wird die Sozialversicherung überwiegend durch Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert. Beiträge zur Unfallversicherung werden allein von den Arbeitgebern entrichtet. Für die Renten- und Arbeitslosenversicherung gibt es eine Bundesgarantie. Gerät einer dieser Versicherungszweige in Zahlungsschwierigkeiten, muss der Bund mit einer Erhöhung des steuerfinanzierten Bundeszuschusses einspringen. Auf diese Weise sind für die Empfangsberechtigten, Rentner bzw. Empfänger von Arbeitslosengeld, die Zahlungen stets garantiert.
Typisches Kennzeichen der Sozialversicherung ist die Verpflichtung, eine Versicherung abzuschließen. Wer als Angestellter oder Arbeiter unselbstständig beschäftigt ist, der muss Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung sein. Er hat nicht die Wahl, diese Risiken allein privat abzusichern. In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind Arbeitnehmer, sofern sie keine Beamten sind, pflichtversichert, wenn ihr monatliches Bruttoeinkommen unter 5212,50 € (2020) liegt. Wer diese Grenze erreicht bzw. überschreitet, kann zum 31.12. des jeweiligen Jahres frei wählen, ob er als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenkasse bleibt oder sich bei einer privaten Versicherung gegen Krankheitsrisiken absichert. Diese Versicherungspflichtgrenze (bzw. Jahresarbeitsentgeltgrenze 5212,50 € x 12 = 62 550 €), die den Kreis der zur Mitgliedschaft in der Sozialversicherung Verpflichteten definiert, gibt es auch in der Pflegeversicherung. Freiwillig Versicherte der GKV können wählen zwischen der Pflegekasse ihrer gesetzlichen Krankenversicherung und einer privaten Pflegekasse.
Die Pflicht zur Mitgliedschaft in der Sozialversicherung wird logisch ergänzt durch den Kontrahierungszwang (aus dem Lat.: Kontrakt = Vertrag): Jede Sozialversicherung muss einen Versicherungspflichtigen bzw. einen Versicherungsberechtigten aufnehmen, sie darf ihn nicht abweisen.
Möchte ein abhängig Erwerbstätiger z. B. Mitglied einer Ersatzkasse werden, so muss ihm diese die Mitgliedschaft gewähren, egal ob er krank oder gesund ist, egal ob sein Einkommen niedrig oder hoch ist, egal ob er Kinder hat oder nicht, egal ob er als Arbeiter oder Angestellter erwerbstätig ist.
Weiteres Kennzeichen einer Sozialversicherung ist die Einkommensabhängigkeit der Beiträge. Die Beiträge werden als Prozentsatz des Einkommens berechnet und somit zahlt, wer mehr verdient und folglich mehr zu leisten vermag, auch mehr Solidarbeitrag. Man spricht deshalb auch vom Leistungsfähigkeitsprinzip. Allerdings endet die Beitragszahlung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip an der Beitragsbemessungsgrenze. Am Beispiel der Krankenversicherung demonstriert bedeutet dies: Wer z. B. 5000 € pro Monat brutto verdient, dessen Beitrag wird nur auf 4687,50 €, die Beitragsbemessungsgrenze (Angabe für 2018), erhoben. Für den über dieser Grenze liegenden Verdienst in Höhe von 312,50 € wird kein Beitrag gezahlt.
Die Krankenversicherung gewährt ihre Leistungen ganz überwiegend als Sachleistungen, z. B. in Form von Krankenhausaufenthalten, Besuch beim Arzt etc., und nicht wie im Falle der Rentenversicherung als Geldleistung. Wie viel Sachleistungen ein Versicherter von seiner Krankenkasse finanziert bekommt, hängt nicht von seinen Beitragszahlungen ab. Für die Pflegeversicherung gilt Gleiches: Ihre Leistungen, egal ob Geld- oder Sachleistungen, sind für jeden Berechtigten gleich. Die Geldleistungen der Rentenversicherung, die gesetzlichen Renten, hängen dagegen von der Höhe des Einkommens während der Erwerbstätigkeit und der Anzahl der Beitragsjahre ab.
1.2 Sozialversicherung und Demografie – Probleme der Zukunft
1.2.1 Altersstruktur in Deutschland
Mit Ausnahme der Pflegeversicherung wurden die Sozialversicherungen in Deutschland in Zeiten gegründet, als die Bevölkerung des Landes im Durchschnitt noch wesentlich jünger war als heute. Die demografischen (aus dem Gr.: demos = Volk, graph = schreiben) Bedingungen haben sich seitdem grundlegend verändert. Wie in anderen reichen, hochentwickelten Volkswirtschaften der Welt, so altert auch in Deutschland die Bevölkerung. Dies hat zwei Gründe:
• Es werden je Frau weniger Kinder geboren als früher und
• die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt und die künftige Lebenserwartung bereits betagter Menschen steigen.
Die Altersstruktur einer Bevölkerung lässt sich anhand der sogenannten Bevölkerungspyramide – die heute jedoch mehr einem Pilz ähnelt – darstellen.
Wie die Teilabbildungen zu interpretieren sind, soll das Beispiel in Abbildung 2 für den Altersaufbau im Jahr 2018 zeigen:
2018 lebten in Deutschland ca. je 375 000 neugeborene Mädchen und Jungen. Dies ist an den Querachsen unter der Pyramide abzulesen. Geht man rechts oder links von der unteren Querachse nach oben, so erhält man die Bevölkerungsstärke nach Frauen und Männern getrennt für die jeweils höheren Jahrgänge. Je ca. 750 000 Männer und Frauen um die 55 Jahre lebten 2018 in Deutschland.
Zu Beginn des 20. Jahrhundert glich der Bevölkerungsaufbau tatsächlich noch einer Pyramide. Je jünger ein Jahrgang war, desto stärker war er besetzt. Die Menschen wurden im Durchschnitt noch nicht so alt wie heute, das ist aus der geringen Anzahl von Menschen in den betagten Altersgruppen abzulesen. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts ist die Pyramidenform im oberen Teil des Altersaufbaus noch erhalten; der untere Teil ist stark zerklüftet durch die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Menschen, die 1910 etwa 10 bis 15 Jahre alt waren, kamen im ersten Weltkrieg (1914–1918) in das Alter, in dem Paare Kinder bekommen. 1950 waren diese Kinder, die während des 1. Weltkrieges geboren wurden 30 bis 35 Jahre alt. Dem Altersaufbau 1950 lässt sich entnehmen, dass diese Geburtsjahrgänge schwach besetzt waren: Die Pyramide ist von beiden Seiten quasi eingedrückt. Das nennt man den Geburtenausfall während des 1. Weltkrieges. Weitere Geburtenausfälle zeigen sich während der Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 30er-Jahre und während des 2. Weltkrieges (1939–1945).
Betrachtet man den Altersaufbau 2018, so sieht man die Geburtenausfälle des 2. Weltkrieges an den schwach besetzten Jahrgängen der rund 73-Jährigen. Sie haben sich im Vergleich zu 1950 um 68 Jahre nach oben verschoben.
Auffällig ist nun aber, dass die jüngsten Jahrgänge 2018 deutlich schwächer besetzt sind als die älteren, vor allem die der bis 50–60-Jährigen. Das sind die sogenannten geburtenstarken Jahrgänge der 50er- und 60er-Jahre oder die – wie sie auch genannt wird – Generation der Baby-Boomer. Ab den 70er-Jahren ging es dann mit den Geburtenzahlen abwärts. Die »Pyramide« steht quasi Kopf, sie ist unten schmäler als in der Mitte.
Heute bekommt eine Frau in Deutschland im Durchschnitt 1,55 Kinder. Deutschland liegt damit nahe dem Durchschnitt in der Europäischen Union.
Noch etwas zeigt sich 2018: Die Anzahl der Menschen älterer Jahrgänge hat im Vergleich zu 1910 und auch noch zu 1950 deutlich zugenommen. Die höhere Lebenserwartung der Frauen schlägt sich in einem Frauenüberschuss bei älteren Menschen nieder. Wie die Lebenserwartung neugeborener Mädchen und Buben in etwa dem Zeitraum, den die drei ersten Pyramiden wiedergeben gestiegen ist, zeigt Tabelle 7 (
Abb. 3: Aufbau der Bevölkerung in Deutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt – Pressestelle, Hrsg., Bevölkerung Deutschlands bis 2060 – 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden 2019
Ein in den Jahren 1901 bis 1910 neugeborenes Mädchen wurde im Durchschnitt etwa 48 Jahre alt. Ein 2016 bis 2018 geborenes Mädchen erreicht eine durchschnittliche Lebenslänge von ca. 83 Jahren. Nun kann man die Lebenserwartung nicht nur ab Geburt, sondern ab jedem beliebigen Lebensalter berechnen. Man kann
Tab. 7: Entwicklung der Lebenserwartung bei Geburt in Deutschland
ReichsgebietFrüheres BundesgebietFrühere DDRDeutschland1901/ 19101924/ 19261949/ 19511997/ 19991952/ 19531997/ 19991991/19932016/2018
also fragen, wie viele Jahre Lebenszeit einem 60-jährigen Mann