Sebastian Holzbrecher

Der Aktionskreis Halle


Скачать книгу

Dieser Dank gilt ebenso den Fellows des Theologischen Forschungskollegs, im Besonderen Prof. Dr. Peter Hünermann, Prof. Dr. Josef Wohlmuth, Prof. Dr. Andreas Merkt und Prof. Dr. Urs Altermatt sowie dem Direktor der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, Prof. Dr. Karl-Joseph Hummel.

      Für die freundliche Gewährung von Druckkostenzuschüssen danke ich den Diözesen Erfurt, Magdeburg, Berlin und Würzburg.

      Den Herausgebern der „Erfurter Theologischen Studien“ Prof. Dr. Josef Pilvousek und Prof. Dr. Josef Römelt bin ich für die Aufnahme meiner Dissertation in diese Reihe zu Dank verpflichtet. Ein besonderer Dank gilt schließlich Dr. Reinhard Krug, der mit großer Sachkenntnis das Lektorat übernommen hat.

      Abschließend möchte ich meinen Eltern und Schwiegereltern, meinem Bruder Markus sowie meiner Frau Kim und unseren Kindern Julian, Valentin, Isabelle und Emilia danken, denen dieses Buch gewidmet ist.

      Erfurt, Dezember 2013

      Sebastian Holzbrecher

       EINLEITUNG

      Seit 1945 schwebte die Kernfrage – Ist Kirche und Christsein unter dem Kommunismus möglich und wenn ja, wie? – als Damoklesschwert über dem ostdeutschen Katholizismus. Nach einer anfänglich eher skeptischen Haltung, die sich an der Person Kardinal Preysings3 festmachen lässt, wurde diese Frage zunächst durch bischöfliche Metaphern zu beantworten gesucht. Dabei verglich man die Lage der katholischen Kirche in der DDR mit einer „Gärtnerei im Norden“, einem „fremden Haus“ und der Situation von „Daniel in der Löwengrube“, der den Löwen weder streicheln noch am Schwanz ziehen solle.4 Die weltanschauliche Distanz und eine gewisse Resistenz gegenüber der totalitären Diktatur der SED stellte bis 1989 ein zentrales Moment in der Identität katholischer Christen in der DDR dar. Dies führte zum Modus einer politisch abstinenten Kirche, zu der eine denkwürdige Sprachregelung gehörte: Kirchlicherseits vermied man es stets von der „Katholischen Kirche der DDR“ zu sprechen, weil man darin staatstragendes Potential erblickte. Die bleibende Distanz zur SED-Diktatur sollte durch eine Präposition kenntlich gemacht werden: „Katholische Kirche in der DDR“. Mit dieser Distanz zum Staat war jedoch zugleich eine Passivität gegenüber der ideologisch geformten, überwachten und seit 1961 eingemauerten Gesellschaft verbunden.5 Im Laufe der 40jährigen sozialistischen „Wüstenzeit“ der Kirche änderte sich jedoch das Verständnis dafür, welches Verhältnis die Kirche und die Christen gegenüber den hier lebenden Menschen einnehmen sollten. Zu diesem Prozess der kirchlichen Positionsbestimmung traten ab 1965 Aussagen und Anspruch des Zweiten Vatikanischen Konzils. Wie sollte die kleine Zahl von Katholiken in der DDR den geforderten Dialog mit der Welt, in diesem besonderen Fall auch einer atheistischen Einparteiendiktatur führen, wenn das Ziel staatlicher Kirchenpolitik die gesellschaftliche Zurückdrängung und Zersetzung der Kirchen war? Wie sollte die Brüderlichkeit des Gottesvolkes gelebt werden, wenn staatliche Organe und geheimpolizeiliche Spitzel nach Einfallstoren in die kirchliche Phalanx suchten? Wie sollte die missionarische Sendung der Kirche und des Einzelnen gestärkt werden, wenn das christliche Engagement durch die Staatsideologie manipuliert, vereinnahmt und missbraucht wurde?

      Die innerkirchliche Beantwortung dieser und weitere Fragen führte seit Mitte der 1960er Jahre zu nicht unerheblichen Kontroversen auf verschiedenen Ebenen des kirchlichen Lebens. Vielen schritt die Umsetzung des Konzils nicht schnell genug voran, während anderen die anvisierten „Reformen“ zu weit gingen und eine Schwächung gegenüber der Diktatur zu bedeuten schienen. In dieser angespannten Situation gründete sich 1970 der Aktionskreis Halle, jene Gruppe aus Priestern und Laien, die vielen in der DDR als „Nestbeschmutzer“, den meisten als „entfant terrible“ des ostdeutschen Katholizismus galt und bis heute noch in bestimmten Kreisen gilt.

      Die kirchengeschichtliche Arbeit ist darauf angelegt, historische, politische und theologische Dimensionen des Themas zu einer Synthese zusammenzuführen. Der Aktionskreis Halle hat sich in die konkrete geschichtliche Situation der DDR hineinbegeben und dabei dieses Land und seine Menschen als Ort und Ziel der kirchlichen Sendung realisiert und postuliert. Erscheint es nicht gerechtfertigt, aufgrund des Einsatzes all jener, die die DDR als ihre Heimat verstanden und hier Kirche für die Menschen sein wollten, von einem „Katholizismus der DDR“ zu sprechen? Eine solche Perspektive würde auch dafür sensibilisieren, dass sich die Kirche von ihrem Stiftungswillen und Auftrag distanziert, wenn sie sich aufgrund äußerer Einflüsse und Unwägbarkeiten von ihrem missionarischen Einsatz für das Evangelium dispensiert.

      1.Forschungsgegenstand

      Die zeitgeschichtliche Katholizismusforschung fokussierte in der ersten Dekade nach dem Fall der innerdeutschen Mauer 1989 auf den Ausgleich eines veritablen Informationsdefizites hinsichtlich der katholischen Kirche in der DDR.6 Es galt, die kirchlichen Strukturen und Entwicklungen seit 1945 anhand von Quellen zu erforschen und darzustellen.7 Themenschwerpunkte waren dabei unter anderem das Schicksal von Millionen katholischer Flüchtlinge und Vertriebenen, Biografien der ostdeutschen Bischöfe und bischöflich beauftragten Priester in den Bistümern und Jurisdiktionsgebieten in der SBZ/DDR sowie die Entstehung und das Wirken kirchlicher Institutionen am Beispiel der bischöflichen Caritas und der ostdeutschen Priesterausbildung in Erfurt. Mit der Erforschung des Aktionskreises Halle, für den sich allgemein die Kurzbezeichnung AKH durchgesetzt hat, drücken sich ein neues Forschungsmotiv und eine veränderte Forschungsperspektive aus. Der bisherige Fokus verschiebt sich dabei von den Strukturen und Personen der Institution Kirche zugunsten einer stärkeren Wahrnehmung des kirchlichen Lebens auf der Ebene der Gemeinden und Vereinigungen. Damit wird eine Zwischenebene in den Blick genommen, die einen Beitrag zu leisten vermag für eine zukünftig noch zu verfassende Sozialgeschichte der Kirche in der DDR.

      Die Darstellung der Geschichte und Entwicklung des Aktionskreises Halle von 1969 bis 1989 ist zuerst im Kontext der Magdeburger Regional- und Bistumsgeschichte anzusiedeln.8 Wie es zur Gründung einer kirchlichen Gruppierung Ende der sechziger Jahre im Kommissariat Magdeburg, dem Ostteil des Erzbistums Paderborn, kam, was ihre pastoralen Ziele und theologischen Intentionen waren und wie sie sich im kirchenpolitischen Spannungsfeld zwischen SED-Staat und katholischer Kirche bewährte, sind entscheidende Eckpunkte bei der historischen Beschreibung und Einordnung dieser postkonziliaren Reformgruppierung. Da es sich beim Aktionskreis Halle um die einzige Gruppe dieser Art in der gesamten ostdeutschen katholischen Kirche handelt, die in alle Bistümer und Jurisdiktionsgebiete sowie in alle relevanten gesellschaftlichen und kirchlichen Themen hinein vernetzt war, avanciert er zu einem bislang einzigartigen Forschungsgegenstand. Die vielfältigen Verbindungen der Hallenser Protagonisten zu bundesdeutschen Priester- und Solidaritätsgruppen werfen natürlich auch die Frage nach grenzüberschreitenden kirchlichen und theologischen Interdependenzen auf.

      Über den regionalgeschichtlichen Ansatz hinaus gewinnt die Darstellung des AKH im Hinblick auf die Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 – 1965) an Relevanz und Bedeutung. Aus der Art und Weise, wie diese basiskirchliche Gemeinschaft - damit ist eine Gruppe von Priestern und Laien definiert, die sich jenseits territorialer Strukturen zusammenfand - das Recht für sich in Anspruch nahm, eine freie Gemeinschaft zu gründen und dabei bestimmte Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen des Konzils ohne bischöfliche Autorisierung, ja oftmals gegen sie zu rezipieren, zu interpretieren und pastoral umzusetzen, ließen sich prototypische Rezeptionsweisen herausarbeiten, deren Legitimität vor dem Hintergrund ekklesiologischer Modelle zu analysieren ist. Darüber hinaus kann anhand exemplarischer Vergleiche mit den Positionen des Aktionskreises nachvollzogen werden, ob, wie und ab wann bestimmte Konzilsaussagen durch die ostdeutschen Bischöfe rezipiert wurden. Die komparative Auseinandersetzung mit dem Hallenser Aktionskreis und bestimmten Positionen der ostdeutschen katholischen Bischöfe ermöglicht die Diskussion verschiedener theologischer Fragen. Wie weit wurde die Geschwisterlichkeit des pilgernden Gottesvolkes umgesetzt und dadurch das bisherige eher klerikal dominierte Kirchenverständnis überwunden? Ist die katholische Kirche in der DDR in einen solidarischen Dialog mit ihrer Umwelt eingetreten und hat sie den von Gaudium et spes eingeforderten theologischen Ortswechsel hin zu einer Kirche in der Welt von heute vollzogen? Wurde das erneuerte