Durchschnitt nicht so alt wie Menschen gehobener Berufsgruppen (leitende Angestellte, Unternehmer). Menschen aus höheren Einkommensschichten weisen eine überdurchschnittliche Lebenserwartung auf, ebenso Menschen mit höherer Ausbildung. 2020 in Deutschland Geborene Männer haben statistisch die Chance 78,8 Jahre und Frauen 83,5 Jahre alt zu werden (14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, destatis).
Einer statistischen Überprüfung hält auch nicht die oft geäußerte Meinung stand, Herzinfarkte und andere möglicherweise stressbedingte Krankheiten seien sogenannte Managerleiden. Das Gegenteil ist der Fall. Das Infarktrisiko steigt mit zunehmender Armut. Als bedrückend werden auch die in letzter Zeit häufig in den Medien thematisierten Morbiditätsunterschiede zwischen Kindern aus wohlhabenden und armen Familien beschrieben. Je geringer der sozioökonomische Status von Familien ist, desto eher entwickeln die Kinder eine ungünstige Gesundheitsbiografie.
Die aufgeführten Zusammenhänge sind zwar statistisch nachweisbar, sie dürfen jedoch nicht auf einzelne Menschen bezogen werden. Statistische Erkenntnisse werden anhand von großen Kollektiven von Menschen gewonnen und haben nichts mit einem einzelnen Individuum zu tun. Ein weiterer Fehler der Interpretation wäre es, einfache Ursache-Wirkungszusammenhänge zu unterstellen.
Mortalität und Morbidität werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, wie z. B. den Arbeits-, Bildungs-, Herkunfts- und Wohnbedingungen sowie den mit ihnen einhergehenden Belastungen, der Sicherheit des Straßenverkehrs, der Umweltbelastung, dem erlernten Verhaltensmuster und nicht zuletzt dem Zugang zur medizinischen Versorgung. Welchen Stellenwert die einzelnen Variablen bei der Erklärung der Mortalitäts- und Morbiditätsunterschiede haben, kann schwerlich beziffert werden.
2 Morbiditäts- und Mortalitätsstatistik in Deutschland
In Deutschland existiert bisher keine vollständige (die gesamte Bevölkerung umfassende) und systematische Morbiditätsstatistik. Erfasst werden einzelne Indikatoren wie etwa der Krankenstand der Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenkassen. Vom Robert-Koch-Institut (RKI, einer Bundesbehörde, die für die Überwachung des Infektionsgeschehens zuständig ist) werden Daten über meldepflichtige Krankheiten gesammelt (
Vollständige und systematische Informationen liefert eher die Mortalitätsstatistik nach Todesursachen, gegliedert nach dem ICD-10-WHO (International Classification of Diseases, 10. Version,
Die Anteile der einzelnen Todesursachen an der gesamten Sterblichkeit, wie sie die Tabelle zeigt, sind in Deutschland weitgehend stabil. Knapp 40 % der Todesfälle werden durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen (zu denen neben Herzerkrankungen auch Schlaganfälle zählen) verursacht, etwa ein Viertel durch Krebs. Die Häufigkeit beider Krankheitsarten steigt – wenngleich sie auch junge Menschen befallen können – mit dem Lebensalter an. Die Tatsache, dass diese beiden Todesursachen dominieren, ist der hohen Lebenserwartung in Deutschland geschuldet (
Tab. 1: Anteil einzelner Todesursachen an den Sterbefällen in Deutschland 2018
Todesursachen nach ICD-10Anteil an allen Sterbefällen 2018
Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen
http://www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/xs_start_neu/&p_aid=3&p_aid=10356137&nummer=6&p_sprache=D&p_indsp=-&p_aid=21340635 (Zugriffsdatum 22.8.2020)
3 Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Gesundheit
Werden Menschen in Meinungsumfragen gebeten anzugeben, was ihnen im Leben am wichtigsten ist, dann nimmt Gesundheit immer einen der vorderen Ränge ein. Gute Gesundheit, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere, ist ein Grundbedürfnis. Aber Gesundheit besitzt nicht nur in individueller Hinsicht hohe Priorität, sie ist vielmehr auch in gesamtgesellschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Hinsicht ein hohes Gut. Wer gesund ist und zudem eine gute Ausbildung genossen hat, ist leistungsfähig – sei es im Beruf, sei es als Eltern von Kindern, als Großeltern, die ihre Enkel betreuen usw. Deshalb zählt man Gesundheit neben der Ausbildung zum sogenannten Humankapital einer Gesellschaft. Investitionen, die der Gesundheit der Menschen dienen, haben damit einen Stellenwert wie Investitionen in die Bildung.
Den Wert der Gesundheit kann auch an der Höhe der Ausgaben für Gesundheit gemessen werden. Gut 407 Mrd. Euro entsprachen 2019 einem Anteil von gut 12 % am Bruttoinlandsprodukt (BIP) (
Die Verbreitung von AIDS in vielen Staaten Afrikas ist – zusätzlich zum menschlichen Leid – auch eine ökonomische Katastrophe. Die Krankheit befällt vor allem junge Erwachsene, also Menschen, die im Arbeitsleben stehen. Der Ausfall wirtschaftlicher Aktivitäten, der durch die Krankheit verursacht wird, vermindert Chancen auf Wohlstand für jetzige und künftige Generationen. Erstes Ziel vernünftiger Entwicklungspolitik werden deshalb Investitionen zur Bekämpfung der HIV-Infektion sein.
Abb. 1: Gesundheitsausgaben nach Ausgabenträgern Quelle: https://www.vdek.com/presse/daten/c_einnahmen-ausgaben.html (Zugriffsdatum 27.12.2020)
Deutschland gehört zu den reichsten Ländern der Welt. Wie viele andere reiche Länder ist es mit dem Problem der Überalterung der Bevölkerung konfrontiert (
Teil I Sozialstaat und Gesundheitswesen
1 Deutschland ist ein Sozialstaat
»Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.«
So lautet der Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes. Artikel 20 Grundgesetz genießt, ebenso wie Artikel 1, der die Wahrung der Menschenwürde fordert, Ewigkeitsrecht, d. h., er kann nie geändert werden, egal wie die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag aussehen.
Der Satz ist kurz, gleichwohl enthält er die wichtigsten Prinzipien unseres Staates. Deutschland ist eine Demokratie, die Bürger bestimmen in freien und geheimen Wahlen ihre Parlamente, Deutschland ist in Bundesländer gegliedert und Deutschland ist ein Sozialstaat.
Wer sich mit dem Gesundheitswesen beschäftigt, dem wird der Sozialstaat in vielerlei Gestalt begegnen. Es gehört zum Wesen eines