Jochen Gürtler

Kaufmann/Kauffrau im Gesundheitswesen


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(aus dem Griech.: prophylaxis = Vorsicht) sind unter den Begriff der Prävention (aus dem Lat.: praeventio = Verhütung, Vorbeugung) einzuordnen.

      Prävention hat folgende drei Ausprägungen, denen zugleich Leistungen des Gesundheitswesens zugeordnet werden können:

      1. Primäre Prävention: Verhindern bzw. verhüten, dass eine Erkrankung entsteht (= Prophylaxe).

      Prophylaxe ist ein umfassender Begriff; dazu gehören nicht nur Maßnahmen, die der einzelne treffen kann, um sich fit zu halten und Krankheiten abwehren zu können, sondern auch z. B. der Umweltschutz, die Verhütung von Verkehrsunfällen durch Straßensicherheit etc. als Aufgaben der Politik. Damit reicht der Begriff weit über das Gesundheitswesen hinaus. Innerhalb des Gesundheitswesens fallen unter den Begriff der primären Prävention Leistungen zur Verhütung von Krankheiten z. B. durch Impfungen.

      2. Sekundäre Prävention: Früherkennung von Krankheiten.

      Darunter sind alle Maßnahmen zu verstehen, die – nachdem die Krankheit bereits ausgebrochen ist, dem Betreffenden aber noch nicht mit Symptomen auffällt – der Diagnostik in einem frühestmöglichen Stadium dienen, um Heilung zu erleichtern.

      3. Tertiäre Prävention: Verhinderung einer weiteren Verschlimmerung von Krankheiten.

      Wenn sich eine Erkrankung einmal manifestiert hat, wird versucht, ihren weiteren Verlauf positiv zu beeinflussen. Tertiäre Prävention hat vor allem für Menschen mit chronischen Erkrankungen Bedeutung. Der Begriff deckt sich teilweise mit jenem der medizinischen Rehabilitation ab, so z. B. wenn ein Diabetes-Patient lernt, seinen Lebensstil der Krankheit anzupassen.

      Maßnahmen der sekundären und der tertiären Prävention gehören zu den Kernleistungen des Gesundheitswesens, z. B. in Form von Vorsorgeuntersuchungen oder z. B. ambulanter Rehabilitation. Folgende Früherkennungsuntersuchungen (im Fachjargon auch Screening genannt; aus dem Engl.: Screening = Schutzschirm) werden den Versicherten der GKV angeboten:

      • Für Kinder von 0 bis 6 Jahren: 9 Vorsorgeuntersuchungen

      • 13-/14-Jährige: Jugendgesundheitsuntersuchung

      • Ab 20 Jahre für Frauen, ab 45 Jahre für Männer: jährliche Früherkennung von Krebs der Genitalorgane

      • Ab 35 Jahre: alle drei Jahre Hautkrebsscreening für Frauen und Männer

      • Ab 35 Jahre: alle zwei Jahre Gesundheits-Check-up für Frauen und Männer mit Schwerpunkt Herz-Kreislauf-Erkrankungen, onkologische Risikofaktoren

      • Ab 50 Jahre: Darmkrebsfrüherkennung für Frauen und Männer alle zwei Jahre; Mammographiescreening zur Früherkennung von Brustkrebs bei Frauen alle zwei Jahre

      • Vorsorgeuntersuchungen für Schwangere

      Zwei prophylaktische bzw. primärpräventive Leistungen muss jede Kasse ihren Versicherten anbieten: Schutzimpfungen nach § 20i SGB V sowie die individuelle Verhütung von Zahnerkrankungen für Kinder und Jugendliche zwischen sechs und achtzehn Jahren. Sie haben nach § 22 SGB V einen Anspruch auf Versiegelung der Fissuren (Spalten im Zahn, die das Entstehen von Karies begünstigen).

      Ferner haben Versicherte Anspruch auf medizinische Vorsorgeleistungen (§ 23 SGB V), wenn eine Gefährdung der Gesundheit zu befürchten ist (= primäre Prävention) oder wenn eine Verschlimmerung der Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden ist (tertiäre Prävention). Allerdings muss der medizinische Dienst der Krankenkassen die Notwendigkeit solcher Leistungen prüfen. Wenn bei einem Versicherten Vorsorgeleistungen am Wohnort nicht ausreichen, können sie auch in anerkannten Kurorten erbracht werden. Die Satzung der Kasse kann vorsehen, dass die Versicherten dann einen Zuschuss von maximal 16 € pro Tag erhalten. Zu solchen Satzungsleistungen sind die Kassen nicht verpflichtet; sie werden im freien Ermessen der Kasse Bestandteil des Leistungsangebotes. Dadurch unterscheiden sie sich vom Großteil der Kassenleistungen, die von allen Kassen, ohne in der Satzung genannt zu werden, verpflichtend finanziert werden müssen.

      Wenn ein Arbeitnehmer in Deutschland krankheitsbedingt arbeitsunfähig wird, erhält er dem Entgeltfortzahlungsgesetz gemäß von seinem Arbeitgeber maximal sechs Wochen lang sein Arbeitsentgelt weiter bezahlt. Ist der Versicherte nach Ablauf von sechs Wochen immer noch arbeitsunfähig oder wird er stationär in einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationsklinik behandelt, so hat er Anspruch auf Krankengeld der Krankenkasse (§ 44 ff. SGB V). Damit wird sein Unterhalt bzw. der Unterhalt seiner Familie weiter gesichert. Die Leistungspflicht der Krankenkasse ist auf 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit begrenzt. Wenn während des Krankengeldbezugs eine weitere Krankheit des Versicherten hinzukommt, wird die Anspruchsdauer nicht verlängert.

      Das Krankengeld wird kalendertäglich gezahlt, seine Höhe bemisst sich nach dem Arbeitsentgelt des Versicherten. Es beträgt 70 % des sogenannten Regelentgelts. Dessen Berechnung liegt das Entgelt der letzten vier Wochen vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zugrunde. Bezieht ein Versicherter ein monatliches Entgelt, so wird der Regelverdienst des letzten Monats vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit herangezogen. Dieses wird durch 30 geteilt; es wird also das Regelentgelt pro Kalendertag ermittelt. 70 % des sich somit ergebenden Betrages sind das Krankengeld pro Kalendertag. Allerdings darf das Krankengeld 90 % des regelmäßigen Nettoverdienstes nicht überschreiten.

      Rechenbeispiel:

      Herr H. verdiente im Monat vor Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit

      2000 € brutto (monatliches Regelentgelt).

      Das monatliche Nettoregelentgelt von Herrn H. beträgt 1517,17 €.

      Der dreißigste Teil des regelmäßigen Monatsbruttoeinkommens ergibt:

      2000 € : 30 = 66,67 € (Bruttoregelentgelt pro Kalendertag)

      Davon werden 70 % berechnet

      66,67 € × 0,7 = 46,67 €

      Vergleich mit dem regelmäßigen Nettogehalt

      1517,17 € : 30 = 50,57 € (Nettoregelentgelt pro Kalendertag)

      90 % des Nettoregelentgelts pro Kalendertag:

      50,57 × 0,9 = 45,51 €

      Da der Betrag von 46,67 € 90 % des regelmäßigen Nettoentgelts pro Kalendertag überschreitet, wird der niedrigere Betrag, also 45,51 €, angesetzt.

      Angenommen, Herr H. bezieht für 25 Kalendertage Krankengeld, so erhält er insgesamt

      45,51 € × 25 = 1137,75 €

      Krankengeldanspruch besteht auch für versicherte, erwerbstätige Eltern, wenn ein Kind erkrankt ist. Mutter bzw. Vater können dieses Recht für jeweils 10 Tage pro Kalenderjahr geltend machen; für Alleinerziehende verlängert sich der Anspruch auf 20 Tage. Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie wurde dieser Rechtsanspruch im Jahr 2020 vorübergehend um zehn Tage verlängert.

      2.4.1 Kassenarten, Wahlfreiheit der Mitglieder, Rechtsform, Organisation

      Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind die Krankenkassen. Sie gliedern sich in die folgenden Kassenarten:

      • Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK)

      • Betriebskrankenkassen (BKK)

      • Innungskrankenkassen (IKK)

      • Ersatzkassen (ErsK)

      Daneben gibt es kleinere Kassenarten: Landwirtschaftliche Krankenkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.

      1996 wurde die Kassenwahlfreiheit eingeführt. Seitdem können sich Versicherungsberechtigte nach Vollendung des 15. Lebensjahres eine Krankenkasse auswählen und die Kassen stehen untereinander in Wettbewerb um Versicherte. Möglich ist es, der regionalen AOK, einer Ersatzkasse, der Krankenkasse