014). – Das Bayerische Statistische Landesamt hingegen wies für 2010 in Bayern 3.132 Euro(!)millionäre aus (Krass, 2014), bei 14.600 Einkommensmillionären bundesweit.

      – Spezielle Reichtumsberichte von Banken und Vermögensverwaltern weisen 2013 allein für München 1.113 (Knight Frank, 2014) bzw. 1.805 (Wealth-X & UBS, 2014) „Ultra High Net Worth Individuals“ aus, solche also, die 30 Millionen Dollar und mehr zu ihrer Verfügung haben.

      Was Armut betrifft, so ist die Situation in Bayern erwartungsgemäß erheblich entspannter als anderswo in Deutschland. Dennoch gibt es deutliche Unterschiede in der Zustandsbewertung bzw. hinsichtlich Trends und Entwicklungen, je nachdem, ob man eine Regierungsmeinung liest oder jene von Wohlfahrtsverbänden. Dass Armut in Bayern aber ansteigt, geht sowohl aus dem aktuellsten Datenreport der Regierung zur sozialen Lage in Bayern als auch aus Kommentierungen desselben durch die Wohlfahrtsverbände, etwa die AWO, hervor. Dies betrifft sowohl die absolute Anzahl von Menschen mit Armutsrisiko als auch die Armutsgefährdung spezifischer Gruppen, wie etwa Alleinerziehende, alte Menschen oder Haushalte im Niedriglohnsektor.

      Selbst in einem reichen Land ist es schwierig für Arme, ihre Situation zu verbessern. Ein wesentlicher Punkt ist beispielsweise, ob jemand sparen und Vermögen, etwa ein Haus, erwerben kann. Hier ergab eine Erhebung im 3. Sozialbericht der Staatsregierung Folgendes:

      Tabelle 1 Einkommen und Ausgaben von Haushalten nach Kategorien – unterstes und oberstes Dezil

DezilMonatl. Netto-einkommen in EuroAusgaben für
LebenshaltungSoziale TeilhabeGeldvermögensbildungSonstiges
1. Dezil72984,747,5–23,5–8,8
10. Dezil6.22120,22816,135,7

      Quelle Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, 2012, S. 223

      Der hohe Anteil an Lebenshaltungskosten für Angehörige am untersten Dezil legt die Frage nahe, ob nicht doch Lebenshaltungskosten, darunter auch Mieten, allzu oft schneller gestiegen sind als Einkommen; und bei den Kosten für soziale Teilhabe wäre zu fragen, inwieweit hier Kinder eine Rolle spielen. Es belegt jedenfalls, dass einkommensschwache Haushalte keine Chance zum Sparen, stattdessen aber eine große Wahrscheinlichkeit zur Verschuldung haben.

      Was Staatsschulden betrifft, so ist Bayern in einer mehrfach komfortablen Lage: Nicht nur ist die Pro-Kopf-Verschuldung niedrig, Bayern ist sogar in der Lage, Schulden abzutragen – um einen hohen Preis, wie einige meinen. Kritiker sehen den Preis dafür etwa in der Vernachlässigung von Infrastrukturinvestitionen.

      Ein heikler Punkt ist in der Beziehung mit anderen Bundesländern der Länderfinanzausgleich. Ihn gibt es aufgrund der Bestimmung in Artikel 72 Grundgesetz, nach der in ganz Deutschland „gleichwertige Lebensverhältnisse“ herrschen sollen. Dabei geht es nicht nur um Zahlungen von Geld, sondern auch um die Frage, ob hierdurch nicht zusätzlich die Art und Weise bzw. ‚Intensität‘ der Steuererhebung einzelner Bundesländer beeinflusst wird (siehe 8.8.4).

      7 Siehe ausführlicher: http://tinyurl.com/tjp-GER-IV

      8 Der Gini-Koeffizient ist ein statistisches Maß zur Messung von Ungleichheit, wobei ein Wert nahe 0 die Gleichmäßigkeit einer Verteilung, ein Wert nahe 1 den Konzentrationsgrad angibt. Die Zahlen entstammen der Statistik zur Nettoäquivalenz-Einkommensverteilung auf der Website des Statistischen Bundesamts.

      9 Vereinfacht gesagt eine komplexe Messgröße für real verfügbares Einkommen, nach Abzug von Steuern und Abgaben, gewichtet nach Haushaltsgröße und Bedürfnissen.

      10 Zur Bandbreite der Ansätze: Für die OECD siehe etwa OECD 2011a, OECD 2015a, für die Eurozone, basierend auf dem Private Household and Consumer Survey, European Central Bank 2013 oder Vermeulen 2014, für Ergebnisse basierend auf einer ergänzten Stichprobe des SOEP Grabka & Westermeier 2014, oder Bach, Thiemann & Zucco 2015 sowie diverse „Reichtumsberichte“ von Vermögensverwaltern und Banken.

       5 Grundlagen der Steuergerechtigkeit11

      Traditionell gibt es eine Reihe von international anerkannten Steuerprinzipien (z. B. Einfachheit, Bestimmtheit, Gleichmäßigkeit), die auch die deutsche Steuergesetzgebung beeinflussen (Kabinga, Alt, & al., 2016). Darüber hinaus ist das Grundgesetz eine wichtige Grundlage für die Gestaltung der deutschen Steuer- und Abgabengesetze, etwa Artikel 3 (Gleichheit und Verschiedenheit der Menschen), Artikel 2