Jahrzehnten erhöht. Generell ergibt das erreichte Lebensalter und die fernere Lebenserwartung in diesem Alter eine höhere durchschnittliche Dauer des Lebens als die Lebenserwartung bei Geburt. Wer bereits seinen 60. Geburtstag hinter sich hat, der hat die Sterbeursachen jüngerer Jahre überlebt. Dazu gehört beispielsweise die Sterblichkeit im Säuglingsalter oder die Sterblichkeit junger Erwachsener im Straßenverkehr (
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, Hrsg., Statistisches Taschenbuch Gesundheit 2005, Berlin 2005, Tab. 1.5; Statistisches Bundesamt, https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?operation=previous&levelindex=1&step=1&titel=Ergebnis&levelid=160076 8056566&acceptscookies=false#abreadcrumb (Zugriffsdatum 22.9.2020.)
Tab. 8: Entwicklung der ferneren Lebenserwartung 60-Jähriger
JahrDurchschnittliche Lebenserwartung60-jährige Frauen60-jährige Männer
Quelle:
In den letzten 48 Jahren haben 60-jährige Menschen im Durchschnitt sechs Lebensjahre hinzugewonnen. In der Gruppe der betagten Menschen nimmt der Anteil Hochbetagter zu. Inwieweit sich dieser Trend weiter fortsetzt, kann heute noch nicht gesagt werden.
Der voraussichtliche Bevölkerungsaufbau im Jahr 2060 könnte, wenn die Geburtenrate nicht steigt, aussehen wie ein Pilz (
1.2.2 Auswirkungen auf die Sozialversicherung
Unter den fünf Sozialversicherungszweigen sind drei demografiegefährdet, wie es in der Fachsprache heißt: die Renten-, die Kranken- und die Pflegeversicherung. Die gegenwärtig ausgezahlten Renten werden aus gegenwärtigen Beiträgen von Erwerbstätigen und ihren Arbeitgebern und dem Bundeszuschuss finanziert. Man nennt das Umlageverfahren der Rentenversicherung auch Generationenvertrag. Jüngere Generationen zahlen für den Lebensunterhalt Älterer; als Gegenleistung dafür erhalten sie die Gewähr, dass spätere Generationen für sie aufkommen. Ob der Generationenvertrag funktioniert oder nicht, hängt vom Zahlenverhältnis von Erwerbstätigen, also Beitragszahlern, zu Rentnern ab. Wie die Bevölkerungspyramiden zeigen, hat sich dieses Verhältnis in den vergangenen Jahrzehnten zu einem höheren Rentneranteil verschoben.
Auch zum Zahlenverhältnis der Generationen hat das Statistische Bundesamt eine Schätzung vorgelegt. Nimmt man an, das Alter erwerbsfähiger Menschen liege zwischen 20 Jahren (Berufseintritt) und 65 Jahren (Renteneintritt), dann entwickelt sich das Generationenverhältnis, ausgehend vom Jahr 2009, wie in Tabelle 9 dargestellt (
Tab. 9: Verhältnis Erwerbsfähiger und Nichterwerbsfähiger
JahrZahlenverhältnis der Generationen
1)Die Schätzungen beziehen sich auf die mittleren Annahmen des Statistischen Bundesamtes für die demographischen Variablen Geburtenziffer, Lebenserwartung und Wanderungssaldo
Quelle: Statistisches Bundesamt, Bevölkerung Deutschlands bis 2060 – 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden 2019
Die Zahlen sind wie folgt zu interpretieren: 100 Erwerbstätige haben nach der Prognose im Jahr 2060 für 35 noch nicht und für 58 nicht mehr Erwerbstätige, zusammen 93 Nicht-Erwerbstätige, aufzukommen; im Jahr 2018 waren es noch 67 Nicht-Erwerbstätige. Noch nicht berufstätige junge Menschen leben vom Einkommen ihrer Eltern, aus diesem Einkommen zahlen die Eltern Beiträge zur Finanzierung der Renten für die ältere Generation.
Auch die Kranken- und die Pflegeversicherung basieren auf dem Umlageverfahren, auch hier werden die gegenwärtigen Leistungen aus gegenwärtigen Beiträgen bezahlt. Die Generationenumverteilung ist aber dadurch abgemildert, dass Rentner Beiträge zu beiden Sozialversicherungen zahlen. Dennoch wird sich die veränderte Demografie auch in der Kranken- und Pflegeversicherung bemerkbar machen. Die Leistungen der Pflegeversicherung werden ganz überwiegend von alten Menschen und vergleichsweise sehr wenigen jungen Menschen in Anspruch genommen. Der Kapitalstock, der seit 2015 für die Pflegeversicherung aufgebaut wird, wird die wachsende Beitragsbelastung ab Mitte der 2030er Jahre zwar etwas abschwächen, dennoch dürften die Beiträge weiter steigen. Nicht ganz so ausgeprägt, aber im Trend ähnlich, verhält es sich mit der Krankenversicherung. Je älter ein Versicherter ist, desto höher sind die Ausgaben der Krankenkasse für ihn. Dies schlägt sich in der Finanzierungslücke der Krankenversicherung der Rentner nieder. Sie gibt die Differenz zwischen den Beitragseinnahmen der Rentner und deren Ausgaben wieder. Je höher der Anteil Hochbetagter an den Rentnern ist, desto mehr wird sich die Schere zwischen Beitragseinnahmen der Rentner und ihren Leistungsausgaben öffnen. Die Finanzierungslücke wird ausgefüllt durch Beiträge von erwerbstätigen Versicherten. Man kann also auch von einem Generationenvertrag in der GKV sprechen.
1.3 Fazit
Alle Versicherungszweige, die auf dem Umlageverfahren basieren und deren Leistungen
• überwiegend oder zum großen Teil älteren Menschen zufließen,
• deren Beiträge überwiegend oder zum großen Teil von erwerbstätigen Versicherten getragen werden,
stoßen aufgrund der Alterung der Bevölkerung und der niedrigen Geburtenrate zunehmend auf Finanzierungsprobleme. Dies betrifft in erster Linie die Rentenversicherung, etwas abgeschwächt, da hier auch ältere Menschen Beiträge zahlen, die Pflege- und die Krankenversicherung.
Eine Möglichkeit, das Ungleichgewicht der Generationen abzumildern, wird in Deutschland von Ökonomen und Politikern diskutiert; sie soll auch hier nicht unerwähnt bleiben. Bei den vielen Menschen, die vor dem Leid und der Not in ihren Heimatländern nach Deutschland geflüchtet sind, handelt es sich überwiegend um junge Erwachsene. Sie gehören damit den Altersjahrgängen an, die hierzulande schwach besetzt sind. Werden sie integriert und ausgebildet, stehen sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung und können dazu beitragen, Sozialleistungen auch für Ältere zu finanzieren.
Zu bedenken ist jedoch, dass ein rein ökonomisch motiviertes Nutzendenken allein aus deutscher Sicht nicht angemessen ist. Sollten Kriege und Verfolgung in den Herkunftsländern der Geflüchteten überwunden werden können, so werden etliche von ihnen dorthin zurückkehren. Sie würden zum Wiederaufbau des Gemeinwesens dringend gebraucht werden.
Übungsaufgaben zu Teil II Kapitel 1
Aufgabe 1
Im Sozialrecht taucht häufig der Begriff »Kontrahierungszwang« auf. Was ist darunter zu verstehen und was hat der Begriff mit der Sozialversicherung zu tun?
Aufgabe 2
Sozialversicherungen gewähren Sach- und Geldleistungen. Nennen Sie je drei Beispiele.
Aufgabe 3
Die demografische Entwicklung in den reichen Ländern der Welt wird in der Fachsprache