Philipp Görtz

Ignatianische Schulpastoral


Скачать книгу

von Leben wahrnimmt. Der Mensch erfährt sich als frei durch Gott, betrachtet sich allerdings als Teil universeller Prinzipien, die in Form eines Heilsplans oder göttlicher Vorsehung angenommen werden und ihm Sinn und Orientierung geben (Korrelation und Heilsplan). Der Mensch nimmt eine universale Perspektive ein, von der her das Letztgültige in der unbedingten Intersubjektivität erfahren und als absolute Freiheit und Bedingung der Möglichkeit endlicher Freiheit betrachtet wird. Im verantwortlichen zwischenmenschlichen Handeln, das vom Letztgültigen durchdrungen und transzendiert wird, wird der Mensch frei für Gott und kann (Heils-)Geschichte mitgestalten (religiöse Autonomie durch unbedingte Intersubjektivität). Empirisch nicht zu belegen, aber systemlogisch unverzichtbar ist eine sechste Stufe, auf der ein Mensch erfährt, dass sich die eigene, intersubjektiv konstituierte Freiheit an universaler Kommunikation und Solidarität orientiert sowie an seiner Beziehung zum Letztgültigen. Er weiß, dass alles Fragmentarische voll integriert und er selbst vom Letztgültigen unbedingt angenommen ist (universale Kommunikation und Solidarität). Auch an dieses Modell lassen sich Fragen richten, seine Stärke besteht jedoch darin, zu zeigen, dass religiöses Lernen ein Operationsvorgang ist, der auf religiöse Autonomie zielt und der stimuliert werden kann. Grundsätzlich positiv zu würdigen ist die Erkenntnis, bei allen religiösen Lehr-Lern-Prozessen auf die Fähigkeiten und Kapazitäten des Lernenden zu achten und die Aufgabenschwierigkeit so anspruchsvoll anzulegen, dass sie weder unter- noch überfordert, sondern einen Anreiz darstellt, sich fortzubilden und weiterzuentwickeln. Für die Religionspädagogik entlastend ist die Erkenntnis und Einsicht, dass eine kritische Phase prinzipiell Bestandteil der religiösen Entwicklung sein kann und von Religionslehrern, Seelsorgern oder anderen nicht zu leichtfertig abgetan werden darf in dem Sinn, dass sie versuchen, Jugendliche möglichst schnell zur nächsthöheren Entwicklungsstufe „hinüberzuführen“. Theologisch beachtenswert ist auf den oberen Stufen die Betonung der Intersubjektivität und des Mitwirkens des Menschen an der Schöpfung und dem Reich Gottes, worin sich für religiöse Bildung und Erziehung eine Zielperspektive zeigt.

       1.2.2Religiöse Entwicklungskontexte

      In den letzten Jahren waren es insbesondere exogene Erklärungen, die versuchten, die religiöse Entwicklung des Menschen soziologisch einzuholen. Ausgehend von der sozial-kognitiven Lerntheorie Albert BANDURAS, deren Grundthese lautet, dass der Mensch lernt, indem er das Verhalten anderer beobachtet, dieses kognitiv verarbeitet und schließlich in sein Handlungskonzept einbaut, erkannte man, dass Modell- bzw. Beobachtungslernen mit zunehmendem Alter nicht einfach durch „trial and error“ geschieht, sondern durch Beobachtungseindrücke und Nachahmungshandlungen, die wiederum eingebettet sind in kognitive und verbale Verarbeitungsprozesse. Lernen – so die zentrale Erkenntnis – geschieht immer in einem sozialen Kontext. Das bedeutet, auch individuelles Lernen stellt einen Sozialisationsprozess dar, weswegen es im Bereich religiöser Bildung von grundlegender Bedeutung ist, die sozial-religiösen Bedingungen (etwa Lernorte der Glaubensvermittlung, aber auch materielle, geschichtliche und kulturelle Kontexte religiöser Erziehung) in Betracht zu ziehen. Bernhard GROM geht davon aus, dass Glauben-Lernen nachhaltig nur gelingt, wenn religiöse Fremdsozialisation eine entwicklungsfördernde Selbstsozialisation anregt und beide sich wechselseitig bedingen. Fremdsozialisation geschieht durch Lernen am Modell, durch Unterweisung sowie durch Fremdverstärkung und soziale Bestätigung. Aufgabe jeder Form von Fremdsozialisation muss es sein, die Selbstsozialisation Jugendlicher anzuregen, wodurch Glaubenswissen, Glaubenspraxis und eine Gottesbeziehung fester verankert und tiefer verwurzelt werden. Selbstsozialisation geschieht, wenn Heranwachsende durch Einsicht lernen, durch Selbstverstärkung und nicht zuletzt dadurch, dass sie sich selber als Handelnde erfahren.

      Soziologische Studien zur Jugendreligiosität analysieren das Wertesystem Jugendlicher und stellen fest, dass dieses in den letzten Jahren recht stabil geblieben ist. Jugendliche orientieren sich wieder vermehrt an „traditionellen“ Werten, vereinbaren dieses Streben aber zugleich mit einer Orientierung an „modernen“ Selbstentfaltungswerten – der Gottesglaube als Wertorientierung spielt bei der Lebensgestaltung Jugendlicher eine untergeordnete Rolle. Obwohl das Wertesystem Jugendlicher heutzutage vorrangig säkular ausgerichtet ist und Glaube sich weniger in Glaubensüberzeugungen oder einer religiösen Praxis als vielmehr in einem Glauben an Werte und Ideale und an sich selbst ausdrückt, gibt es dennoch Berührungspunkte und Verknüpfungen mit expliziter Religiosität. Kirchennah gläubige Jugendliche vertreten häufig soziale Werte, sind familien- und traditionsorientierter sowie eher bereit, sich freiwillig bzw. ehrenamtlich zu engagieren. Jugendliche, die sich zum Glauben an einen persönlichen Gott bekennen, heben sich mit ihrem Wertesystem durch ein charakteristisches Profil deutlich aus der breiten Masse der heutigen Jugend heraus.

      Die in den vergangenen Jahren häufig zitierte Sinus-Milieu-Studie beschäftigt sich mit der Frage, wie Kirche mit ihrer Botschaft die unterschiedlichen Milieus in unserer zunehmend segmentierten Gesellschaft erreichen kann. Obwohl Kirche einen hundertprozentigen Bekanntheitsgrad hat, haftet ihr ein negatives Image an, das sich mit konservativ, nicht mehr zeitgemäß, rigide und fern von den Bedürfnissen der Menschen charakterisieren lässt. Entsprechend rückläufig ist die Akzeptanz selbst in denjenigen Milieus, in denen Kirche noch stark vertreten ist und zu denen sie einigermaßen Zugang hat. Versteht man die verschiedenen Milieus als Kontexte religiöser Entwicklung für Kinder und Jugendliche, so ist Zweierlei zu beachten: 1. Kinder wachsen in einem bestimmten Elternhaus auf, werden also von einem speziellen elterlichen Milieu geprägt und diesem zugeordnet. Es ist offensichtlich, dass einige Milieus mehr Wert auf eine bewusste Glaubensweitergabe legen als andere und dass der Glaube in gewissen Milieus selbstverständlicher gelebt wird sowie gegenüber Kirche ein zugewandteres Verhältnis besteht als bei anderen. Trotzdem lässt sich daraus nicht schließen, dass hier automatisch die Reproduktion einer positiven Einstellung zur Religion geschieht. 2. Die „Milieustudie U27“ spricht bei Jugendlichen auf vorsichtige Weise von „Milieuorientierung“ mit einer gewissen Milieulogik (wie man sich etwa gegenüber Glaube, Religion und Kirche positioniert). Katholische Schul- und Jugendpastoral gelingt es immerhin, mit bestimmten Angeboten einen Zugang zu einem Teil der traditionellen, bürgerlichen, postmateriellen und experimentalistischen Jugendlichen sowie zu den sogenannten Performer-Jugendlichen zu erschließen. In Zukunft wird es darauf ankommen, die Kommunikation mit den unterschiedlichen Milieus zu fördern, was voraussetzt, die jeweiligen Bedürfnisse genau zu kennen.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4AAQSkZJRgABAgAAAQABAAD/2wBDAAgGBgcGBQgHBwcJCQgKDBQNDAsLDBkSEw8UHRofHh0a HBwgJC4nICIsIxwcKDcpLDAxNDQ0Hyc5PTgyPC4zNDL/2wBDAQkJCQwLDBgNDRgyIRwhMjIyMjIy MjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjL/wAARCBNiC7gDASIA AhEBAxEB/8QAHwAAAQUBAQEBAQEAAAAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtRAAAgEDAwIEAwUFBAQA AAF9AQIDAAQRBRIhMUEGE1FhByJxFDKBkaEII0KxwRVS0fAkM2JyggkKFhcYGRolJicoKSo0NTY3 ODk6Q0RFRkdISUpTVFVWV1hZWmNkZWZnaGlqc3R1dnd4eXqDhIWGh4iJipKTlJWWl5iZmqKjpKWm p6ipqrKztLW2t7i5usLDxMXGx8jJytLT1NXW19jZ2uHi4+Tl5ufo6erx8vP09fb3+Pn6/8QAHwEA AwEBAQEBAQEBAQAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtREAAgECBAQDBAcFBAQAAQJ3AAECAxEEBSEx BhJBUQdhcRMiMoEIFEKRobHBCSMzUvAVYnLRChYkNOEl8RcYGRomJygpKjU2Nzg5OkNERUZHSElK U1RVVldYWVpjZGVmZ2hpanN0dXZ3eHl6goOEhYaHiImKkpOUlZaXmJmaoqOkpaanqKmqsrO0tba3 uLm6wsPExcbHyMnK0tPU1dbX2Nna4uPk5ebn6Onq