Beschäftigten tragen also mit ihren Sozialversicherungsbeiträgen den weitaus größten Anteil an allen Sozialleistungen und damit auch an den Gesundheitsausgaben.
Private Haushalte entrichten Zuzahlungen zu Arzneimitteln, Krankenhausbehandlung etc.; sie erwerben nicht-verschreibungspflichtige Arzneien, die von den Kassen nicht erstattet werden, aus eigener Tasche. Mit 52 Mrd. € sind sie nach den Sozialversicherungsträgern der größte Finanzier von Gesundheitsleistungen.
Aus Steuern des Staates werden die subsidiären Leistungen der Sozialhilfe für Rehabilitation und die Sozialhilfe für Pflegebedürftige finanziert. Aufgabe des Staates ist ferner die Investitionsfinanzierung von Plankrankenhäusern und Universitätskliniken sowie der öffentliche Gesundheitsdienst. Für seine Beamten zahlt der Staat im Krankheitsfall Beihilfen. Insgesamt trug die öffentliche Hand 2018 ca. 16,5 Mrd. € zur Finanzierung des Gesundheitswesens bei.
In die Ausgaben der privaten Krankenversicherung mit 33,3 Mrd. € sind neben den Krankheitsvollkostenversicherungen die private Pflegeversicherung und ebenso die privaten Zusatzversicherungen mit eingerechnet. Die ca. 16,4 Mrd. € der Arbeitgeber werden für die sechswöchige Entgeltfortzahlung und den betrieblichen Gesundheitsdienst verausgabt.
Sachleistungen überwiegen bei Weitem: Nur ein kleiner Teil der gesamten Gesundheitsausgaben der Sozialversicherung fließt den Haushalten als Geldleistung (Krankengeld, Übergangsgeld, Verletztengeld) zu.
3.3 Beschäftigte – das Gesundheitswesen als Arbeitgeber
Dem Gewicht, das dem Gesundheitswesen als Anteil am BIP zukommt, entspricht seine Bedeutung als Arbeitgeber: 12,3 % aller Erwerbstätigen, das sind etwa 5,3 Mio. Menschen, in Deutschland arbeiten im Gesundheitswesen. Anders ausgedrückt: Jeder 8. Erwerbstätige ist im Gesundheitssektor beschäftigt. Vor allem für Frauen sind die Gesundheitsbranchen wichtige Arbeitgeber; etwa ¾ aller Erwerbstätigen im Gesundheitswesen sind Frauen.
Das Gesundheitswesen gehört überwiegend zum tertiären Sektor, also zum Dienstleistungssektor der Volkswirtschaft. Dieser Sektor steuert typischerweise in hoch entwickelten Volkswirtschaften den größten Anteil zum BIP bei und diesem Gewicht entsprechend sind die meisten Erwerbstätigen (in Deutschland ca. 75 %) im Dienstleistungssektor tätig. Im Gesundheitswesen ist die Dominanz der Dienstleistungen noch stärker ausgeprägt: 95 % aller, die im Gesundheitswesen arbeiten, gehören Dienstleistungsberufen an. Nur 5 % sind in der Gesundheitsindustrie (pharmazeutische Industrie und Medizinprodukteindustrie) beschäftigt.
Übungsaufgaben zu Teil I
Aufgabe 1
Zu den wichtigsten Zielen des Gesundheitswesens gehört es, die Morbidität und die Mortalität zu senken. Welche der folgenden Statistiken geben Auskunft über die Morbidität, welche über die Mortalität in der Bevölkerung?
a) Morbiditätb) Mortalität
Aufgabe 2
Bitte ordnen Sie zu:
a) Solidarleistungb) Subsidiärleistung
Aufgabe 3
Was versteht man unter der
1. Sozialleistungsquote und der
2. Gesundheitsquote?
Teil II Absicherung der Risiken Krankheit, Arbeitsunfall/Berufskrankheit und Pflegebedürftigkeit
1 Die einzelnen Zweige der Sozialversicherung
Die Sozialversicherung ist eine deutsche »Erfindung«. Älteste Sozialversicherung ist die Krankenversicherung; sie entstand im Jahre 1883 auf Initiative des Reichskanzlers Otto von Bismarck. Allerdings war Bismarcks Sozialpolitik nicht seiner Sorge um das Wohlergehen der Arbeiter geschuldet, sondern innenpolitischem Kalkül. Während der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Zahl der Industriearbeiter. Sie wurden jedoch nicht am Wohlstand der Besitzenden beteiligt, sondern gerieten immer tiefer in soziales Elend. Die Entlohnung war so niedrig, dass sogar Kinder arbeiten mussten, um der Familie das Überleben zu ermöglichen. Die Arbeitsbedingungen der Menschen waren sehr hart; es gab keinen Schutz gegen die Wechselfälle des Lebens. In dieser Zeit erstarkte die Arbeiterbewegung, die zunächst von Ferdinand von Lassalle als Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein konstituiert und später als sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands, die Vorläuferin der SPD, von Wilhelm Liebknecht und Karl Bebel weitergeführt wurde. Nachdem 1873 eine Wirtschaftskrise einsetzte, in deren Verlauf sich die Situation der Arbeiterfamilien weiter verschlechtere, gewannen die Sozialdemokraten immer mehr Anhänger bei den Arbeitern. Bismarck empfand dies als Bedrohung seiner Macht und verbot 1878 mit dem sogenannten Sozialistengesetz alle sozialistischen und sozialdemokratischen Zusammenschlüsse, um die »gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie« zu bekämpfen.
Bismarcks Sozialgesetzgebung diente dem Ziel, sich das Wohlwollen der Arbeiterschaft zu sichern und sie auf diese Weise von der Sozialdemokratie zu entfremden. Dies gelang ihm zwar nicht, dennoch gilt die von ihm initiierte Sozialversicherung – auch wenn sie machtpolitisch motiviert war – bis heute als wichtigster Meilenstein in der Entwicklung des deutschen Sozialstaates.
Der Einführung der Krankenversicherung folgten in zeitlicher Reihenfolge 1884 die Unfallversicherung, 1889 die Rentenversicherung zunächst nur für Arbeiter, ab 1919 auch für Angestellte. 1927, also während der Weimarer Republik kurz vor dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise, wurde die Arbeitslosenversicherung gegründet und als jüngster Zweig im Jahr 1994 die soziale Pflegeversicherung.
Sozialversicherung lässt sich verstehen als eine solidarisch organisierte Versicherung gegen die großen Risiken des Lebens. Sie ist konzipiert für Arbeitnehmer, also Menschen, die davon leben, dass sie ihre Arbeit im Produktionsprozess anbieten und dafür Entgelt erhalten. Es können aber Umstände eintreten, die es unmöglich machen zu arbeiten oder die mit großen finanziellen Belastungen verbunden sind. Wer dann nicht in der Lage ist, Einkommen aus anderen Quellen, dem Besitz von Wohnungen etwa, von Wertpapieren wie Aktien oder einer sonstigen Beteiligung an einem Unternehmen zu beziehen, der bliebe ohne Versorgung. Wer aus seinem Arbeitseinkommen die große finanzielle Belastung, die z. B. die medizinische Behandlung nach einem Unfall oder einer Krankheit mit sich bringen kann, nicht zu tragen vermag, der stünde ohne Hilfe da.
Die großen Risiken des Lebens sind zum Teil einigermaßen gut vorherzusehen, sie gehören gewissermaßen zu einer normal verlaufenden Biografie der Menschen, wie etwa das Erreichen eines Alters, in dem man aus dem Erwerbsleben ausscheidet oder das Risiko, leichte oder mittelschwere Krankheiten zu erleiden. Andere Risiken sind für den einzelnen kaum vorherzusehen, wie z. B. ein Arbeitsunfall oder der Verlust des Arbeitsplatzes. Für eine große Gruppe von Menschen, die Arbeitnehmer, ist es aber möglich, die Wahrscheinlichkeit auch für solche Risiken zu errechnen, die für den einzelnen schwer vorherzusagen sind. Das aber ist die Voraussetzung für eine Versicherung.
Die folgende Tabelle zeigt die fünf Zweige der deutschen Sozialversicherung mit ihren wichtigsten Kennzeichen (
Tab. 6: Die einzelnen Zweige der Sozialversicherung (Stand 2018)
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