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Lateral führen an Hochschulen


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zu entscheiden und dabei zunehmend diverse und wechselnde Teams auf ein Arbeitsziel hin zu motivieren.

      In dieser Entwicklung steht auch die wachsende Popularität des Konzepts der lateralen Führung (z. B. Kühl, Schnelle & Tielmann, 2005; Radatz, 2008). Bereits Anfang der 1990er-Jahre machte Wunderer mit Konzepten der Führung von unten auf die Funktion der Einflussnahme von der Seite (lateral) wie auch von unten zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben aufmerksam (Wunderer, 1992). Führung von unten wurde in diesem Kontext verstanden als »zielorientierte, wechselseitige und aktivierende soziale Einflussnahme auf Personen einer höheren Hierarchiestufe zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben« (Wunderer, 2003, S. 254).

      Wunderer identifiziert zentrale Strategien einer Führung von unten (mit sinkender Popularität): 1. Begründung, 2. Freundlichkeit, 3. Bestimmtheit, 4. Koalition, 5. Höhere Autorität und 6. Verhandlung.

      Dabei ist interessant, dass sich die präferierten Strategien mit jenen der Führung von oben in den ersten vier Punkten deckten. Es kehrte sich lediglich die fünfte und sechste Strategie in der Reihenfolge. Als siebter und unpopulärster Punkt war das Ergreifen von Sanktionen als ausschließliches Mittel hierarchischer Führung angesprochen. Hierarchische und laterale Führung dürften sich in Schönwetterzeiten nur mäßig voneinander unterscheiden.

      Gelingende laterale Führung wird häufig in Verbindung gebracht mit überragenden Persönlichkeitsmerkmalen (z. B. Eggenberger, 2014). Eine Gefahr besteht in der Vorstellung, dass Unzulänglichkeiten des Systems durch fachkompetente, integre und motivierende Personen mit Autorität kompensiert werden können. Gomez & Rüegg-Stürm (1997) hingegen verstehen laterale Führung als systemisches Phänomen. So stellt sich die Frage, welche Rahmenbedingungen es beispielsweise zur Entwicklung der Fähigkeit von Teams braucht, damit diese sich mit Blick auf neue Aufgaben immer wieder neu konstituieren und rasch eine Arbeitsfähigkeit erlangen können. In diesem Sinne orientieren wir uns in dieser Publikation an einem weiten Verständnis von lateraler Führung, welches auch organisationale Aspekte in den Fokus rückt (vgl. die Einführung und den Beitrag von Stäuble i. d. Bd.).

      Chancen und Grenzen eines Transfers

      Während das Problemempfinden mittlerer Führungskräfte, wie in der Unternehmensliteratur beschrieben, eine hohe Ähnlichkeit mit jenem von Verantwortungsträgern in der Mitte von Hochschulen aufweist, zeigen sich auch wesentliche Unterschiede. Laterale Führung steht im betriebswirtschaftlichen Diskurs im Kontext von Flexibilisierung und Abbau von hierarchischer Führung. Laterale Führung in Hochschulen wird zum Thema im Zusammenhang mit der höheren Autonomie und verstärkter Organisationstätigkeit im Zuge von Verwaltungsreformen (New Public Management). Im Schweizer Fachhochschulsystem führte auch das Schaffen von größeren Einheiten (Mehrspartenfachhochschulen) zu einem Aufbau von Führungskapazität in der Mitte.

      Immer wieder wird mit dem Stichwort der Expertenorganisation die Andersartigkeit von Hochschulen betont (vgl. auch den Beitrag von Thomann i. d. Bd.) Scott (1966) beschreibt Konflikte bei der Beschäftigung von Spezialistinnen und Spezialisten in Organisationen. Diese gehören zwei Systemen an – der Berufsgruppe/Profession und der Organisation. Spezialisten sind im Unternehmen verantwortlich für anspruchsvollere umfassende Aufgaben. Dafür durchlaufen diese längeren Ausbildungen, in welchen sie auch Normen und Standards der Profession internalisieren (vgl. den Beitrag von Baitsch i. d. Bd.). Wenn Akademikerinnen und Akademiker in Führungspositionen gelangen, erleben sie Ambivalenzen zwischen unterschiedlichen Identitäten (als Führungsperson der Organisation, als Fachexperte der Profession verpflichtet) (vgl. auch Floyd & Dimmock, 2011).

      Zur Erklärung von Hochschulgovernance wird das Konzept der »professional bureaucracy« herangezogen. Mitarbeitende verfügen über ein hohes Maß an eigener Kontrolle über ihre Arbeit. Entscheidungen werden dezentral gefällt. Es ist die Rede von einer losen Koppelung der Teilbereiche des Systems. Ausgeprägte Prozesse der Selbstverwaltung spielen eine zentrale Rolle (Kezar & Ekel, 2004).

      Diese Form der Führung von Hochschulen ist seit längerem herausgefordert durch den hohen Anpassungsdruck vonseiten der Politik und Gesellschaft. In einer Wissensgesellschaft hat die Zahl der Hochschulstudierenden massiv zugenommen und grundsätzliche Fragen zur Funktion von Hochschulen und der Effizienz des Mitteleinsatzes stehen im Raum (Kezar & Ekel, 2004). Im Zuge von veränderten Steuerungskonzepten (New Public Management) wurde die Autonomie der Hochschulen und damit die Gestaltungsmacht der Hochschulleitungen ausgebaut (Lange, 2008).

      Wenn im Rahmen dieser Veränderungen in der Führung von Hochschulen die Verantwortungsübernahme in der Mitte gewollt und gefördert werden soll, dann bedingt dies eine Klärung der Führungsgrundsätze an Hochschulen. Bezugnehmend auf die Profilierung einer mittleren Ebene an Berufsschulen in Deutschland fordert Wilbers (2015) als Voraussetzung entsprechend klare Ziele und Aufgaben. Dies mag auch für die Diskussion an Hochschulen gelten.

      Wo ist die Mitte in der Hochschule?

      Zuerst stellt sich jedoch die Frage, wo es sie gibt, solche zentralen Bindeglieder an Hochschulen, welche zwischen strategischer Spitze und operativem Kern produktiv übersetzen und manchmal auch als »Lehmschicht« Entwicklung zu behindern vermögen.

      Die hier vorgestellten Überlegungen haben Hochschulen im deutschsprachigen Raum im Blick, sowohl Universitäten als auch Fachhochschulen. Tätigkeitsprofile sind im Kontext gewachsener Strukturen und Kulturen zu verstehen. Diese unterscheiden sich in der Bezeichnung nach Hochschultyp, Land, ja sogar innerhalb von Fakultäten oder Departementen/Abteilungen einer Hochschule. Anhand von vier Beispielen versuche ich in Tabelle 3 im Ansatz diese Mitte zu fassen.

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      Dabei stoße ich auf strukturelle Unterschiede:

      

Hochschulen weisen immer eine doppelte Organisationslogik auf. Sie folgen einerseits in ihrem Aufbau einer fachlich-disziplinären Orientierung, andererseits bedarf es einer Koordination in den unterschiedlichen Leistungsbereichen, dominant in Forschung und Lehre. Die Pädagogische Hochschule Zürich (PH Zürich) ist im Vergleich zu den meisten Departementen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) primär entlang der Leistungsbereiche strukturiert (Lehrgänge, Forschung, Weiterbildung), die fachliche Vernetzung/Koordination dazu erfolgt quer in Fachbereichen. In Universitäten dominierte die fachlich-disziplinäre Orientierung als primäres Organisationsmerkmal.

      

Die Größe der Hochschulen hat einen Einfluss auf die Zahl der Führungsebenen. Die PH Zürich oder auch die Universität St. Gallen können durch ihre fachliche Fokussierung für den entsprechenden Hochschultyp als relativ klein bezeichnet werden. In einer voll ausgebauten Universität, d. h. einschließlich technischer und medizinischer Fakultät, wie der Universität Erlangen-Nürnberg, finden sich vergleichbare Strukturen.

      

Querschnittsaufgaben dienen unterschiedlichen, meist übergeordneten Bereichen der Organisation. Aufträge dafür erteilen Führungskräfte übergeordneter Ebenen. Im Fall der Universität St. Gallen sind die Schools verantwortlich für die Durchführung von Studienprogrammen. Dozierende sind in der Regel den Instituten zugeordnet, welche in relativ hoher Autonomie eigenständige Ziele verfolgen.

      

Nicht mitgedacht ist die Verwaltung, deren Aufbauorganisation nochmals unterschiedlichen Logiken folgen. Gleichwohl ist die Verwaltungsleitung auf den unterschiedlichen Ebenen in der Regel auch Teil der Führungsstruktur.

      Welche Aufgaben fallen an?

      In Anlehnung an das St. Galler Management-Modell