in Mainfranken hält man die Esche hoch. Aschfeld wird zum Eschenfeld und Aschenroth zur Eschenrodung. Ganz ebenso ist dann Aschach der Ort am Eschenwasser und Aschaffenburg eine Eschenwasserburg. Bevor wir uns diesen beiden zuwenden, ein kurzes Wort zu Aschenroth, heute ein Ortsteil von Gemünden. Sein Ursprung wird als Rodungsinsel gesehen, entsprechend ‚roth‘ mit roden gleichgesetzt. Urkundlich 1316 erstmals genannt, als Hassenroda, könnte man dies für einen Ort der späten Ausbauzeit gelten lassen. Ein mittelhochdeutsches Wort ‚hasche‘ für Axt soll nun den ersten Wortteil erklären, was zusammen „mit der Axt gerodet“ ergäbe. Das ist Volksetymologie pur. Nun will die lokale Tradition die Gründung gar in die Zeit Karls des Großen verlegen. Vielleicht wohnte man hier sogar noch früher, wir liegen mitten im Altsiedelland. Fernwege zogen durch, lang bevor ein Franke seinen Fuß hierher setzte. Nur ist damit die ordnungsliebende Herleitung perdu. Im Gegenteil wäre dann, ganz unordentlich, das alte Sumpfwort ‚rod‘ zu erwägen.
Aschfeld liegt nicht weit von hier, am Aschbach kurz vor dessen Mündung in die Wern. In einem feuchten Bachgrund also, was der Zusatz ‚feld‘ auch meint, und blickt urkundlich auf zwölfhundert Jahre Geschichte. Heute gehört es zu Eußenheim, und in der Gegend stolpert man gleichsam über älteste Namen. Hier will ich nur an Schönarts erinnern, ebenso ein Ortsteil von Eußenheim. Auf die alte Wernfurt weist noch ein Turmstumpf, kümmerlicher Rest der Burg, die ihn bewachen sollte, hätte der Würzburger Bischof sie nicht sogleich schleifen lassen. Der Altweg diente als wichtige Verkehrsader, nach vielen anderen auch für die frühen Franken. Aber Schönarts heißt nicht etwa so, weil der Landstrich von schöner Art sei. Bevor viele faule Münder den Namen schliffen, lautete er Schonenhart. Den feuchten Wald verlor er, denn das meint hart, bewahrt blieb das Moorwort ‚scon‘, allemal älter als die frühen Franken hier. Der Flurname beschrieb also ein Sumpfgehölz an der Furt. Das kann man sich gut vorstellen, erst recht nach der Renaturierung der Wern.
Nun zu Aschach nahe Bad Kissingen, wo die Aschach in die Saale fließt. Und zu Aschaffenburg, an der Mündung der Aschaff in den Main gelegen. Unbestritten ist die Herkunft der Namen von den jeweiligen Gewässern. Obwohl zumindest bei Aschaffenburg ein früher Deuter anderes erwog: Eine Urkunde des 12. Jahrhunderts nennt eine alte, schon lange völlig zerstörte Burg, die nach dem sie umfließenden Bach ‚Ascafa‘ heiße oder, „wie manche wollen“, nach ihrem Gründer Ascanius. Solch einen sagenhaften Gründer wollen heute nicht mehr viele. Da die früheste Nennung ‚Ascapha‘ lautet, gilt der Gewässername Aschaff als grundlegend. Er enthält die indogermanische Wurzel ‚ap‘, Wasser oder Fluss bedeutend. Ansonsten sehen die einen als Bestimmungswort die Esche; die anderen das indogermanische Wasserwort ‚asc‘, das in der Variante ‚esc‘ für das Keltische als Sumpfwort bezeugt ist. Und so verhält es sich mit Aschach, ebenfalls nach einem Bachnamen, in den alten Urkunden als Asgaha und Ascaha mit vielen Schreibvarianten festgehalten.
Werfen wir noch einen kurzen Blick auf Escherndorf und Eschau. Dieses liegt im Spessart an der Elsava, jenes am Main, der Vogelsburg zu Füßen. Ältere Lesart sieht hier einen Ort am Eschich, dem Eschengehölz. Da Escherndorf urkundlich 1316 als Eschrichsdorf erscheint, finden wir bei Reitzenstein einen Personennamen Eskerich oder Eschirich. Den entnimmt er aber allgemeinen Namenbüchern. Sein Deutungsvorgänger Peter Schneider sieht ein Dorf des Escherich, ebenfalls ohne Beleg einer solchen Person mit Verbindung zum Ort. Er ist ohnehin wesentlich älter: Mit der prähistorischen Befestigung auf dem Vogelsberg bringt ihn die Forschung in Verbindung, für die er vermutlich Furtort war. Da denken wir lieber an ‚esc‘ oder ‚asc‘, sei es nun als Eschich oder Dorf am Sumpfwasser, passen würde beides. Für spätere Zeit ist ein Fernweg verbürgt, von Würzburg über den Main auf die Hallburg zu. Noch heute erinnern Flurnamen wie Steig und Heerweg an ihn.
Eschau wiederum wird gern als Gründung der Grafen von Rieneck gesehen. Man kann es insofern gelten lassen, als diese hier territoriale Interessen hatten und der Ort für sie wichtig war. Doch auch hier siedelten schon viel früher Menschen. Zudem verlief dort entlang eine Altstraße vom Main her über den Spessart. Falls ein Beleg um das Jahr 1000 den Ort meint, dann lautet der erste überlieferte Name Ascahe. Reitzenstein will darin als ursprünglichen Flurnamen Eschengehölz sehen. Lenken wir die Augen ans Ende des vorletzten Absatzes: Wir sehen fast gleich Ascahe neben dem Gewässer Ascaha stehen. Mir scheint, ein Wasserbegriff erklärt Eschau besser. Erst später eingedeutet wurde die Au, das ist klar. Übrigens mündet ein Aubach gerade bei Eschau in die Elsava.
Mainfränkisches Gelächter
Namen sind eine todernste Sache. Wie sonst wäre das Hauen und Stechen der Forscher verständlich. Als gälte es dem Innersten der Welt und was sie dort zusammenhält, wo es nur um Namen geht. Nur? Deren Geheimnis zu lüften, ihren verborgenen Sinn aufzuspüren, das kann einen Kopf schon in Beschlag nehmen. Bis sich im einen oder andern Kopfe die Schlüsse nur noch im Kreise drehen, Gefangene der eigenen Thesen, denen man zur Not auch mal die Vernunft opfert: Hauptsache, wir kriegen es passend. Da wird es rasch zum Bierernst.
Namen sind die heiterste Sache der Welt. Wie sonst ließe sich der Erfolg solcher Bücher erklären, die in der Namenlandschaft wildern mit dem Ziel, lustige Namen herauszupicken zum Gaudium ihrer Leserschaft. Lachen sei schließlich gesund. (Hängt aber davon ab, ob man zu den Lachern gehört oder unter die Verlachten zählt.) Tatsächlich ist Spott unter Nachbarn nicht gerade selten, verulkt man Einwohner gern wegen ihres Dorfnamens: zu dem sie freilich nicht einmal etwas können und der fast nie das bedeutet, was die Spötter in ihm sehen wollen.
Natürlich kennt auch Mainfranken seltsame Ortsnamen. In der eingedichteten Deutung scheinen manche sogar lustig. Lauschen wir also mainfränkischem Gelächter. Zum Beispiel Fritz Dunkel und seiner nicht ganz bierernst gemeinten „Rhöner Ortsnamenkunde“, wo er vor sieben Jahrzehnten en passant das Deutungshickhack auf die Schippe nahm: „Darüber sind wir in der Rhön schon lange erhaben“, wischt er den Gelehrtenstreit beiseit und hebt die Namen mit biblischer Anleihe auf eine Ebene, wo sie nach „Herkunft und Deutung unanfechtbar“ seien. Das Stückchen schreibt er Noah zu, der mit seiner Arche nicht in Armenien am Ararat gestrandet sei, sondern in der südlichen Rhön. Erster Seufzer: „So, den Berg hätten wir!“ Schon hat Noah dem Sodenberg an der Saale den Namen verpasst. Dann trotteten und krochen, flogen und krabbelten seine Tierpassagiere von Bord. Faule blieben in der Nähe, die Ehrgeizigen trieb es weiter, jedenfalls richteten sie sich alle doch irgendwo ein. Und gaben dem jeweiligen Ort seinen Tier-Namen: Kühsinge und Roßbach, Hammelburg und Hundsfeld, Fuchsstadt und Katzenbach, Motten und Schnackenwerth und wie sie sonst noch heißen.
Tatsächlich foppt uns eine beträchtliche Zahl an Orts- und Flurnamen, Berg- und Gewässernamen mit Tieren oder Pflanzen als Bestimmungswort. Darunter versteht man jenen Bestandteil, der das Grundwort näher bestimmt, seine Eigenschaft beschreibt: So werden dann eben zum Beispiel die vielen, vielen Roßbäche als Bäche gesehen, wo Rosse grasen. Manchmal mögen diese Deutungen sogar stimmen. Oft aber haben spätere Generationen die netten Tierchen und hübschen Pflänzchen einfach hineingedichtet, weil sie ein anderes, ursprüngliches Bestimmungswort nicht verstanden. Auf die Art entwickelte sich mancher Ortsname zu heutiger Form. Weil aber die meisten Menschen alles eins zu eins wörtlich nehmen, erklärt man sie auch gerne so und sucht nicht lange nach einem verborgenen, eigentlichen Sinn. Volksetymologie nennt man das. Die werfen sich Wissenschaftler schon mal gerne gegenseitig vor. Und treffen nicht selten ins Schwarze.
Lauschen wir einer weiteren hübschen Geschichte, die Fritz Dunkel erzählt: über den Drasenberg und die beiden Weiler Gomfritz und Sterbfritz an seinen Hängen. Ein Reiter ruft seinem kranken Pferd aufmunternd zu: „Gomm Fritz! Gomm Fritz!“ Es schlepptt sich noch über den Berg, wo es kraftlos niedersinkt. Da bleibt ihm nur noch zu sagen: „Sterb Fritz! Sterb Fritz!“ Volksetymologie reinsten Wassers. Klassisch verbrämt noch dazu, wie der Drasenberg zum Namen kam: Dort sei der römische Feldherr Drusus vom Pferd gestürzt, der ursprüngliche Name also Drusenberg gewesen. Hübsches Geschichtchen. Klassische Bildung kann aber wirklich mehr.
Die germanistisch geprägte Erklärung sieht in Sterbfritz die Siedlung eines Starkfriedes. Getreu der Deutungsmode, die Personennamen sucht, hinter denen man eine Gründerpersönlichkeit wähnt. Das mag hin und wieder zutreffen. Die ersehnten Urkunden hierüber