Jochen Gürtler

Kaufmann/Kauffrau im Gesundheitswesen


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von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.«

      In der einschlägigen Literatur findet sich für subsidiäre Sozialleistungen häufig der Begriff Fürsorgeleistung.

      Nach dem Subsidiaritätsprinzip sind neben den Leistungen nach Sozialgesetzbuch (SGB) XII (Sozialhilfe) das Arbeitslosengeld II, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit, das BaFöG und das Wohngeld organisiert: Diese Leistungen werden nach einer Bedürftigkeitsprüfung gewährt. Wenn jemand Sozialhilfe beantragt, dann prüft das Sozialamt zunächst, ob der Antragsteller Lohnersatzleistungen aus einer Sozialversicherung bekommen kann. Wer z. B. als Ersatz für sein Arbeitseinkommen Krankengeld erhält, hat keinen Anspruch auf Sozialhilfe, weil die Krankenkasse als Solidargemeinschaft für ihn eintritt und er folglich den Rückhalt der Sozialhilfe nicht benötigt. Ist keine Sozialversicherung zuständig oder reichen deren Leistungen nicht aus, um den Lebensunterhalt zu sichern, muss der Antragsteller nachweisen, dass weder er selbst, noch seine nächsten Angehörigen ausreichend Einkommen erzielen oder Vermögen besitzen, bevor er Leistungen der Sozialhilfe erhält. Sozialhilfe und alle anderen subsidiären Hilfen sind somit nachrangig.

      Subsidiäre Leistungen werden im Gegensatz zu Leistungen der Sozialversicherung aus Steuern finanziert und nicht aus Beiträgen. Wer Mitglied oder mitversicherter Angehöriger einer Sozialversicherung ist, hat aufgrund seiner Eigenschaft als Versicherter automatisch Anspruch auf Leistungen der Sozialversicherung. Subsidiären Leistungen fehlt dieser Automatismus, sie beruhen nicht auf einer Zugehörigkeit zu einer Versicherung.

      Nicht alle Sozialleistungen lassen sich unter die beiden Rubriken Solidarleistung und subsidiäre Leistung einordnen. Deshalb wird ein weiteres Prinzip definiert, das Versorgungsprinzip. Der Bezug von Kindergeld ist nicht an die Zugehörigkeit zu einer Sozialversicherung als Solidargemeinschaft gebunden und es wird ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt. Der Leistungsanspruch ergibt sich aus einer Eigenschaft oder Situation. Im Fall des Kindergeldes ist der Leistungsbezug an die Eigenschaft, Eltern von minderjährigen bzw. in Ausbildung befindlichen Kindern zu sein, geknüpft. Dem Versorgungsprinzip werden auch Leistungen nach dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges zugeordnet. Ebenso gehören die Leistungen des Staates an Beamte, wie Beihilfen und Pensionen, zu den Versorgungsleistungen. Wie subsidiäre Sozialleistungen werden sie aus Steuern finanziert (image Tab. 2).

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      SolidaritätSubsidiarität/FürsorgeVersorgung

      Der Sozialstaat in Deutschland gleicht einem großen – mittlerweile über 130 Jahre alten – Gebäude mit vielen Etagen, vielen Eingängen, Anbauten, Umbauten. Um dieser Komplexität gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber vor ca. 45 Jahren begonnen, das Sozialrecht in einem Gesetzbuch, dem Sozialgesetzbuch (SGB) zusammenzufassen. Das SGB besteht aus derzeit zwölf einzelnen Büchern; als vorerst letzte wurden im Jahr 2005 im Buch II die Grundsicherung für Arbeitssuchende (sogenanntes »Hartz-IV-Gesetz«) und im Buch XII das Bundessozialhilfegesetz in das SGB eingefügt (image Tab. 3).

      Tab. 3: Aufbau des Sozialgesetzbuches

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      SozialgesetzbuchAufbau

      3.1 Sozialbudget

      Das Sozialbudget wird vom Statistischen Bundesamt jährlich veröffentlicht. Es gibt die Sozialleistungen insgesamt, die Zusammensetzung der Sozialleistungen sowie die Sozialleistungsquote wieder. Die folgende Statistik zeigt das Sozialbudget insgesamt in Millionen Euro und die sogenannte Sozialleistungsquote, also den Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) (image Tab. 4).

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      Quelle: Bundesministerium für Arbeit, Sozialbericht 2019

      Mit einem Anteil der Sozialleistungen von knapp einem Drittel des BIP gehört Deutschland zu den am stärksten ausgeprägten Sozialstaaten weltweit. Die größten einzelnen Positionen im Sozialbudget nehmen die Leistungen bei Krankheit und die Alterssicherung ein.

      Berechnet man nun den Anteil aller Gesundheitsausgaben am BIP, so erhält man die sogenannte Gesundheitsquote. Sie betrug 2018 in Deutschland 11,5 % und ist wie folgt zu interpretieren: 11,5 % aller in Deutschland produzierten Waren und Dienstleistungen sind dem Gesundheitswesen zuzurechen – oder anders formuliert: 11,5 % aller Einkommen entstehen im Gesundheitswesen.

      Im internationalen Vergleich ist dieser Wert hoch: Nach den USA und der Schweiz liegt Deutschland damit vor Frankreich auf Rang drei der Länder mit der höchsten Gesundheitsquote.

      In den vergangenen 28 Jahren ist die Gesundheitsquote um ca. 1,9 Prozentpunkte angestiegen (von 9,6 % in 1992 auf 11,5 % in 2018). Ohne Gesundheitsreformen, mit denen in jeder Legislatur versucht wurde, die Ausgaben zu stabilisieren, wäre die Gesundheitsquote sicherlich stärker gestiegen – wie stark, ist allerdings ungewiss. Wissenschaftler sind sich weitgehend einig darin, Gesundheitsleistungen als sogenannte superiore Güter zu definieren. Superiore Güter werden mit steigendem Wohlstand – also steigendem BIP – überproportional nachgefragt.

      Die folgende Tabelle ordnet die Gesundheitsausgaben den jeweiligen institutionellen Ausgabenträgern zu (image Tab. 5).

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      AusgabenträgerIn Mio. €In % der Gesundheitsausgaben

      1) einschließlich private Pflegeversicherung

      Quelle: https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?operation=abruftabelleBearbeiten &levelindex=1&levelid=1600760522040&auswahloperation=abruftabelleAuspraegungAus waehlen&auswahlverzeichnis=ordnungsstruktur&auswahlziel=werteabruf&code=23611- 0001&auswahltext=&werteabruf=Werteabruf#abreadcrumb; eigene Berechnungen (Zugriffsdatum 22.9.2020)

      Sozialversicherte Gesundheitsleistungen werden von der gesetzlichen Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Unfallversicherung und in Form von Rehabilitation von der gesetzlichen Rentenversicherung erbracht. Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Anteil zur Sozialversicherung werden vom Statistischen Bundesamt als Bestandteil der Arbeitnehmereinkommen und folglich der Lohnquote ausgewiesen. Tatsächlich kann der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung als Lohnbestandteil betrachtet werden; er ist an den Arbeitsvertrag gekoppelt