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Lebendige Seelsorge 4/2017


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Aspekte einschl. Glaubenssysteme, Theologien, formulierte EthikenRäumliche Übersetzungen des Heiligen und des Profanen, Umwelt-Ethiken; Diskursive Verräumlichungen von Religionen (z. B. „christliches Abendland“)Institutionelle Aspekte (einschl. Organisationen, Hierarchien, Gouvernance) und Vergesellschaftung von ReligionOrganisierte Religion und/im Staat; Vergesellschaftung von religiösen Einrichtungen und Praktiken in lokalen, regionalen oder nationalen Kontexten; Zentren und Peripherien religiöser Organisationen; Zusammenleben in multireligiös geprägten StadtteilenMaterialität und ReligionGestaltung und soziale Nutzung religiös konnotierter Räume; (auch konflikthafte) Vergesellschaftung von Sakralbauten wie z.B. in Moscheekonflikten; Umnutzungen und Neunutzungen von Kirchbauten in religiösen RückzugsgebietenPraktiken und Religion (einschl. Ritualen, Performanzen)Materielle Infrastrukturen und Rituale; räumliche Differenzierungen religiöser Praktiken(Subjektive) Erfahrungen und ÜberzeugungenKörperlichkeit/Materialität und Religion; räumliche Differenzierungen religiöser Überzeugungen

      Tab. 1: Dimensionen von Religion und exemplarische geographisch relevante Fragestellungen

      Dies gilt, auf der „untersten“ sozial-räumlichen Maßstabsebene menschlicher Interaktion, für die Kontexte des Vorhandenseins, der räumlichen Verteilung, der Ausstattung und der institutionellen Zugänglichkeit von Kirchräumen, von Räumen für Begegnungen und gemeinschaftliche Aktivitäten oder für die Einübung spezifischer religiöser Praktiken wie der Kontemplation.

      Dies gilt auch für die weiter gefasste Maßstabsebene des eigenen Stadtteils, Dorfes oder der Region mit den je spezifischen sozialen, ökonomischen, kulturellen, infrastrukturellen Potentialen, Problemlagen sowie Besonderheiten, welche sich in peripheren ländlichen Regionen anders gestalten als in multikulturell geprägten gründerzeitlichen Großstadtvierteln.

      Entsprechende materiell-räumliche Situationen können aber nicht nur Kontexte, sondern auch Medium und „Zielvariablen“ pastoralen Handelns darstellen, wenn dieses sich zum Beispiel darum bemüht, zunächst einmal Orte der Begegnung zu schaffen und zu erhalten oder auch sozialräumliche Problemlagen im eigenen Stadtteil zu entschärfen. Gerade die Geographie hat heute eine Sensibilität dafür, dass das Denken und Verwalten in „Raumcontainern“ – und als solche ließen sich territorial abgegrenzte Pfarreien betrachten – in einer Reihe von Zusammenhängen wenig zielführend ist und z. B. der sozialräumlichen Lebenswirklichkeit vieler Menschen kaum mehr entspricht.

      Tradierte Systeme wie das Territorialprinzip haben im öffentlichen Bereich auf der anderen Seite für die Beteiligten auch Vorteile, da sie z. B. Zuständigkeiten klar abgrenzen und potentielle organisationsinterne Konflikte minimieren helfen. Unter einer „pastoralen Geographie“ ließen sich z. B. auch Netzwerke von zugleich Orten, Institutionen und Personen verstehen, welche pastoral fruchtbar tätig sind. Ich denke hier an Orte wie Taizé oder klösterliche Gemeinschaften, die über personale Netzwerke und mit ihnen verbundene lokale Gruppen in zahlreiche Orte und Gemeinden ausstrahlen. Die religiöse Praxis ist eine, die Vorbilder und gemeinschaftliche Einübung braucht und damit auch Orte, an denen beide im Nahbereich zu finden sind.

       LITERATUR

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      Wissen, Markus u.a. (Hg.), Politics of Scale. Räume der Globalisierung und Perspektiven emanzipatorischer Politik, Münster 2008.

       Auf Augenhöhe

      Wer kennt das nicht: Eine Idee schwirrt im Kopf, ein Projekt wird skizziert, das Vorhaben bei (vermeintlich) passender Gelegenheit präsentiert. Nicht immer, aber sehr oft hängt es dann von den Reaktionen der Gesprächspartner/innen ab, ob und wie es mit dem ursprünglichen Anliegen und Plan weitergeht.

      Dass es so etwas wie eine „Pastoralgeographie“ bräuchte, war ursprünglich und ist im Grunde noch immer „nur“ eine Idee. Die Resonanzen von Seiten des einen oder der anderen Kollegen bzw. Kollegin haben dafür gesorgt, dass der ursprüngliche Gedanke – der in Pastoral und Pastoraltheologie auffällig häufige Gebrauch von Raummetaphern braucht eine kritische und dabei eben auch raumwissenschaftliche Vergewisserung – nicht verworfen, sondern weiterverfolgt wurde. Die Gelegenheit, sich darüber nun (zumindest indirekt und in Form des Hin und Her unserer jeweiligen Beiträge zu diesem Themenschwerpunkt) mit einem Geographen kollegial austauschen zu können, ist nicht nur ein persönlicher Gewinn, sondern leitet aus meiner Sicht bereits eine neue Phase des pastoralgeographischen Projektes ein.

      Dabei macht Thomas Schmitt es einem Pastoraltheologen mit der Idee im Kopf, Pastoral geographisch (neu) zu denken, nicht wirklich leicht, wenn er statt „Pastoral“ die „Religion“ in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellt und von daher „Grundzüge und Perspektiven geographischer Religionsforschung“ skizziert. Ähnlich wie vielleicht beim Verhältnis von Religions- und Pastoralpsychologie wird man auch hier Schnittmengen und Divergenzen identifizieren können bzw. konstatieren müssen.

      Umso bedeutsamer erscheint die von Schmitt gleich zu Beginn seiner Ausführung angemahnte „Klärung des Verständnisses grundlegender Begriffe“. Er tut dies insbesondere im Blick auf „Religion“ sowie „Raum“ bzw.