zum geprüften Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen. Die Ziffern neben den Gliederungspunkten im Inhaltsverzeichnis geben die Zuordnung zum Ausbildungsrahmenplan der Gesundheitskaufleute bzw. zum Rahmenlehrplan der Fachwirte wieder. Die berufsspezifischen Fertigkeiten und Kenntnisse des Ausbildungsrahmenplans der Gesundheitskaufleute werden vom Inhalt des Lehrbuchs vollständig abgedeckt.
Das Gesundheitswesen gilt – nicht zu Unrecht – als komplexes, mitunter schwer zu durchschauendes Gebilde. Diese Tatsache ist nicht zuletzt der Fülle von Gesetzesänderungen zuzuschreiben. Seit ca. 40 Jahren erfolgt in jeder Legislaturperiode eine größere Gesundheits- und Pflegereform. Die Verfasser betrachten es deshalb auch als ihre Aufgabe, das Geschehen auf den Gesundheitsmärkten transparent zu machen. Das Buch stützt sich auf den aktuellen Rechtsstand (Dezember 2020), d. h. es beinhaltet die Änderungen der einschlägigen Sozialgesetzbücher. Der Leser wird über alle relevanten Änderungen und Übergangsregelungen der betreffenden SGB informiert.
Wer als Beschäftigter in einem Gesundheitsbetrieb, als Patient, Angehöriger, Versicherter in ökonomischer und sozialpolitischer Hinsicht einen Blick hinter die Kulissen des Gesundheitswesens werfen möchte, wer die politischen und ökonomischen Hebel, die das Leistungsgeschehen steuern, kennen lernen will, wird zu diesem Buch greifen. Leser des Buches werden vertraut mit der Fachsprache des Gesundheitswesens und deren zahlreichen Kürzeln. Die Herkunft und die deutsche Übersetzung von fremdsprachigen Fachausdrücken werden den Lesern jeweils mitgegeben. Zur besseren Orientierung dient ein umfangreiches Stichwortverzeichnis.
Im ersten Teil werden die Leser mit den Grundzügen der Sozialpolitik und den einschlägigen Sozial- und Gesundheitsstatistiken vertraut gemacht. Es folgt ein Überblick über die Absicherung der Risiken Krankheit, Unfall/Berufskrankheit und Pflegebedürftigkeit in der Bundesrepublik. Dabei lernt der Leser auch die Unterschiede zwischen Sozialversicherung und Privatversicherung sowie künftige Herausforderungen an die Sicherungssysteme kennen. Im dritten Teil werden Berufe des Gesundheitswesens vorgestellt. Breiten Raum nimmt der vierte Teil des Buchs ein, der die einzelnen Leistungsbereiche des Gesundheitswesens – ambulante und stationäre Versorgung, Rehabilitation, Medikamente, Medizinprodukte, Pflege, Versorgungsmanagement, Notfalldienste, öffentlicher Gesundheitsdienst – beschreibt. Der Leser lernt die Angebotsformen im Gesundheitswesen, deren rechtliche Grundlagen, Finanzierung und Vergütung kennen. Viele Gesundheitsbetriebe gehören dem sogenannten Non-Profit-Sektor der Volkswirtschaft an; dafür typischen Rechtsformen sowie einschlägigen rechtlichen Bestimmungen ist Teil fünf gewidmet. In den Kapiteln sechs und sieben werden die spezifischen Anforderungen erläutert, die im Gesundheitswesen an die Dokumentation und die Qualitätssicherung gestellt werden. Neu aufgenommen wurden Änderungen nach dem Pflegestärkungsgesetz III. Beschäftigte im Gesundheitswesen agieren in einem Umfeld, das besonders hohe Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit anderen Menschen erfordert. Dieser Thematik widmet sich das Kapitel acht, Kommunikation und Beschwerdemanagement. Themen der Kapitel neun und zehn sind betriebswirtschaftliche Aspekte – Marketing und Materialwirtschaft – und deren spezielle Ausgestaltung in Gesundheitsbetrieben, sie wurden komplett neu überarbeitet. Im letzten Kapitel werden Gesundheitssysteme in Ländern der Europäischen Union verglichen.
Als praxisorientierte Hilfe für Lernende und Lehrende dienen ca. 100 Übungsbeispiele im Text sowie über 150 Übungsaufgaben im Anschluss an die jeweiligen Kapitel und Abschnitte. Auszubildenden Gesundheitskaufleuten und Fachwirten in Weiterbildung wird empfohlen, sich mit den wichtigsten einschlägigen Gesetzen und Verordnungen (Sozialgesetzbuch V, VII, IX, XI, Krankenhausgesetze, Berufsordnung für Ärzte), zumindest in Auszügen, direkt vertraut zu machen.
Barbara Birkner | Im Dezember 2020 |
Ralf Biebau
Hedwig Bigler-Münichsdorfer
Henner Lüttecke
Jochen Gürtler
Einführung
1 Was ist Gesundheit? – Wie kann man sie messen und wovon hängt sie ab?
Wer sich mit dem Gesundheitswesen beschäftigt, mit seiner Organisation, seinen Einrichtungen, Berufen usw., tut gut daran, sich zunächst Gedanken darüber zu machen, was Gesundheit eigentlich ist. Man mag denken, die Antwort auf diese Frage sei einfach, gleichwohl ist die Definition von Gesundheit bzw. von Krankheit eines der diffizilsten Probleme des Gesundheitswesens. Die wohl berühmteste und am häufigsten zitierte Definition von Gesundheit ist jene der WHO (World Health Organisation), einer Unterorganisation der Vereinten Nation (UNO). Sie lautet: »Gesundheit ist der Zustand des vollkommenen physischen, psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit.«
Wer wäre nach dieser Definition über einen längeren Zeitraum gesund? – Wohl kaum ein Mensch. Ist diese Definition nicht eher eine Zielsetzung oder eine Aufforderung an die Politik, für die Gesellschaft bzw. für jeden einzelnen Bedingungen zu schaffen, dass jeder dem WHO-Zustand möglichst nahekommt?
Unstrittig dürfte sein, dass die Definition der WHO für Leute, die sich pragmatisch mit dem Gesundheitswesen befassen, nicht brauchbar ist. Was ist aber dann Gesundheit? Man mag einwenden, Gesundheit sei wohl eher auf individueller Ebene, also von jedem einzelnen Menschen zu definieren. Würde man Leute mit Schnupfen befragen, ob sie krank seien oder nicht, so würde dies ein Teil von ihnen bejahen, ein anderer Teil würde argumentieren, ein Schnupfen sei noch lange keine Krankheit. Stellte man Ärzten die Frage, ob ein Schnupfen eine zu therapierende Krankheit ist oder nicht, so ergäbe sich mutmaßlich Ähnliches. Ein Teil von ihnen würde die Frage mit ja, ein anderer Teil mit nein beantworten. Was fängt nun der Pragmatiker im Gesundheitswesen damit an? Tatsache dürfte sein, dass es Zustände gibt, die niemand als gesund bezeichnen würde. Dies betrifft etwa einen Menschen mit einer Krebserkrankung im fortgeschrittenen Stadium oder einen verunfallten Menschen mit schweren Verletzungen. Das Schnupfen-Beispiel zeigt, dass es eine Schnittmenge gibt, in der Gesundheit und Krankheit nicht klar abgegrenzt werden können.
Krankheit ist ein versicherbares Risiko, ob nun in einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung. Und tatsächlich stellt die Unschärfe der Definition von Gesundheit bzw. Krankheit eines der größten Probleme für die Kalkulation der Versicherungen dar. Hinzukommt: Der Gesundheitsbegriff ist keineswegs statisch, sondern er verändert sich. Durch medizinischen Fortschritt ist es immer wieder möglich, neue Zustände in der Anamnese zu erkennen, als Krankheiten zu diagnostizieren und zu therapieren. Hier kann z. B. auf das während der SARS-CoV-2 Pandemie entdeckten PIMS (paediatric inflammatory multisystem syndrome) hingewiesen werden.
Wie also soll man etwas messen, das man nicht definieren kann? Verschiedene Symptome (Altgr: symptoma = zufälliges Anzeichen) können unterschiedlich bewertet werden. Hier behilft man sich in aller Regel damit, dass man sogenannte harte Indikatoren (Lat.: indicator = Anzeiger) verwendet, vor allem Mortalitäts- (Lat.: mortalitas = sterblich) und Morbiditätsziffern (Lat.: morbidus = krank).
Unterschiede in der Sterblichkeit bzw. der Lebenserwartung zeigen sich zwischen verschiedenen Ländern; sie hängen hauptsächlich vom Wohlstand der jeweiligen Gesellschaften und dessen Verteilung auf die Mitglieder der Gesellschaft ab. Je höher das Durchschnittseinkommen eines Landes ist und je gleichmäßiger das Einkommen verteilt ist, desto höher ist tendenziell die Lebenserwartung.
Durchschnittlich am ältesten werden Menschen Hongkong, Japan und der Schweiz (Liste der UNO 2010–2015). Japanische Frauen werden im Durchschnitt 86 Jahre alt, japanische Männer 80 Jahre. Die niedrigste Lebenserwartung findet sich in den ärmsten Ländern der Welt südlich der Sahara. Die Lebenserwartung in der Zentralafrikanischen Republik beträgt für Männer und Frauen nur 49 Jahre.
Der Unterschied in der Lebenserwartung der reichsten und der ärmsten Bevölkerungen auf der Erde beträgt also in etwa 30 Lebensjahre. Deutschland nimmt mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 83 Jahren für Frauen und 78 Jahren für Männer (Angaben für 2013/15) im Vergleich aller Länder einen vorderen Platz, im Vergleich der entwickelten wohlhabenden Länder einen Mittelplatz ein.
Auch innerhalb Deutschlands gibt es Unterschiede in der Sterblichkeit. Belegbar sind soziale Unterschiede in Deutschland, aber auch