Maria Herrmann

Vom Wandern und Wundern


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      Maria Herrmann und Sandra Bils (Hg.)

      Vom Wandern und Wundern

      Fremdsein und prophetische Ungeduld in der Kirche

      Maria Herrmann und Sandra Bils (Hg.)

      Vom Wandern und Wundern

      Fremdsein und prophetische Ungeduld in der Kirche

      Mit einem Nachwort von Christina Aus der Au

      echter

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

      1. Auflage 2017

      © 2017 Echter Verlag GmbH, Würzburg

       www.echter.de

      Gestaltung: Hain-Team (www.hain-team.de)

      Umschlagfoto: shutterstock

      eBook-Herstellung und Auslieferung:

       Brockhaus Commission, Kornwestheim

       www.brocom.de

      ISBN

      978-3-429-04403-9

      978-3-429-04942-3 (PDF)

      978-3-429-06362-7 (ePub)

      Inhalt

      „Ein Wunder in seinen Augen“ (Vorwort)

       Maria Herrmann

      Wenn der Dachdecker beim Zimmermann vorbeischaut

       Astrid Adler

      Worte statt Orte oder: Wie ich anfing, meine Kirche neu zu buchstabieren

       Hanna Buiting

      Punktheologie

       Mara Feßmann

      Wanderlust

       Mathias Albracht

      Alles Theater? Oder: Unendlich zu Hause und doch empörend fremd! Wie die Theaterarbeit den Weg zu Gott ebnet

       Steffi Krapf

      Das Fremdsein überwinden. Wie wir in der Kirche die 99 Schafe wiederfinden

       Markus Kalmbach

      Woanders ist hier

       Yotin Tiewtrakul

      Die Ressource des Fremden ist der Unterschied oder: Wie Rebellentum und Kirchenentwicklung zusammenpassen

       Michael Bonert

      Vier Wünsche. Was Pionieren in der Kirche fehlt

       Sebastian Baer-Henney

      Eine steile These

       Rebecca John Klug und Juliane Gayk

      W@nder als ekklesiologische Chance.

      Das Vertraute und die Ferne – Leben in Gegensätzen

       Sabrina Müller

      Von der Gabe, nicht hineinzupassen

       Birgit Mattausch

      Die Fremdheit in der Kirche. Eine Art Nachwort

       Christina Aus der Au

      Autorinnen und Autoren

       Auf der Suche nach einem Morgen stolpernd losgelaufen. Mit einem Gestern auf Reisen, das leise flüstert: „Du bist nicht allein!“ Als Wanderer zwischen den Welten. Ein Wunder in seinen Augen.

      Maria Herrmann

      „Ein Wunder in seinen Augen“

      Auf der Suche nach der Kirche für morgen begegnet man ihnen: Agentinnen und Agenten einer Kirche von morgen. Sie wirken zwar nicht im Geheimen, manchmal vielleicht etwas im Verborgenen, aber ihr Handeln markiert bereits Kommendes im Hier und Jetzt. Als Wandernde zwischen den Welten, ob offensichtlich oder im Stillen, stellen sie der Kirche unbequeme Fragen: Häufig sind es die nach dem Warum? und – viel mehr noch – nach dem Warum eigentlich nicht? Dieses Wandern und Wundern wird ausgelöst von einer Unruhe, gewissermaßen einer Fremde, die möglicherweise ihren Ursprung nicht in dieser Welt hat. Aber eine, die dieser Welt und damit auch dieser Kirche gilt. Eine Fremde, die uns aufmerksam macht für ihre Zukunft. Und ein Fragen, das bereits eine Ahnung birgt auf mögliche Antworten.

      Diesen wandernden und wundernden Agentinnen und Agenten des Wandels der Kirche zuzuhören erfordert eine besondere Achtsamkeit. Ihre Intuition und ihr Herzblut verdienen ehrlich gemeinte Wertschätzung. Denn viele Menschen haben das Gefühl der Fremde in der Kirche und achtlose Reaktionen darauf dazu gebracht, Gemeinden zu verlassen. Andere beseelt sie heute – und vermutlich schon seit den Anfängen des Christentums – mit prophetischer Ungeduld, mit heiliger Neugier und einem Heimweh nach etwas, das sie noch gar nicht kennen.

      Wir glauben, dass diese Fremde in der Kirche, dieses Wandern und Wundern Schlüssel und Charisma sind, um Kirche von ihrer Zukunft her verstehen zu lernen. Wir glauben, dass diese Fremde zugleich von Stärke und Zerbrechlichkeit zeugt. Wir glauben, dass die Wandernden und Wundernden diejenigen sind, die kritische Fragen aus guten Gründen und loyaler Verbundenheit stellen. Wir sind davon überzeugt, dass die Fremde in der Kirche in einer langen Tradition steht, Neues schafft, verbindet, versöhnt und heilt. Und davon erzählt dieses Buch.

      … eine Tradition, die auch heute noch gilt

      Ein Blick in die Biographien von einflussreichen christlichen Frauen und Männern, von Mystikerinnen und Predigern, von Ordensgründerinnen und Reformatoren offenbart in diesem Zusammenhang eine wichtige, aber meist nur implizit wahrgenommene Dimension in Bezug auf ihr Wandern und Wundern in der Kirche. Denn das Wirken derjenigen, die vielleicht rückblickend Bewunderung zu finden mögen, beginnt meist mit etwas, das zunächst weniger glamourös und gnadenreich daherkommt, nämlich mit der Ahnung, dass irgendetwas nicht passt, vielleicht nicht mehr passt. In einen konkreten, erlebbaren Teil von Kirche, in eine Organisationsform, eine Gemeinschaft, einen Kontext. Dabei sind bei diesen Menschen bisweilen zukünftige Bilder christlicher Lebensgestaltung im Verborgenen schon derart präsent, dass sie einen Zugang zu Bestehendem und Ererbtem nicht (mehr) freigeben. So wird die heilige und ungeduldige Neugier Energiequelle für das Weiterwundern auf dem Weg hin zu neuen Orten und in neue Formen christlicher Nachfolge und ragt mit diesem Erleben hinein in biblische Erfahrungen von Aufbruch, Prophetie und Berufung.

      Da sich dieses Phänomen aus historischer Perspektive nur in einer Rückschau beschreiben lässt, zeigt es sich häufig idealisiert: Viel zu selten lässt sich Jahrhunderte oder gar nur Jahrzehnte später verfolgen, welche und wie viele Wunden geschlagen wurden auf diesen Wanderwegen, die die Kirche häufig erst im Nachhinein heiligspricht – ob im wörtlichen oder übertragenen Sinne. Man denke nur an die Biographien eines Franziskus, einer Teresa, eines Dietrich Bonhoeffer, einer Madeleine Delbrêl oder einer Dorothee Sölle – sie waren Wandernde und Wundernde ihrer Zeit, mit einer heiligen Unruhe versehen und der Erfahrung einer Fremde, die schließlich einen transformierenden Kern für die Kirche enthielt und bis heute noch enthält. Obwohl Entfremdung in einer wörtlichen Bedeutung genau das Gegenteil beschreibt, geht es genau um dieses Fremdgeworden-Sein oder Fremd-Werden, das sich kirchenhistorisch bis in die heutige Zeit hinein verfolgen lässt. Die so mit ihrem wandernden Volk Gottes lernende Kirche verdankt dem Charisma der prophetischen Ungeduld an vielen Orten und zu allen Zeiten unzählige transformierende Momente. Momente, Orte, Ideen, die eine wirkliche, eine wörtliche Ent-Fremdung der