Dorothea Gnau

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beschränkt blieben, sondern in weiteren Kreisen rezipiert wurden.

      92Obwohl, wie oben erwähnt, bereits beim Ersten orthodoxen Theologischen Kongress 1936 in Athen viele der erwähnten Probleme der neuzeitlichen orthodoxen Theologie klar erkannt wurden und auch Lösungsansätze für eine Überwindung der Krise vorgeschlagen wurden, wurden diese in der griechischen Theologie noch kaum rezipiert.

      93»Ciò che Chomjakov probabilmente non previde, nell’avanzare la sua antitesi tra Oriente e Occidente, fu che un giorno anche l’Occidente avrebbe cercato di superare la sua 'cattività babilonese' e di risalire alle sue fonti.«, Ortodossia, 6. Parallelen zeigen sich auf den verschiedensten Ebenen, zwischen einzelnen Theologen ebenso wie in den Reaktionen und anfänglichen Widerständen seitens der Kirchenleitung. Es wäre lohnend, die Parallelen der Entwicklungen im Einzelnen genauer zu untersuchen, etwa den Ähnlichkeiten in der Theologie von Zizioulas und Rahner unter dem Blickwinkel ihrer zeit- und theologiegeschichtlichen Prägung nachzugehen.

      94Solche Tendenzen im heutigen Griechenland, die sich oft auch mit bestimmten politischen Interessen vermischen, werden polarisierend gegenübergestellt von M. Begzos in seinem Aufsatz: Die Rezeption der Aufklärung in Griechenland, a.a.O. In Abgrenzung von solchen Gruppen zeigt Zizioulas durchgängig in allen seinen Schriften eine sehr große Wertschätzung der genannten westlichen Theologie Zu einer Polarisierung zwischen Ost und West hatte schon die Bewegung der Slawophilen in Russland geneigt. Mit einem kleinen ironischen Seitenhieb auf Chomjakov und diese Bewegung bemerkt Zizioulas: »Anche se questo avrebbe molto sorpreso Chomjakov, rimane nondimeno vero che il ritorno alle antiche fonti patristiche, che ha segnato la teologia occidentale nel nostro secolo, è in gran parte responsabile della rinascita teologia ortodossa.«, Ortodossia, 6.

      95Die Eucharistie, 173.

      96Das Institut St. Serge wurde 1924 von russischen Exiltheologen, darunter auch Bulgakov eröffnet. Im gleichen Jahr kam Lossky nach Paris. Ein Jahr später wurde Florovsky nach Paris berufen. Zu St. Serge vgl. Ch. Künkel: Totus Christus. Die Theologie Georges V. Florovskys, Göttingen 1991 (= Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie; 62), 58ff, vor allem 61; zu St. Vladimir’s: ebd. 79 ff, dort auch weitere Literatur; D. A. Lowrie: S. Sergiius in Paris. The Orthodox Theological Institute, London 1954; F. Heyer: Geschichte der orthodoxen Kirche in Amerika, in: KO 5 (1962), 9-50.

      97Vgl. hierzu O. Clément: Orthodoxie et modernité, in: Actes du colloque sur l’orthodoxie dans le monde (27.-28.02.1984), Paris 1984, 36-47. Lossky war z. B. mit Daniélou befreundet. Vgl. J. Freitag: Geist -Vergessen – Geist-Erinnern: Vladimir Losskys Pneumatologie als Herausforderung westlicher Theologie, Würzburg 1995, 2247.

      98Ortodossia, 7. Alivisatos und Florovsky hatten auch über die Ökumenische Bewegung hinaus großen Einfluss auf die hier beschriebenen Veränderungen innerhalb der griechischen Theologie. Sie hatten bereits den Ersten Theologischen Kongress in Athen 1936 entscheidend mitgeprägt. Alivisatos war maßgeblich an der Vorbereitung beteiligt und hielt dort den Eröffnungsvortrag, in dem er ähnliche Töne wie Florovsky anschlug.

      99Yannaras: Theology, 210.

      100Giannakopoulos, 321736. Dort auch weitere deutschsprachige Informationen zur Person Koutroubis’ und seine Bedeutung für die theologische und ethische Erneuerung der Zoi-Bruderschaft. Vgl. außerdem ausführlicher Yannaras, image , 308-312; D. Mavropoulos: image (1921–1983) (Dimitris Koutroubis), in: Synaxi 2 (1983), 31-35 (im gleichen Band auch weitere Artikel); Spiteris, 257f.. 301f..

      101Yannaras, image (Dimitris Koutroubis), in: Synaxi 2 (1983), 6.

      102Yannaras: Theology, 211.

      103Giannakopoulos, 321.

      104Yannaras: Theology, 211.

       Drittes Kapitel

      Neuansätze

       I.Neopatristische Synthese

      Wie erwähnt, war es vor allem der russische Theologe Georges Florovsky (1893-1987)105, der durch seine Analyse der Geschichte der russischen Theologie auf die Missstände in der neuzeitlichen orthodoxen Theologie aufmerksam gemacht hat. Er war der erste, der seine kritische Sicht der russisch-orthodoxen Theologiegeschichte bereits 1936 auf dem »Ersten Kongress orthodoxer Theologie«, der vom 29.11. bis 06.12.1936 in Athen stattfand, vorgetragen und in Form seiner »Puti« schriftlich vorgelegt hatte. Er charakterisierte die Entfremdung der orthodoxen Theologie von ihrer Tradition als »babylonische Gefangenschaft«, beklagte ihren Mangel an Kreativität106, die Lebensferne einer »Theologie auf Pfählen«107, die Verwestlichung, die zur »Pseudomorphose«108 wird. Mit seinen anschaulichen Bildern hat Florovsky vor allem die Sprache, in der über die Situation der neuzeitlichen orthodoxen Theologie gesprochen wird, geprägt. Nahezu alle von orthodoxen Theologen in der Analyse der Fehlentwicklungen verwendeten Begriffe, die später auch von Zizioulas, Yannaras und Nellas immer wieder verwendet werden und inzwischen weitgehend zum Allgemeingut geworden sind, gehen auf Florovsky zurück.

      Seinen Lösungsvorschlag für die so hart analysierten Probleme hatte Florovsky ebenfalls bereits bei dem erwähnten Athener Kongress 1936 vorgetragen. In seinem zweiten Vortrag bei diesem Kongress »Patristics and Modern Theology«109 präzisierte er sie und entfaltete sie in vielen seiner späteren Schriften weiter. Es ist das Programm einer »Neopatristischen Synthese«. Die Grundlinien dieses Programms übernehmen sowohl Panagiotis Nellas als auch Christos Yannaras und Ioannis Zizioulas von Georges Florovsky.110 Allerdings ist die Neopatristische Synthese, wie sie Florovsky entwirft, kein fertiges geschlossenes System, sondern eher eine Zielbestimmung. Angesichts der Übergangssituation, in der sich die orthodoxe Theologie befand, und um dieser Übergangssituation gerecht zu werden, sagt Florovsky noch 1963 relativierend: »Man könnte das Ziel als 'Neopatristische Synthese' bezeichnen.«111 Was bedeutet 'Neopatristische Synthese'? Die Konsequenz aus der Analyse der Missstände in der orthodoxen Theologie liegt für Florovsky klar auf der Hand:

      »Die westlichen Einflüsse … müssen überwunden werden. Vor allem gilt dies für den unorganischen westlichen Stil… Doch kann endgültig die orthodoxe Theologie ihre Unabhängigkeit von den westlichen Einflüssen nur durch ihre geistige Rückkehr zu den väterlichen Quellen und Grundlagen wiederherstellen«, die die Kirche in ihrer liturgischen Praxis auch durch die ‚babylonische Gefangenschaft' hindurch bewahrt hat.«112

      Das Programm einer Rückkehr zu den Quellen und der erneuten Hinwendung zu den Vätern kann jedoch in zwei Richtungen missverstanden werden. Weder kann die Tatsache, dass die Väterzeit als interessanter Forschungsgegenstand erscheint, hinreichender Grund für die Beschäftigung mit einer längst vergangenen Epoche sein, noch kann es darum gehen, die Zeit der Kirchenväter idealisiert als verlorenes Paradies zu betrachten, das es wiederherzustellen gilt. In beiden Fällen wäre der Umgang mit den Kirchenvätern rein statisch und damit museal. Das Spezifikum der griechischen patristischen Theologie sieht Florovsky - und sehen mit ihm seine griechischen Schüler - jedoch in der existentiellen Relevanz ihrer Theologie für Menschen jeder Epoche. Diese zeichnet das Denken der Kirchenväter aufgrund seiner durchgängigen soteriologischen Ausrichtung aus, welche geradezu als ein Charakteristikum orthodoxer Theologie gelten kann. »Zu den Vätern zurückkehren, heißt jedoch nicht, aus der Gegenwart oder aus der Geschichte verschwinden, vom Schlachtfelde abtreten. Es gilt vielmehr, nicht nur die heilige väterliche Erfahrung zu bewahren und zu beschützen, sondern sie auch aufzudecken, von ihr aus ins Leben zu treten.«113

      In der neopatristischen Synthese geht es folglich nicht darum, Vätertheologie zu wiederholen, sondern die bleibende Wahrheit der christlichen Botschaft in jeder Zeit und für